22.06.2017 13:40 Uhr

Wenn das Ungeheuer zweimal klingelt

Hrubeschs Kopfball in der 89. Minute entschied das Finale
Hrubeschs Kopfball in der 89. Minute entschied das Finale

Vor 37 Jahren wurde die deutsche Nationalmannschaft zum zweiten Mal Europameister. Zu verdanken haben wir diesen Titel einem doppelten Tordebütanten.

Zu Europameisterschaften pflegt Horst Hrubesch seit vielen Jahren eine ganz besondere Beziehung. 2009 hatte Hrubesch den Jahrgang um Özil, Neuer & Co. erstmals auf den europäischen Thron der U21-Nationalteams gecoacht. Ein Jahr zuvor war ihm das gleiche Kunststück mit der U19 geglückt. Seinen größten Triumph erlebte der Blondschopf, der aufgrund seiner Kopfballstärke während seiner aktiven Karriere den Spitznamen "Kopfballungeheuer" verpasst bekam, allerdings als Spieler bei der Europameisterschaft 1980.

Erst wenige Wochen vor den Titelkämpfen in Italien war Hrubesch, der lange Mittelstürmer vom Hamburger SV, erstmals in die Nationalelf berufen worden. An den Topstürmern der ausgehenden 1970er Jahre, Karl-Heinz Rummenigge, Klaus Allofs und Klaus Fischer, war der kantige Angreifer lange nicht vorbeigekommen. Erst ein Schienbeinbruch des Schalkers Klaus Fischer öffnete den Weg für Hrubesch in den EM-Kader.

Jungstar Schuster glänzt

In Italien machten dann aber zuerst andere DFB-Spieler auf sich aufmerksam. Bundestrainer Jupp Derwall hatte nach der enttäuschenden Weltmeisterschaft von 1978 einen Umbruch vollzogen und eine Reihe talentierter Spieler in das Nationalteam integriert. Mit dem 24-jährigen Mittelstürmer Karl-Heinz Rummenigge stand ein Angreifer mit Weltformat zur Verfügung. Auf der offensiven Mittelfeldposition schenkte Derwall dem 22-jährigen Stuttgarter Hansi Müller das Vertrauen. Dessen Vereinskollege Karl-Heinz Förster in der Innenverteidigung war sogar noch ein Jahr jünger.

Ein neuer Stern am deutschen Fußballhimmel überstrahlte allerdings diese Ansammlung von vielversprechenden Talenten: Obwohl in nur zwei der vier Spielen eingesetzt, machte der 20-jährige Kölner Bernd Schuster im defensiven Mittelfeld einen derartigen Eindruck, dass ihn die technische Komission nach dem Titelgewinn zum besten Spieler des Turniers kürte.

Die Meisterschaft begann für die deutsche Elf mit einem müden 1:0-Erfolg über die Tschechoslowakei durch ein Tor von Karl-Heinz Rummenigge. Das zweite Gruppenspiel stand dann ganz im Zeichen von Klaus Allofs. Gegen den ewigen Rivalen aus den Niederlanden traf der Stürmer von Fortuna Düsseldorf, unterstützt von einem überragenden Bernd Schuster, gleich dreimal, bevor die Holländer in den letzten zehn Minuten noch auf 2:3 herankommen konnten. In der letzten Vorrundenpartie genügte der Derwall-Elf ein schwaches 0:0 gegen Außenseiter Griechenland, um in das Finale gegen Belgien einzuziehen.

Doppelschlag im Endspiel

Im Endspiel schlug dann die große Stunde von Horst Hrubesch. In seinen ersten vier Länderspielen war der Hamburger ohne Tor geblieben. Gegen Belgien sollte es von Beginn an besser laufen. In der zehnten Minute überwandt Bernd Schuster mit einem perfekten Doppelpass das gesamte belgische Mittelfeld und spielte Hrubesch an der Strafraumgrenze an, der das Leder kurz abtropfen und aus 16 Metern Jean-Marie Pfaff im Tor der Belgier keine Chance ließ.

In der Folgezeit scheiterten die deutschen Angreifer immer wieder am späteren Torhüter des FC Bayern. Erst in der zweiten Halbzeit konnten sich die Roten Teufel aus der Umklammerung der DFB-Elf lösen und sich ihrerseits Chancen erspielen. Für die Ausgleichstreffer in der 72. Minute benötigten sie allerdings die Hilfe des rumänischen Schiedsrichters Nicolae Rainea. Nach einem Fehlpass im deutschen Mittelfeld konnte Uli Stielike den durchgebrochenen Francois van der Elst nur noch mit einer Grätsche in die Beine stoppen. Obwohl das Foul deutlich vor dem Strafraum stattfand, entschied der Unparteiische auf Elfmeter. Rene Vandereycken nahm das Geschenk an und versenkte den Strafstoß zum 1:1.

Alles deutete auf eine Verlängerung hin. Allerdings nicht für Karl-Heinz Rummenigge. Der Stürmer stand zwei Minuten vor dem Abpfiff zur Ausführung einer Ecke bereit, als er einen in der Nähe der Eckfahne sitzenden Fotografen anwies, seine Kamera auf Horst Hrubesch zu fokussieren. Rummenigge schlug den Ball scharf vors Tor, das "Kopfballungeheuer" hielt seinen Kopf in die Flanke und versenkte das Leder zum 2:1 im Netz. Deutschland war Europameister.

Hrubeschs Nationalmannschaftskarriere, die erst kurz vor seinem 29. Geburtstag begonnen hatte, endete nach nur zwei Jahren mit der Niederlage im Weltmeisterschaftsfinale von 1982 gegen Italien. Als Trainer hatte Horst Hrubesch dann in der DFB-Nachwuchsausbildung seine Erfüllung gefunden, nachdem er in diversen Vereinsstationen zuvor nur mäßigen Erfolg aufweisen konnte. Seit Januar 2017 führt er seine DFB-Karriere als Sportdirektor weiter fort. 

Ralf Amshove

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