10.10.2015 10:00 Uhr

Tschechien: Aus dem Tiefschlaf erwacht

Bořek Dočkal (l.) ist einer der großen Leistungsträger der tschechischen Mannschaft
Bořek Dočkal (l.) ist einer der großen Leistungsträger der tschechischen Mannschaft

Es gab Zeiten, da gehörte die tschechische Nationalmannschaft zu den Top-Teams des europäischen Kontinents. Namen wie Zdeněk Nehoda oder Pavel Nedvěd brachten ihre Gegner reihenweise zur Verzweiflung und errangen für ihr Land zahlreiche Siege.

Das Highlight war der EM-Sieg 1976 gegen Deutschland als Tschechoslowakei, aber auch die Goldene Generation der 90er und 2000er Jahre machte nach dem zweiten Platz bei der EM 1996 auf sich aufmerksam, wenn es um die europäische Krone ging. Nachdem das Team in den letzten Jahren immer tiefer in das Mittelmaß abgerutscht ist, bringt die EM-Qualifikation den tschechischen Fans die Hoffnung auf eine neue Ära zurück. weltfussball nimmt die neu formierte Elf unter die Lupe.

Mit dem 2:1-Sieg gegen Lettland Anfang September sicherten sich die Tschechen vorzeitig die Teilnahme für die EM in Frankreich. Nationaltrainer Pavel Vrba zeigte sich nach dem Erfolg positiv überrascht davon, dass "unbekannte Burschen das Gleiche geschafft haben wie famose Spieler vor ihnen, wie ein Nedvěd, Baroš, Jankulovski."

Damit fasst der Fußballlehrer den Wandel in der tschechischen Elf optimal zusammen: Das Team ist jetzt der Star. Mit Ausnahme des Kult-Torwarts und Kapitäns Petr Čech sowie des alternden Stars Tomas Rosický begeistert das Team nicht durch Individualisten, sondern vor allem durch Kampfgeist und mannschaftliche Geschlossenheit. Die 16 Tore der Tschechen wurden von zehn verschiedenen Torschützen erzielt.

Der "neue Beckham" und Bundesliga-Dauerbrenner

Obwohl das Team im Vordergrund steht, gibt es in der tschechischen Elf einige Eckpfeiler, die zum neuen Aufschwung beitragen. Der Top-Torjäger des Teams ist Bořek Dočkal. Noch nie gehört? Ja, dann wird's aber Zeit! Der 27-jährige Mittelfeldspieler von Sparta Praha, der zu seiner Zeit bei Rosenborg Trondheim als "neuer David Beckham" bezeichnet wurde, stand in allen acht Qualifikationsspielen auf dem Rasen und hat mit vier Toren einen beachtlichen Anteil an der kommenden EM-Teilnahme.

Ein weiterer Leistungsträger ist ein Spieler aus der Bundesliga: Vladimír Darida, seines Zeichens Mittelfeldmotor bei der wieder erstarkten Hertha aus Berlin, erzielte beim entscheidenden Sieg gegen Lettland das wichtige 2:0 und war ebenfalls bei jedem Spiel der Qualifikation mit von der Partie. Nach der Berliner Verpflichtung des Tschechen titelte eine bekannte Zeitung aus der Hauptstadt: "Die Lösung aller Probleme". Es sieht so aus, als ob der 25-Jährige dieser Prognose auch in der Nationalmannschaft gerecht wird.

In der Defensive haben die Tschechen einen neuen Dauerbrenner: Hoffenheims Rechtsverteidiger Pavel Kadeřábek. Der Youngster wechselte im Sommer aus Prag zur TSG und stand in der Nationalmannschaft in sieben von acht Quali-Spielen auf dem Feld. Der athletische Verteidiger durchlief von der U17-Auswahl alle Jugendnationalmannschaften Tschechiens und gilt als eins der größten Abwehr-Talente seines Landes.

Vrba bringt den Umschwung

Talente allein bringen nichts, wenn sie nicht geformt werden. Nach der verpassten Qualifikation für die WM in Brasilien reagierte der tschechische Verband und ersetzte den damaligen Interimstrainer Josef Pešice durch den Erfolgscoach von Viktoria Pilsen, Pavel Vrba. Mit dem Team aus Westböhmen hatte er 2011 und 2013 die tschechische Meisterschaft gefeiert, also wurde er als großer Hoffnungsträger engagiert.

Nach zwei Remis und zwei Niederlagen zu Beginn schien die Tristesse in Tschechien weiterzugehen, doch dann startete sein Team in der EM-Qualifikation richtig durch und setzte sich sogar gegen die großen Favoriten aus den Niederlanden und der Türkei durch. Das mittlerweile konstant eingesetzte 4-2-3-1-System scheint seinen Spielern entgegen zu kommen, eine Stammformation gibt es für den Coach jedoch nicht, was sein Team ein Stück weit unberechenbar macht.

Große Siege feiert der Fußballlehrer aus der Kleinstadt Přerov übrigens gerne mit Purzelbäumen. Die hatte er auch im Falle der EM-Qualifikation versprochen. Nach dem Sieg gegen Lettland konnten die Fans jedoch nicht die Akrobatikkünste ihres Nationaltrainers bewundern. "Die gibt es erst zu Hause", antwortete Vrba auf Nachfrage nach seinem Markenzeichen.

Ein ernstzunehmender Gegner

Auch wenn die Tschechen im Gegensatz zu anderen Teams in Europa keine absoluten Topstars in ihren Reihen vorweisen können, darf das neu formierte Team keineswegs unterschätzt werden, wenn es nächstes Jahr in Frankreich um den Titel geht. Tschechien gehört keineswegs zum Favoritenkreis, eine Außenseiterchance ist dem Team des engagierten Trainers Pavel Vrba aber zuzuschreiben.

Vielversprechende Spieler aus der heimischen Liga in Kombination mit Bekannten aus der Bundesliga und den Altstars Čech und Rosický sorgen nach Jahren des Mittelmaßes dafür, dass die Fans des wieder erwachten Fußball-Riesens von einer neuen Ära träumen dürfen.

Mehr dazu:
>> Die Situation in Gruppe A

Lionard Tampier 

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