18.11.2015 07:30 Uhr

1:2 gegen Schweiz ärgert ÖFB-Team bedingt

Marcel Koller versucht aus dem 1:2 das bestmögliche mitzunehmen
Marcel Koller versucht aus dem 1:2 das bestmögliche mitzunehmen

Die österreichische Nationalmannschaft verpatzte den Abschluss eines denkwürdigen Jahres 2015 mit einer Niederlage. Nach dem 1:2 am Dienstagabend in Wien gegen die Schweiz bleibt der große Ärger über den ersten Fleck auf der weißen Weste aber aus.

Das Kunststück, ein Jahr ohne Niederlage zu beschließen, ist dem aktuellen Nationalteam nicht gelungen. Historisch betrachtet stellt dies ohnehin mehr Ausnahme als Regel dar. In der Nachkriegszeit gelang dies nur 1996, 1979, 1977 und 1974.

Auch andere Zahlen fallen auf: Sieben der letzten acht November-Spiele wurden verloren. Außerdem klafft die ÖFB-Bilanz bei Pflicht und Probe weiter auseinander. Während der Weg zur EM nach Frankreich souverän mit neun Siegen und einem Remis durchschritten wurde, nimmt sich die Ausbeute aus Freundschaftsspielen der Ära Koller mit 5-4-6 vergleichsweise bescheiden aus. Von den letzten neun Tests wurden überhaupt nur zwei gewonnen.

Der Blick auf die Gegner bestätigt, dass Herausforderung bewusst gesucht wurde und der Lerneffekt höher zu bewerten ist, als das bloße Pflegen von Statistiken und weißen Westen. Die Statements nach der Standortbestimmung zwischen Zehntem und Elftem der FIFA-Weltrangliste hörten sich jedenfalls nicht negativ an.

Marcel Koller war nach dem 1:2 gegen seine Heimat Schweiz nicht unzufrieden. "Kleinigkeiten haben entschieden, speziell in der ersten Halbzeit", resümierte der 55-Jährige, "Die Tore waren unnötig, es waren Konzentrationsmängel oder Missverständnisse. Aber es ist besser wenn es heute passiert als im nächsten Jahr oder bei der EM." Niederlagen ärgern ihn immer. "Wenn es dann die Schweiz ist, dann ist mir das noch am liebsten", so der ÖFB-Teamchef.

Ärger verfliegt

"Jetzt überwiegt noch der Ärger über die Niederlage. wenn wir aber in ein paar Wochen zurückschauen auf dieses Jahr, werden wir happy sein", sagte auch David Alaba. Der Bayern-Star war an einem der "Missverständnisse" beteiligt, leitete mit einer unglücklichen Kopfball-Rückgabe auf Keeper Ramazan Özcan nach ungünstigem Zuspiel von Florian Klein das 0:1 durch Haris Seferović ein (9.).

"Das Gegentor nehme ich natürlich auf meine Kappe", so Alaba, der keine fünf Minuten später seinerseits eine Indisponiertheit des Schweizers Stephan Lichtsteiner nutzte und seinen Fehler mit dem 1:1 ausbügelte (13.).

Marko Arnautović wähnte Österreich gar als "bessere Mannschaft" an diesem Abend. "Aber man kann nicht alles gewinnen. Wir haben heute mit Pech verloren, weiter geht’s", so der Stoke-Legionär.

Fehlentscheidung keine Ausrede

Zwischendurch hätte Rubin Okotie mit seinem Kopfballtor die Partie sogar gedreht (35.). Allein das Schiedrichterteam um den Deutschen Manuel Gräfe verweigerte dem Treffer wegen Abseits fälschlicherweise die Anerkennung. Zwei Minuten später der nächste Lapsus in der rot-weiß-roten Defensive. Gleich zwei Schweizer fanden bei einer Flanke von Admir Mehmedi Platz zwischen den Innenverteidigern, Seferović lupfte den Ball schließlich über Özcan und erzielte sein zweites Tor.

"Wir sind schon ein Stück weit traurig", ärgerte sich der Keeper nach seinem fünften Länderspieleinsatz, "wir waren zwei Mal unachtsam. Der Gegner hat es eiskalt ausgenützt." Wie meinte Marcel Koller angesichts des Vorstoßes in die Top-Ten der Welt damals? "Da oben ist die Luft sehr dünn."

"Es bringt nichts, sich auf den Schiedsrichter auszureden", sagte Aleksandar Dragović. "Wir hatten unsere Chancen. Auf die zweite Hälfte können wir stolz sein, nur das Tor hat gefehlt." Kollege Jakob Jantscher, der Luzern-Legionär vertrat am rechten Flügel Martin Harnik, räumte ein: "Den letzten oder entscheidenden Pass hätten wir mehr suchen müssen."

So mussten sich die 27.600 Fans im Ernst Happel Stadion mit einer Niederlage abfinden. Die Zuschauerzahl fällt angesichts des jüngsten Hypes um das Team in die Kategorie bescheiden. "Ich bin das gar nicht gewohnt. Seit ich dabei bin ist das Stadion immer ausverkauft", war Stefan Ilsanker durchaus irritiert. Arnautović hatte Verständnis: "Es ist November, die Leute sitzen auch gerne im warmen Wohnzimmer. Den Zusehern im Stadion aber ein richtig großes Lob. Sie haben wieder Stimmung gemacht. Aber natürlich ist es ein Unterschied, ob 27.000 oder 45.000 im Stadion sind."

Reservisten und Neulinge auf dem Prüfstand

Ausfälle von Stammspielern (Robert Almer, Martin Harnik, Zlatko Junuzović) waren schon während des einwöchigen Teamcamps in Spanien bekannt, mit Marc Janko (Nackenprobleme) und Sebastian Prödl (ging nach nur einer Minute mit einer Verletzung der linken Wade vom Feld) kamen weitere hinzu. "Das sind natürlich nicht optimale Bedingungen", so Koller. Er schob Spekulationen über ein möglicherweise besseres Abschneiden von sich. "Das ist alles hypothetisch."

So konnte Marcel Koller "den einen oder anderen unter Wettkampfbedingungen sehen." Özcan zeichnete sich in der ersten Halbzeit im eins-gegen-eins mit Xherdan Shaqiri aus. Die Einwechslung von Stefan Ilsanker erschwerte den Schweizern nach der Pause das Durchkommen. "Er ist ein anderer Spieler als Alaba (der nach vorne rückte, Anm.). Mit Julian Baumgartlinger und ihm hatten wir auf der Position zwei Abräumer."

Zudem kamen Mattersburgs Karim Onisiwo und der Rapidler Florian Kainz zum Länderspieldebüt. Der Teamchef war mit ihnen zufrieden: "Sie haben einen guten Eindruck gemacht in dieser Woche. Es ist aber was anderes, wenn dir bewusst wird, du bist Nationalspieler und kommst rein." Nun gelte es für die beiden als Nationalspieler bei ihren Vereinen aufzutreten und Gas zu geben.

Das Risiko suchen

Weniger berauschend war Marcel Sabitzer als Vertretung von Zlatko Junuzović. "Etwas unglücklich", räumte Koller ein, erinnerte aber: "Er hat uns in der Quali sehr geholfen." Überhaupt strich er den Lehrwert schwächerer Auftritte für junge Spieler hervor. "Sie sollen versuchen und Risiko nehmen. Dann gibt es halt Situationen, wo Fehler drin sind, das muss man akzeptieren", sagte Koller.

"Der Spieler wiederum muss bemerken, dass er die Konzentration hoch halten muss und nicht zu viele Fehler auf diesem Niveau sein dürfen, weil du sonst den Rückwärtsgang einschalten musst und das zu viel Kraft kostet."

Für das gesamte ÖFB-Team war das 1:2 vielleicht sogar wichtig. "Wir können dieses Gefühl wieder einmal spüren zu verlieren. Es ist auch wichtig, dass man wieder runterkommt", meinte Koller. "Ich kann das nun analysieren und mit den Spielern wieder anschauen." Nach einem Jahr des Überschwangs finden sich für Marcel Koller abschließend doch Schrauben, an denen gedreht werden muss. Wer braucht da schon weiße Westen?

Mehr dazu:
>> Dämpfer zum Schluss - ÖFB-Team verliert 

Sebastian Kelterer

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