24.04.2015 08:38 Uhr

Abstieg der letzten Rapid-Meisterelf

Stefan Maierhofer, Peter Pacult und
Stefan Maierhofer, Peter Pacult und "Jimmy" Hoffer in gemeinsamen Rapid-Tagen

Der Meistermacher zurück aus der Arbeitslosigkeit wieder daheim in Floridsdorf, der Sturmtank steht mit Millwall vor dem Abstieg und der Publikumsliebling erhält in Düsseldorf keinen neuen Vertrag mehr: Keine gute Woche für die letzte Rapid-Meisterelf. "The class of 2008" steht im Abseits. Einzig Beşiktaş-Kampfmaschine Veli Kavlak und der unverwüstliche Kapitän Steffen Hofmann retten den damaligen Kader vor der mittlerweile vollständigen Bedeutungslosigkeit.

Peter Pacult sorgte im Jahr der Heim-Europameisterschaft 2008 für die große Überraschung: Trotz der finanziellen Übermacht von RB Salzburg mit Stars wie Niko Kovač, Alexander Zickler oder Marc Janko lachte man am Ende in Wien-Hütteldorf über den 32. Meistertitel der Vereinsgeschichte. Bis dato der letzte und daran wird sich auch in dieser Saison nichts ändern.

Ein historischer 7:0-Kantersieg in Salzburg am 23. März 2008 brachte im Titelkampf die Wende für Rapid. Erwin "Jimmy" Hoffer (3), Stefan Maierhofer (2), Ümit Korkmaz und Steffen Hofmann sorgten mit ihren Toren für die Sensation. Promi-Coach Giovanni Trapattoni auf der Betreuerbank der Hausherren konnte es ebenso wenig fassen wie Gäste-Trainer Pacult.

Der Floridsdorfer schüttelte selbst bei einer 3:0-Führung nach erst zwölf Minuten ungläubig den Kopf. Manche taten dies auch am Mittwoch dieser Woche, als Peter Pacult als neuer FAC-Trainer präsentiert wurde. Der Sportchef des Vereins meinte zu seiner Bestellung: "Wir brauchen keinen neuen Trainer, sondern einen Zauberer."
>> Peter Pacult soll FAC vor Abstieg retten

Am Tisch mit Mateschitz, mit den Enten in Dresden und zurück in Floridsdorf

Vielleicht hat Pacult wirklich magische Talente, an seinen Fähigkeiten als Trainer gab es nach seinem Abschied von Rapid, wo er den Rekordmeister gleich zwei Mal nach Triumphen gegen Aston Villa in die Gruppenphase der Europa League führte, jedenfalls einige Zweifel. Zunächst musste er bei einer Pressekonferenz mit seinen zeichnerischen Ambitionen einen gemeinsamen Heurigen-Besuch mit Dietrich Mateschitz erklären.

Wenig später wechselte er - was zuvor heftig dementiert wurde - ins Reich von Red Bull: Im Sommer 2011 wurde er als neuer Coach von RB Leipzig präsentiert, nach dem verpassten Aufstieg aber schon ein Jahr später wieder ausbezahlt. Ein folgendes Engagement bei Dynamo Dresden brachte Pacult ein ähnliches Schicksal ein. Obwohl er die Sachsen zunächst vor dem Abstieg rettete, wurde er im August 2013 freigestellt. Es folgten 19 Monate ohne Job, ehe er nun in Wien-Floridsdorf wieder ins Fußballgeschäft zurückkehrte.

Über die Arbeitsbedingungen beim FAC meinte Pacult, dass die "Möglichkeiten hier besser sind als in Dresden, wo wir uns den Trainingsplatz mit Wildenten teilen mussten."

Kreuzbandriss beim Hund, Fahrschule, Zypern, FC Egg und Parndorf

Durch tierisches Vergnügen wurde zuletzt auch der Torhüter der letzten Rapid-Meistermannschaft "berühmt": Der frühere Kreuzbandriss beim Hund von Helge Payer amüsierte die "Sky"-Experten im Studio. Das Ende der aktiven Karriere des Ex-ÖFB-Teamkeepers war nach zahlreichen Verletzungsproblemen weniger lustig. Heute ist er mit seiner Torwartschule und seinen TV-Auftritten im ORF beschäftigt.

Die damaligen Ersatzkeeper Raimund Hedl und Andreas Lukse sind hingegen immer noch in der Bundesliga enagiert. Hedl ist der heutige Rapid-Tormanntrainer und Altach-Torhüter Lukse spielt gereift nach überstandenen Jugendsünden eine ganz starke Saison. Gegen die Grün-Weißen glänzte er im Frühjahr sogar als Elfmeter-Killer.

Auch die Abwehrspieler der Saison 2007/08 legten nicht die erhoffte große Karriere ein. Ex-ÖFB-Teamspieler Andreas Dober kehrte nach einem Abenteuer auf Zypern zum SKN St. Pölten zurück, wo er vor einem Jahr neben dem Einzug ins Cup-Finale auch durch seinen Auftritt als Fahrschüler für Aufsehen sorgte.

Hannes Eder ließ die Karriere im Vorjahr beim SV Horn ausklingen, Christian Thonhofer landete beim SC/ESV Parndorf in der Regionalliga Ost, Jürgen Patocka ist mittlerweile in Vorarlberg beim FC Egg als Spielertrainer tätig, Mario Tokić machte in Kroatien die Trainerausbildung und hospitierte dabei 2014 auch bei Rapid. Nur Markus Katzer (Admira Wacker) und Stephan Palla (Wolfsberger AC) sind von den Defensivspielern noch in der Bundesliga unter Vertrag.

Bošković-Rückkehr ersetzte Scouting-Abteilung, HJK, Treibach und ein Evergreen

Im Mittelfeld steht ein Name der damaligen Meistermannschaft sinnbildlich für die jahrelange Fehlentwicklung beim Rekordmeister: Branko Bošković verabschiedete sich 2010 aus Wien-Hütteldorf in die USA und unterschrieb bei D.C. United. Im Jänner 2013 kehrte der Nationalspieler aus Montenegro gealtert und längst über dem Zenit nach Österreich zurück. Bekannte Namen ersetzten eine funktionierende Scouting-Abteilung. Ein Makel, der von Rapid erst im Juni 2014 mit der Bestellung eines neuen Chefscouts behoben wurde.
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Mit Markus Heikkinen fügte ein weiterer Routinier den Grün-Weißen im Playoff der Europa League mit HJK Helsinki zu Saisonbeginn ein ganz bitteres Aus bei. Auf der Gegenseite stand mit "Evergreen" Steffen Hofmann der einzige Rapid-Spieler, der seit dem Meistertitel 2008 immer noch im Kader steht. Zwei Hoffnungsträger verschlug es in die Türkei: Während Veli Kavlak zum ÖFB-Teamspieler und Leader bei Beşiktaş reifte, verlief die Entwicklung von Ümit Korkmaz weniger zufriedenstellend. Auch bei Çaykur Rizespor kam der ehemalige grün-weiße Publikumsliebling in der laufenden Saison über die Rolle als Joker nicht hinaus.

"Kampfgelse" Stefan Kulovits rückte beim SV Sandhausen in der zweiten deutschen Bundesliga hingegen inzwischen sogar zum Kapitän auf, für Georg Harding galt dies beim SK Treibach in der Kärntner Liga auf einem anderen Niveau ebenso und Mario Sara wurde beim FC Vaduz zuletzt durch das EM-Qualifikationsspiel von Österreich in Liechtenstein erstmals in seiner Karriere zum gefragten Interview-Partner.

"The Great Escape" ohne Fortsetzung und Abschied von Fortuna

Im Rapid-Angriff der Saison 2007/08 galten Mario Bazina (wechselte nach dem Meistertitel zum Erzfeind Austria) und Erwin Hoffer als gesetzt. Erst im Finish konnte sich Stefan Maierhofer von der Ersatzbank in die erste Mannschaft bomben, der Brasilianer Fabiano (heute beim LASK) kam über Kurzeinsätze nicht hinaus.

Doch auch für das Sturmduo Hoffer/Maierhofer platzte der Traum von der großen Karriere. Bei "Jimmy" Hoffer gab es mit SSC Napoli, dem 1. FC Kaiserslautern, Eintracht Frankfurt, erneut Kaiserslautern und Fortuna Düsseldorf keinen einzigen Volltreffer bei seinen weiteren Stationen. Zuletzt gaben die Düsseldorfer bekannt, dass sein Vertrag nicht mehr verlängert wird. Im Sommer bekommt der von Ex-Teamchef Dietmar Constantini als "laufende Handgranate" geadelte Instinktkicker wohl seine letze Chance zu zünden.
>> Fortuna: Kein neuer Vertrag für Hoffer

Stefan Maierhofer wurde nach Rapid ebenfalls zum Wandervogel: Wolverhampton Wanderers, Bristol City, MSV Duisburg, RB Salzburg (Meister und Torschützenkönig), 1. FC Köln, Millwall FC, SC Wiener Neustadt hießen seine Arbeitgeber. Nachdem er Millwall im Vorjahr vor dem Abstieg gerettet hatte, sollte diesmal mit seinen Toren Teil zwei von "The Great Escape" gedreht werden. Doch bereits am Wochende könnte diese Mission endgültig scheitern. Wunder können eben nicht beliebig wiederholt werden.
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Barisic: "Spieler bei der Vereinswahl nicht sorgfältig genug"

Zoran Barisic war 2008 als Co-Trainer neben Chefcoach Peter Pacult tätig, eine berufliche Beziehung die später gewaltig in die Brüche gehen sollte. Doch die Zeiten und die Rollen haben sich geändert: Während Pacult aktuell mit dem FAC um den Klassenerhalt in der Ersten Liga kämpft, erhielt Barisic von Rapid die Chance in die erste Reihe aufzurücken.

Worin sieht der heutige Rapid-Trainer die Gründe für den Absturz der damaligen Meistermannschaft? Gegenüber weltfussball fasste es Barisic so zusammen: "Möglicherweise waren die Spieler mit ihrer Vereinswahl nicht sorgfältig genug. Wir hatten damals bei Rapid einen Kern mit einer gewissen Altersstruktur und die jungen Wilden. Vielleicht ist manchen Spielern auch die Umstellung auf ein moderneres System schwergefallen."

"Ich stehe auf po­ly­va­lente Spieler, die mehrere Postionen einnehmen können", so der Rapid-Coach. "Zudem muss man sich nach einem Meistertitel auch immer die Frage nach dem Erfolgshunger stellen." Bei Rapid kann man sich diese Frage seit 2008 sparen.

Mehr dazu:
>> Die Einsatz-Statistik des Rapid-Kaders in der Meistersaison 2007/08

Christian Tragschitz/Johannes Sturm

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