29.05.2016 13:31 Uhr

England: Neue Euphorie gegen alte Leiden

England will in Frankreich jubeln
England will in Frankreich jubeln

Titelchancen bei der EM? Bis vor Kurzem glaubten selbst die meisten Engländer an ein frühes EM-Aus. Doch dann kamen die Three Lions Ende März in die Hauptstadt und sorgten für das "Wunder von Berlin".

Ein Spiel hat alles verändert. Seit dem viel umjubelten 3:2-Triumph Ende März bei Weltmeister Deutschland, den die "Daily Mail" als das "Wunder von Berlin" betitelte, glaubt man auf der Insel wieder an ein Ende der fast 50-jährigen Leidenszeit. Denn so lange liegt es zurück, dass Geoff Hurst mit seinem Wembley-Tor England den WM-Titel bescherte. Bis heute wartet man im Mutterland des Fußballs sehnsüchtig auf einen weiteren Triumph der Three Lions.

Der überraschende Sieg gegen den amtierenden Weltmeister sorgte für eine gehörige Prise Euphorie: "England hat seinen Stolz zurück", schrieb der "Daily Mirror" damals, und auch der "Guardian" war vom Auftritt im Olympiastadion fasziniert: "Wenn England zu solchen Leistungen in der Lage ist, ist es schwer, nicht eine plötzliche Welle des Optimismus für die EM zu spüren."

Nach dem Durchmarsch in der Qualifikation hatte dasselbe Blatt noch geunkt: "Wir wissen doch, wie's laufen wird: England ist zunächst erfolgreich, aber dann wird es kommen wie immer - gegen den ersten guten Gegner fliegen sie raus!" Die zehn Siege in zehn Spielen überzeugten auch den "Mirror" nicht. In der "Group of dearth" (Ausschussgruppe) mit der Schweiz, Slowenien, Estland, Litauen und San Marino sei es schließlich nur gegen "Eskimos, Teletubbies, Wombles, Tweenies und Hosenscheißer" gegangen.

"England stark verbessert"

Doch dann kam jener 26. März, als Leicesters Jamie Vardy im Verbund mit Tottenhams Harry Kane und Dele Alli eine ganze Fußball-Nation verzückten. "Wir haben gezeigt, dass wir jeden schlagen können", sagte Kane danach. Das wollen die Engländer nun auch bei der Euro in Frankreich beweisen.

Bundestrainer Joachim Löw nannte England im Interview als einen der Mitfavoriten - wohl gemerkt bereits vor der Pleite von Berlin. "England hat sich in den letzten zwei, drei Jahren stark verbessert, sie haben einen klaren Wandel vollzogen", sagte Löw und sah "Parallelen zu uns im Jahr 2010: Sie haben ihre Mannschaft verjüngt, spielen aus einer sehr guten Defensive, haben Spieler, die schnell im Konter sind".

Selbst Kapitän Wayne Rooney, im Angriff jahrelang Alleinunterhalter, kann sich seines Stammplatzes in der Mannschaft angesichts der großen Zahl junger Wilder nicht mehr sicher sein. Teammanager Roy Hodgson, seit 2012 im Amt, sieht Rooney "enorm unter Druck". Dennoch hegt Englands Rekordtorschütze keine Zweifel, dass er seinen Platz im Team hat: "Ich bin mir sicher, dass Roy Hodgson seine Ideen hat, wo er mich einsetzen will." Die Bank schwebt ihm dabei sicherlich nicht vor.

Buch bereits fertig

Die frisch entfachte Euphorie macht dem 68-jährigen Übungsleiter indes "Sorgen", wie er betonte. "Lasst die Spieler die Bodenhaftung nicht verlieren, lasst sie demütig und hungrig auf weitere Erfolge bleiben. Wir haben noch viel Arbeit zu erledigen", sagte er.In der EM-Vorrundengruppe B wird es gegen Russland, die "Brüder" aus Wales und die Slowakei aber wohl so oder so fürs Achtelfinale reichen. Zumindest die Schmach von 2014, als Hodgsons Team bei der WM in der ersten Runde scheiterte, wäre dann getilgt.

Und sollte man wider Erwarten doch früh ausscheiden? In England stehen die Zweifler schon in den Startlöchern. Das Buch zum abermaligem Aus spätestens in der K.O.-Phase liegt druckreif vor: "England - fifty years of hurt" heißt es. Der "Fan" Billy Stevens berichtet darin von einem "Leben voller Enttäuschungen" seit dem WM-Sieg 1966 - er bezieht 2016, also die EM in Frankreich, einfach schon mit ein.

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten