19.03.2015 09:00 Uhr

Europacup im Land der geplatzten Träume

Der Nationalstolz wird in der Ukraine groß geschrieben
Der Nationalstolz wird in der Ukraine groß geschrieben

Mit Dinamo Kiev und Dnipro Dnipropetrovsk stehen zwei Vereine aus der Ukraine im Europacup unter besonderer Beobachtung. Durch die aktuelle Situation im "Land der geplatzten Träume" ist der Fußball eine nationale Angelegenheit, aber auch ein Drahtseilakt für alle Beteiligten. Beim Achtelfinal-Rückspiel der Europa League am Donnerstag (ab 19:00 Uhr im weltfussball-Liveticker) von Dinamo Kiev gegen Everton zeigt sich zudem erneut der momentane Ausnahmezustand.

Ein Teil des Olimpiyskyi-Stadions von Kiev bleibt gesperrt, weil es am 26. Februar Ausschreitungen von Dinamo-Fans beim 3:1-Heimsieg gegen EA Guingamp gegeben hatte. Damals hatte in der Schlussphase ein Angriff auf den Gästeblock erst von Ordnungskräften sowie durch das beherzte Einschreiten von Dinamo-Torhüter Oleksandr Shovkovskiy unterbunden werden können.

Die mitgereisten Anhänger aus Frankreich waren aus dem Stadion geflüchtet, sahen sich am nächsten Tag aber dennoch mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert. Ein ukrainischer Abgeordneter warf ihnen vor, ein Transparent mit der Aufschrift "Die Krim ist Russland" gezeigt zu haben. Dies wurde jedoch von den Guingamp-Fans vehement dementiert.
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Die "Bergarbeiter" auf der Flucht

Für Meister Shakhtar Donetsk war in der Champions League an Spiele in der eigenen Stadt nicht einmal im Traum zu denken. Die Donbass Arena, ein topmodernes ukrainisches Prestigeobjekt für die EM 2012, geriet bei den Kampfhandlungen in den vergangenen Monaten mehrmals unter Beschuss. Der Krieg zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten zog die Heimstätte von Shakhtar schwer in Mitleidenschaft.

Als Ausweichquartier zog man bei den Heimpartien nach Lviv in den Westen des Landes. Die "Bergarbeiter" aus Donetsk landeten so am anderen Ende der Ukraine. Die Fußball-Profis gehörten zu den Glücklichen denen einen Flucht aus der Krisenregion möglich war.
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>> Shakhtar-Stadion erneut unter Beschuss

Mit Metalist Kharkov, Zorya Lugansk und Dnipro Dnipropetrovsk waren in der laufenden Saison drei weitere Vereine aus der Ukraine gezwungen ihre Heimspiele in Ersatzstadien auszutragen. Dnipro musste auch zuletzt beim 1:0-Sieg im Achtelfinal-Hinspiel gegen Ajax in die Hauptstadt Kiev reisen.

"Das unbeschwerte Leben auf der Flaniermeile ist vorbei"

Für die UEFA war mit Erich Weiskircher im Herbst ein Österreicher in der Ukraine tätig. Als Venue Director erlebte er in Lviv sowie Kiev bei den Gruppenpartien von Metalist Kharkov wahre "Geisterspiele". "Es ist einfach kein echtes Heimspiel, wenn nur einige hartgesottene Fans mitreisen und das lokale Interesse sehr gering ist."

Zudem wurde der Niederösterreicher auch Zeuge jener Negativspirale, in welcher sich der zuvor im Geld schwimmende Klub aus Kharkov befindet: "Der Verein leidet unter den Problemen. Die glorreichen Zeiten sind vorbei. Als sie vor einigen Jahren gegen die Austria oder Salzburg spielten, da hatten sie eine sehr starke Mannschaft. Doch mittlerweile ist das sportliche Niveau bei Metalist deutlich abgefallen."

Abseits des Fußballs ("In den Stadien hat es nur ganz vereinzelt Transparente gegeben, die auf die politische Situation eingegangen sind") war für Weiskircher auffällig, dass in "einem Lokal in Lemberg Spenden für die Soldaten in der Ostukraine gesammelt wurden". Ein freiwilliger Solidarbeitrag für die Truppen in jener Region, wo Krieg herrscht.

In Kiev war der Waldviertler dann kurz vor den Wahlen auf dem Majdan. "Das unbeschwerte Leben von früher ist vorbei. Als ich 2011, 2012 dort war, da hatte man noch den schönen Eindruck vom Hauptplatz mit einer Flaniermeile." Leider Vergangenheit.

Admira Wacker auf Odyssee in der Ukraine

Bereits lange vor der momentanen Extremsituation wurde auch ein heimischer Verein bei einer Europacup-Reise in die Ukraine mit einer bösen Überraschung konfrontiert. Admira Wacker gastierte am 14. September 1993 in der ersten UEFA-Cup-Runde bei Dnipro Dnipropetrovsk. Doch vor der 0:1-Niederlage im Hinspiel waren die Südstädter statt der geplanten neun gleich 27 Stunden unterwegs und saßen dabei zwei Mal auf ukrainischen Flughäfen fest.

Erst am Vormittag des Spieltages kamen Ivica Vastić und Co nach Stationen über Bratislava, Kiev und Kriviy Rig völlig übermüdet in Dnipropetrovsk an. Alle Protestversuche blieben ergebnislos.

An gleicher Stelle ebenfalls nichts zu holen gab es am 25. November 2004 in der Gruppenphase des UEFA-Cups für die Wiener Austria. Die Orange Revolution mit Massendemonstrationen nach den umstrittenen ukrainischen Präsidentschaftswahlen zwischen Viktor Yushchenko und Viktor Yanukovych war die damalige Begleiterscheinung eines Fußballspiels. Der politische Konflikt zwischen dem Oppositionsblock "Unsere Ukraine" und dem offen von Russland unterstützten Kandidaten ein Vorgeschmack auf die bittere heutige Situation. 

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ct

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