31.07.2014 12:59 Uhr

Brasilien danach: Und jetzt ist... alles vorbei?

20 Tage nach dem finalen Wochenende der Fußballweltmeisterschaft ist Brasilien längst wieder geerdet. Die Erinnerungen der Brasilianer an den "Ausnahmezustand Copa" sind positiv wie negativ.

Es hat nicht einmal 48 Stunden benötigt, da schien die Fußballwelt in Rio de Janeiro nach dem WM-Sieg der deutschen Mannschaft wieder in Ordnung zu sein. Die Tagespresse meldete: Flamengo bietet bei Spielen im Maracanã wieder Tickets für etwa 5 Euro an. Die berühmte "Geral", der Stehplatzsektor für die einfachen Leute, der für die Modernisierung aller WM-Stadien verbannt worden war, kam zurück.

Ansonsten versuchte die tägliche Sportzeitung Lance! nach einem Monat stimmungsvoller Berichterstattung, den Lesern die nationale Liga wieder attraktiv zu schreiben. Doch auf das bittere 1:7 folgte weitere Ernüchterung: Der ein oder andere Fan von Flamengo oder Vasco hatte sicherlich verdrängt, dass die beiden größten Teams Rio de Janeiros sich stark kriselnd in die WM-Pause verabschiedet hatten.

WM-Stimmung kippte nach dem Halbfinale

Bis auf die Dekoration vieler Straßenzüge, die in manchen Vierteln vielleicht noch heute hängt, war die WM-Stimmung eigentlich bereits nach der Niederlage im Halbfinale vorbei. Die WM lag nicht mehr in der Luft, die Gespräche an der Ecke waren stiller geworden.  Die Brasilianer reagierten nicht aggressiv, sondern mit Scham und Sarkasmus. Es schien, als wollte man die zumindest aus nächster Nähe als perfekt wahrgenommene Organisation der WM noch schnell über die Bühne bringen.

Den absoluten Super-Gau hatte Mario Götze netterweise verhindert. Wenngleich ein Finalsieg des großen Rivalen Argentinien eigentlich nur das I-Tüpfelchen der Erniedrigung für die Brasilianer gewesen wäre. Was die Weltöffentlichkeit an den TV-Bildschirmen erkannte, musste umso mehr der Brasilianer auf der Straße einsehen: Die Argentinier hatten sie vier Wochen lang in Grund und Boden gesungen.

Argentinische Partystimmung als eigene Schmach

"Brasil, decime que se siente": Den absolute Hit der argentinischen Fans pfeift sogar Wochen nach der WM der Krabbenverkäufer an der Copacabana. "Meine Erinnerungen an die Argentinier sind bestens", sagt er. "Hier auf dem Fan-Fest haben 70.000 eine Riesenparty veranstaltet. Sie haben mir Trikots geschenkt und ich habe viele Freundschaften geschlossen", erinnert er sich zurück. Das wöchentliche Magazin Istoé macht eine Woche nach dem Abpfiff die neuentfachte Rivalität zu den Argentiniern zum Titelthema – und analysiert etwas aufgeblasen, wie die "Ereignisse" neben wirtschaftlichen und politischen Konflikten in der Nachbarschaftsgeschichte einzuordnen seien.

Präsidentin Dilma fest im Sattel

Wenige Seiten weiter schlussfolgert man anhand von Umfragen, dass die Weltmeisterschaft keinen Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen im Oktober haben werde. Präsidentin Dilma, die von Teilen der konservativen Oberschicht bereits in der Halbzeit des Halbfinals als Hauptverantwortliche der Schmach ausgemacht worden war, sitze fest im Sattel. Allerdings wurde die in Deutschland zumindest wahrgenommene Meldung, dass die FIFA mit 3,3 Milliarden Gewinn das Land verlassen hat, während Brasilien selbst geschätzte 10 Milliarden investierte, im Land des Gastgebers nicht sonderlich diskutiert.

Letztendlich gibt es sprachlich für die Bewohner von Rio de Janeiro eine fundamentale Veränderung. Äußerte man doch jahrelang seufzend "Imagina na Copa" ("Stell dir das bei der WM vor") zu jedem Problem im täglichen Chaos, geht die olympische Variante ("Imagina nos jogos") bisher noch nicht so flüssig über die Lippen.

Viktor Coco

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