29.11.2015 12:57 Uhr

Coutinho: Klopps Zauberlehrling

Coutinho erzielte fünf Tore in zwölf Ligaspielen
Coutinho erzielte fünf Tore in zwölf Ligaspielen

Zuvor schon im Aufwind, hat sich Philippe Coutinho bei den Reds nach dem Trainerwechsel endgültig zum Mann für die magischen Momente entwickelt. Ganz Liverpool schwärmt derzeit von dem Dribbelkünstler, der Hoffnungen auf den Beginn einer goldenen Ära nährt. Den entscheidenden Schub gab der Abschied eines Ex-Kollegen.

"Seine Wort und Werke merkt ich und den Brauch, und mit Geistesstärke tu ich Wunder auch"

Bereits vor über 200 Jahren erzählte Johann Wolfgang von Goethe die Geschichte eines Zauberlehrlings, der all seinen Mut zusammennehmen musste, um die Grenzen der eigenen Magie zu testen. Während dieses Vorhaben in der weltbekannten Ballade im Chaos endet, beweist ein nur  1,71 Meter großer Ballzauberer aus Liverpool derzeit, wie spielend leicht magische Momente auch heute entstehen können. Gemeint ist natürlich Philippe Coutinho, der in seinem vierten Jahr an der Anfield Road in fast schon übernatürlich guter Form ist.

Der in Rio de Janeiro geborene Offensivmann ist das Gesicht des sportlichen Aufschwungs beim LFC. Seit Jürgen Klopp das Ruder beim englischen Traditionsklub übernommen hat, wirbelt der Edeltechniker wöchentlich ganze Abwehrreihen durcheinander. Mit teils spektakulären Treffern hatte der 23-Jährige zuletzt gehörigen Anteil an den gefeierten Auswärtssiegen beim FC Chelsea und Manchester City, zudem war schon nach zwölf Ligaspielen sein bisheriger Karrierebestwert von fünf Saisontoren eingestellt. Zahlen, die eindrucksvoll belegen, wie der Lehrling nun zum Meister wird.

Techniker mit Ladehemmung

Wie viel Talent in dem Brasilianer schlummert, hatten einst schon die Scouts von Inter Mailand geahnt. Im Sommer 2010 lockte ihn der frisch gekürte Champions-League-Sieger mit einem lukrativen Vertrag, doch auf seiner ersten Station in Europa schaffte Coutinho, damals gerade erst volljährig, den internationalen Durchbruch noch nicht.

Mangelnde Torgefahr und ein gewisser Hang zur Schönspielerei wurden ihm bei der Nerazzurri zum Verhängnis. Nach einer halbjährigen Leihe nach Spanien wurde der FC Liverpool schließlich auf den Rohdiamanten aufmerksam und legte im Januar 2013 stolze 13 Millionen Euro für ihn auf den Tisch. Damals umstritten, aus heutiger Sicht ein echtes Schnäppchen.

"Er macht den Unterschied"

Als Strippenzieher hinter dem Sturmduo Suárez/Sturridge entwickelte sich der zehnfache Nationalspieler zur Stammkraft unter Brendan Rodgers. Ob auf dem linken Flügel oder in der Offensivzentrale – Coutinho überzeugte mit schnellem, unberechenbarem Tempofußball. Entsprechend überschwänglich waren die Lobeshymnen von "Beißer" Suárez: "Er ist derjenige, der für Liverpool den Unterschied macht. Philippe war unglaublich. Er hat uns verändert. Dank ihm hatten wir mehr Vertrauen in den eigenen Ballbesitz, denn er ist technisch so gut".

Einziges Manko: Auch in der Premier League ließ der Ballkünstler zu viele Möglichkeiten liegen, ganz im Gegensatz zu seinem ähnlich hoch veranlagten Teamkollegen Raheem Sterling. Ebendieser verließ die Reds im vergangenen Juli jedoch Richtung Manchester und machte so den Weg frei für den Mann mit der Nummer 10. Eine Initialzündung für den Zauberlehrling.

Der neue Scharfschütze

Denn plötzlich scheint auch der Wirbelwind - ganz wie der Held in Goethes Ballade - all seinen Mut zu sammeln, um für Magie zu sorgen. Aus allen Lagen feuert der Südamerikaner nun aufs Tor und stellt die gegnerischen Defensivreihen so vor schier unlösbare Probleme.

Kein Wunder, dass ihm die Liverpool-Fans längst zu Füßen liegen, was dem bescheidenen Familienmenschen (seit 2012 verheiratet, bald zum ersten Mal Vater) fast schon unangenehm zu sein scheint. Gegenüber goal.com verwies er jüngst auf seinen schwierigen Entwicklungsprozess: "Ich habe viel Zeit damit verbracht, mich in den Bereichen zu verbessern, in denen ich Schwächen hatte. Zum Beispiel im Torabschluss. Ich spüre, dass ich als Spieler gereift bin".

Klopp kommt gut an

Im "System Klopp" ist diese neue Reife besonders gut zu erkennen. Coutinho übernimmt viel Verantwortung, arbeitet nun fleißiger mit nach hinten und hilft, dass berüchtigte Gegenpressing des ehemaligen BVB-Coaches umzusetzen. Ein weiterer Pluspunkt: Das Zusammenspiel mit seinem Landsmann Roberto Firmino klappt von Woche zu Woche besser, wie zuletzt beim überragenden 4:1-Coup bei Manchester City. Ständige Rochaden des Duos sorgen beim Gegner für Verwirrung und schaffen Räume für die Mitspieler.

Überhaupt scheint die Chemie zwischen dem deutschen Trainer und den Zauberern vom Zuckerhut zu stimmen: "Der neue Coach macht es richtig gut, seit er hier ist", so Coutinho. "Er ist leidenschaftlich und macht uns Mut. Er verfügt über eine Menge Energie und das färbt auf uns ab. Er will, dass wir Spaß haben". Mit sichtbarem Erfolg: Unter "Kloppo" hat der LFC fünf Siege und drei Remis aus den letzten neun Pflichtpartien geholt und so rund um „The Kop“ längst vergessen geglaubte Euphorie entfacht. Am Sonntag steht die nächste Prüfung bevor: Das formschwache Swansea City reist nach Liverpool. Zeit für neue magische Momente?

Mehr dazu:
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Heiko Lütkehus

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