24.11.2015 08:30 Uhr

Salzburg-Heimspiel in Wien als Zeitreise

Violette Freudenfeuer zu glorreichen Europacup-Zeiten
Violette Freudenfeuer zu glorreichen Europacup-Zeiten

Das Nachtragsspiel der Ersten Liga zwischen Austria Salzburg und dem LASK am Dienstag (ab 18:30 Uhr im weltfussball-Liveticker) auf dem FAC-Platz verleitet zu einer Zeitreise durch die Fußball-Geschichte und den ersten Salzburger "Heimspielen" in Wien. In der Saison 1993/94 wurde im UEFA-Cup beim violetten Erfolgslauf bis ins Finale das Ernst Happel-Stadion zum internationalen Ausweichquartier.

Die Gründe für den Gang in die Bundeshauptstadt waren damals (das Fassungsvermögen im alten Stadion in Lehen war für die großen Europacup-Spiele viel zu gering) wie heute (die neue umgebaute Heimstätte in Maxglan und das Ersatzstadion in Schwanenstadt lassen durch die Bundesliga-Bestimmungen keine "Risikospiele" zu) ähnlich.

Doch eine weitere unerfreuliche Parallele verbindet Vergangenheit und Gegenwart: Der Salzburger Traditionsverein stand und steht vor einer finanziell äußerst schwierigen Situation. Im Herbst 1993 machten vor der ersten Runde im UEFA-Cup gegen Dunajska Streda sogar Gerüchte vom Ruin bei einem internationalen Out die Runde. "Es war ein extremer finanzieller Druck da und durch meinen sehr guten Kontakt zum Präsidenten wusste ich davon. Ich wollte die anderen Spieler damit nicht belasten, aber ich war damals sehr angespannt", erinnerte der damalige Salzburg-Kapitän Heribert Weber im weltfussball-Gespräch an die heikle Lage.
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Auch aktuell hat die violette Vereinsführung in Salzburg im Gegensatz zum Übernahme-Rivalen aus der Bundesliga, wo Geld dank eines Getränke-Konzerns keine Rolle spielt, mit miserablen monetären Momenten zu kämpfen. Es bleibt zu hoffen, dass dabei ein ähnlich unerwarteter "Jackpot" geknackt wird wie im Frühjahr 1994.
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Der finanzielle Geniestreich von "Westbahn-Rudi" Quehenberger

Nach Dunajska Streda hatten die Salzburger damals auch noch den Europacup-Finalisten von 1993 Royal Antwerp FC und Sporting CP mit (späteren) Weltklassespielern wie Luís Figo, Paulo Sousa und Krassimir Balakov ausgeschatet. Der 3:0-Erfolg nach Verlängerung in einer unglaublich dramatischen Partie gegen die Portugiesen löste sensationell das Ticket für das Viertelfinale.

Die Auslosung bescherte dann Eintracht Frankfurt als Gegner und entledigte den Verein dank eines Geniestreichs von Präsident Rudolf Quehenberger aller Geldsorgen. Der Spediteur setzte zunächst einen umstrittenen Platztausch durch (das Los hätte eigentlich zunächst das Hinspiel in Frankfurt vorgesehen gehabt) und fixierte dann dafür auch noch den Umzug von Salzburg in den Wiener Prater.

"Westbahn-Rudi" Quehenberger war von Anfang an von einem ausverkauften Ernst Happel-Stadion überzeugt. Seine Begründungen klangen dabei zwar wie die ersten Sätze eines fußballbegeisterten Volksschülers ("Peter Artner lockt die Niederösterreicher an, Heimo Pfeifenberger die Rapidler, Kurt Garger die Burgenländer und Otto Konrad die Steirer"), aber er war erfolgreich.

Obwohl in Salzburg-Lehen im Europacup nur knapp 8.100 Zuschauern zugelassen gewesen wären, brachte er zudem als Ablenkmanöver einen Plan B mit dem Verbleib im eigenen Stadion ins Spiel: "Wenn mir Stadt und Land Salzburg das Spiel um zehn Millionen Schilling abkaufen und sich selbst um potentielle Sponsoren kümmern."

Man habe es von Seiten der Politik verabsäumt, das Salzburger Stadion den internationalen Erfordernissen anzupassen, dafür aber "44 Millionen Schilling für Blumenkästen ausgegeben".

Hexenkessel, Affengeräusche und Barić als Lama im Wiener Prater

Letztlich wurde dann am 3. März 1994 doch in Wien gespielt. Die Rechnung ging dabei voll auf: Ein mit 47.000 Zuschauern ausverkauftes Ernst Happel-Stadion. Der Trumpf des Länderspielfaktors gegen einen deutschen Gegner hatte Quehenberger voll in die Karten gespielt. Unter der Devise "Salzburg für Österreich, Österreich für Salzburg" strömten die Fans wirklich aus allen Bundesländern in den Prater.

Das musikalische Vorprogramm mit Wolfgang Ambros, Reinhard Bilgeri, Waterloo, Wilfried, Uli Bär und Rock-Röhre Bonnie Tyler war den damaligen akustischen Vorlieben angepasst. Noch geschmackloser war jedoch, was sich dann teilweise auf den Rängen abspielte: Eintracht-Starstürmer Tony Yeboah wurde bei jedem Ballkontakt mit Affengeräuschen bedacht.

Beim Rückspiel in Frankfurt wurde dieser Skandal auch mit zahlreichen Transparenten ("Österreicher: Ja, Rassisten: Nein - Tony, wir lassen Dich nicht allein!", "SGE-Fans offen für alle Farben. Nazis raus", "Yeboah: Auch ihr seid Ausländer. Hass macht dumm") thematisiert.

Als Salzburg beim Viertelfinal-Hinspiel in Wien auch noch durch einen Gewaltschuss von Adi Hütter mit 1:0 in Führung ging, glich das Stadion für die Gäste endgültig einem Hexenkessel.

Nach dem Wechsel verloren dann auch noch Salzburg-Coach Otto Barić und Eintracht-Verteidiger Kakhaber Tskhadadze die Nerven. "Diese hat beleidigt meine Mutter!", begründete Barić nach dem Spiel seine Lama-Anwandlung. Die Spuckattacke brachte ihm eine Verbannung auf die Tribüne und in der Folge auch eine Sperre ein.

Siegreicher Elfmeter-Krimi brachte weitere Wien-Gastspiele

Damit durfte der Erfolgscoach auch beim Rückspiel in Frankfurt nicht auf der Trainerbank Platz nehmen. In einem wahren Elfmeterkrimi fixierten die Salzburger dabei den Aufstieg, wobei Otto Konrad als Penalty-Killer und Schütze des letztlich entscheidenden Treffers zum Helden wurde.

Nach 17 zuvor erfolglosen Versuchen gelang damit erstmals einem österreichischen Verein im Europacup gegen einen Gegner aus der deutschen Bundesliga der Aufstieg. Zugleich ebnete Salzburg dadurch den Weg für weitere ausverkaufte Wien-Gastspiele im Semifinale gegen den Karlsruher SC sowie im ersten Endspiel des UEFA-Cups gegen Inter.

Auch in der folgenden Saison 1994/95 wechselte man nach dem ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte mit den internationalen Heimspielen in die Hauptstadt. In der Qualifikation der Champions League gegen Maccabi Haifa (vor nur 16.000 Fans) sowie danach in der Gruppenphase der Millionenliga beim Auftakt gegen AEK Athen (23.000 Zuschauer) und beim "Rasenschach" gegen Ajax (19.500 Besucher) war das Happel-Stadion jedoch trotz des ranghöheren Europacup-Bewerbs nicht einmal zur Hälfte gefüllt.

Erst beim Entscheidungsspiel gegen AC Milan war die Arena im Prater mit seinen 48.000 Plätzen noch einmal gerammelt voll. Der Aufstieg ins Viertelfinale wurde durch die 0:1-Heimniederlage nur knapp verpasst. Am Ende der Saison bestritten übrigens die Salzburger Gruppengegner Ajax und Milan dann an gleicher Stelle das Finale.

Mehr dazu:
>> Die Salzburg-Saison 1993/94 im Überblick
>> Die Salzburg-Saison 1994/95 im Überblick

Christian Tragschitz

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