22.11.2015 11:14 Uhr

Fashanu: Talent, Vorreiter, Selbstmörder

Justin Fashanu hatte sein Coming-Out im Jahr 1990
Justin Fashanu hatte sein Coming-Out im Jahr 1990

Im Herbst 1990 bekannte sich das einstige Riesentalent Justin Fashanu als erster aktiver Profifußballer öffentlich zu seiner Homosexualität. Mit dem Outing begann ein zermürbender Spießrutenlauf für den sensiblen Engländer, dessen Leben acht Jahre später ein tragisches Ende fand.

Justin Fashanus Leben endete fast genau dort, wo es begonnen hatte. Im Osten Londons wurde er am Morgen des 3. Mai 1998 in einer dreckigen Hinterhof-Garage tot aufgefunden. Baumelnd an einem Deckenbalken, an dem er sich selbst mit einem Elektrokabel erhängt hatte. Seine Nichte Amal wartete ein paar Straßenecken weiter vergeblich auf ihren geliebten Onkel, der ihr versprochen hatte, sie an diesem Tag ins Musikstudio von Elton John mitzunehmen.

37 Jahre zuvor war Fashanu etwa anderthalb Kilometer vom Ort des schrecklichen Geschehens entfernt im Londoner Stadtteil Hackney zur Welt gekommen. Der Werdegang des kleinen Justin stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Seine Mutter, eine aus Guyana stammende Krankenschwester, gab ihn und seinen jüngeren Bruder John als Kleinkinder ins Heim. Der Vater, ein Anwalt, war zuvor in seine nigerianische Heimat zurückgekehrt.

Begabung hilft durch schwere Zeiten

Als Justin sechs war, kamen die Fashanu-Brüder zu Pflegeeltern. Zwei schwarze Jungs in der Obhut einer weißen Mittelstandsfamilie im ländlichen Norfolk - eine nicht immer einfache Konstellation. Doch die beiden bissen sich durch, vor allem dank ihres Könnens auf dem Fußballplatz. Beide spielten für Norwich City, wo der talentiertere Justin im Dezember 1978 sein Profidebüt gab.

Schnell mauserte sich der junge Stürmer zum Stammspieler und Leistungsträger bei den Canaries. In der höchsten englischen Spielklasse knipste er regelmäßig. Aufsehen erregte vor allem sein wunderbarer Volleytreffer im Februar 1980 gegen Liverpool, der später von der "BBC" zum Tor der Saison gewählt wurde. Mit dem Wechsel zu Nottingham Forest nach der Saison 1980/1981 durchbrach Fashanu als erster dunkelhäutiger Spieler in England die damalige Ablöse-Schallmauer von einer Million Pfund.

Homophobie macht Fashanu zu schaffen

In Nottingham wurden erstmals Gerüchte über Fashanus Homosexualität laut. Als Forest-Teammanager Brian Clough zu Ohren kam, dass sein Neuzugang Gay-Nachtklubs besuchte, rastete der erzkonservative Übungsleiter aus. Er beschimpfte Fashanu vor versammelter Mannschaft als "dreckige Schwuchtel" und suspendierte ihn schließlich sogar aufgrund seiner sexuellen Orientierung vom Trainingsbetrieb.

Für den ohnehin recht labilen Fashanu waren diese homophoben Ressentiments zu viel. "Clough respektiert und unterstützt mich nicht", klagte er im Gespräch mit dem bekannten australischen Menschenrechtsaktivisten Peter Tatchell. Trost fand der Geschmähte in einer dubiosen christlichen Glaubensgemeinschaft, die ihm fortan sogar vorschrieb, welche Kleidung er bei öffentlichen Terminen zu tragen habe.

Odyssee durch die Fußballwelt

Nach der unvermeidlichen Trennung von Forest im Sommer 1982 begann für Fashanu eine Odyssee. Unter anderem spielte er in den folgenden Jahren für Notts County und Brighton & Hove Albion, gab ein kurzes Nordamerika-Gastspiel in Los Angeles und Edmonton und schnürte nach seiner Rückkehr auf die Insel die Fußballschuhe für ManCity und West Ham. Wohl fühlte sich der Wandervogel nirgends. Häufig schlug das Verletzungspech zu, seine Leistungen auf dem Platz wurden immer schlechter.

Anfang der neunziger Jahre stand Fashanu nicht nur vor den Scherben seiner Karriere, sondern hatte auch einen beträchtlichen Schuldenberg angehäuft. Längst war er, das gescheiterte, verkappt schwule Supertalent mit dem schillernden Lebenslauf, ins Visier der englischen Yellow Press geraten. Er entschloss sich, reinen Tisch zu machen.

Coming-Out in der Yellow Press

Ausgerechnet der "Sun", der sensationshungrigsten aller englischen Boulevardzeitungen, verkaufte Fashanu für eine fünfstellige Summe sein Coming Out. "Wenn ich zu einer seriösen Zeitung gegangen wäre, hätte mich die 'Sun' für den Rest meines Lebens gejagt", erklärte er später. "£1m Football Star: I AM GAY ", titelte das Blatt am 22. Oktober 1990.

Fashanus verzweifelter Wunsch, dass die Beichte wieder Ruhe in sein Leben bringen würde, blieb unerfüllt. Im Gegenteil: Die wenig liberale britische Öffentlichkeit beäugte nun jeden seiner Schritte noch argwöhnischer. Sportlich kam er nicht mehr in die Spur. Schlagzeilen produzierte der einstige Star nur noch mit Verkehrsdelikten und einer nachweislich falschen Interviewaussage, er habe Sex mit zwei Kabinettsmitgliedern gehabt.

Missbrauchsvorwürfe als Auslöser des Suizids

Im März 1998 wurde der inzwischen dauerhaft in die USA ausgewanderte Fashanu von einem 17-jährigen Bekannten des sexuellen Missbrauchs bezichtigt. Der Verhaftung durch die Polizei entzog er sich durch die Flucht zurück nach England, wo er nicht einmal zwei Monate später dem aufgestauten Druck nicht mehr standhielt.

Nach seinem tragischen Ende fand man Fashanus Abschiedsbrief. In ihm wies der Selbstmörder die Missbrauchsvorwürfe von sich und erklärte den Grund für seinen Freitod: "Ich habe erkannt, dass ich bereits vorverurteilt worden bin. Ich möchte meinen Freunden und meiner Familie keine Schande mehr machen."

Tobias Knoop

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