20.07.2016 16:27 Uhr

Independiente: "Höre niemals zu träumen auf"

Jubellauf ins Glück - Independiente del Valle will den Titel
Jubellauf ins Glück - Independiente del Valle will den Titel

Ein Stadion mit 7.233 Plätzen in einem kleinen Vorort von Quito. Fans, die ihre Mannschaft vor acht Jahren noch in der dritten Liga angefeuert haben und nun das: Independiente del Valle steht im Finale der Copa Libertadores.

Über einen rasanten, aber nicht allzu überraschenden Aufstieg der Sensationsmannschaft aus Ecuador.

Von Sangolquí in die Welt

Sangolquí, circa zehn Kilometer von der Hauptstadt Quito gelegen, ist menschenleer. Der kleine Vorort, die "schlafende Stadt", ist das Zuhause vieler Pendler, die in der benachbarten Millionenstadt ihrer Arbeit nachgehen. Zu den größten Sehenswürdigkeiten der Stadt zählen die Denkmäler für den Mais und für den Kolibri - kein Ort also, der besonders heraussticht.

Seit 2010 ist etwas mehr Leben nach Sangolquí gekommen. Seither spielt der hiesige Verein Independiente del Valle nämlich in der ersten Liga. 2014 repräsentierte "Negriazul" ihr Land erstmals international bei der Copa Sudamericana. Ein Jahr später durfte man in der ersten Runde der Copa Libertadores gegen Estudiantes aus Argentinien spielen - und ausscheiden. Trotzdem, die Entwicklungen des Vereins hätten nicht schneller ablaufen können.

Nun stehen die Schwarz-Blauen überraschend im Finale der Copa Libertadores und rechnen sich ernsthafte Chancen im Hinspiel-Duell mit dem kolumbianischen Vertreter Atlético Nacional aus. Wie ist dieser rasante Aufstieg zu erklären?

Persönlichkeit, Kontinuität und Solidarität

Independiente del Valle ist für viele Experten des südamerikanischen Kontinents ein Paradebeispiel für den Erfolg langfristigen Denkens im Fußballgeschäft. Joselo Sánchez, Sportjournalist des ecuadorianischen Fernsehens, erklärte der spanischen Sportzeitung "Marca" jüngst das Erfolgsrezept: "Es ist eine Mannschaft mit Persönlichkeit. Sie haben gute, seriöse, verantwortungsvolle Manager, die sich vor das Team stellen und einen guten Trainer." Pablo Repetto aus Uruguay arbeitet schließlich bereits seit 2012 in Sangolquí.

Ferner ist Repetto verantwortlich für die gute und kontinuierliche Entwicklung der jungen Spieler: "Viele kommen aus der eigenen Jugend, sind bescheiden und bringen Erfolgshunger mit. Sie sehen den Fußball als ideales Mittel, ihre soziale und wirtschaftliche Stellung zu verbessern", so der TV-Experte. Talente eben, die vor den großen Namen keine Angst haben. Die Pumas aus Mexiko, River Plate und zuletzt die Boca Juniors aus Argentinien wurden allesamt aus dem Turnier geworfen.

Es hat lange gedauert, bis der heimische Fußball auf den Liga-Neuling wirklich aufmerksam wurde. Als dem Land im April ein schweres Erdbeben widerfuhr, zeigte sich der Verein spontan solidarisch und erließ den Eintrittspreis für das Achtelfinale gegen River Plate.

Das Estadio Atahualpa in Quito, in dem die internationalen Spiele ausgetragen werden, war darauf bis auf den letzten Platz gefüllt. Für die Heimspiele im Viertel- und Halbfinale verzichtete der Verein erneut auf den Eintritt - Independiente del Valle ist seitdem der beliebteste Verein des Landes. Die Euphorie ist nun überall zu spüren. Selbst auf dem Rollfeld in Quito, als nach der Landung der Copa-Finalisten die Spieler sogar mit einem Wasser-Bogen der Feuerwehr begrüßt wurden.

Nachdem der Verein am Montag die Finaltickets zum Verkauf anbot, gab es schließlich kein Halten mehr. Über 400 Fans reisten bereits am Abend zuvor an und übernachteten auf der Straße. Vor den Kassenhäuschen bildeten sich Menschenschlangen, die sich über hunderte Meter erstreckten. Polizisten mussten unzählige Streitfälle klären und befanden sich im Dauereinsatz. Alles nur, um eine der begehrten Eintrittskarten zu ergattern.

Der Weg zum großen Coup

Schlüsselmomente aus sportlicher Sicht gab es in dieser Saison genügend für den Außenseiter. Man nehme das Rückspiel in der ersten Runde der Copa Libertadores gegen Guaraní aus Paraguay, als der gegnerische Stürmer Rodrigo López in der letzten Minute einen Elfmeter verschoss und somit IDV in die Gruppenphase hievte.

Oder man nehme das letzte Gruppenspiel beim chilenischen Top-Verein Colo-Colo, mit das Achtelfinalticket gelöst werden konnte. "Mit dem Unentschieden in diesem großen Stadion, gegen diese große Mannschaft haben wir viel Selbstvertrauen bekommen. Wir haben auf Augenhöhe gespielt und gezeigt, was wir können", meinte selbst Trainer Repetto rückblickend gegenüber "ESPN".

Sein Gegenüber in den beiden Finalspielen, Reinaldo Rueda von Atlético Nacional, ist über die Leistung der Ecuadorianer hingegen nicht überrascht: "Es ist der Ertrag vieler Jahre harter Arbeit eines sportlichen und sozialen Projekts", erklärte der Trainer gegenüber dem kolumbianischen Radiosender "La Deportiva". Mit ihrer offensiven Spielweise, das auf einem soliden 4-4-1-1-System gestützt ist, haben sich die Schwarz-Blauen den Respekt längst erspielt. "Die Mannschaft stellt sich nicht hinten rein. Sie gibt nie auf und spielt gut über die Außen", erkannte auch Polo Carrera, ehemaliger Nationaltrainer des Landes am Äquator.

Independiente del Valle kann im Final-Hinspiel der Copa-Libertadores dem großen Traum nun ein Stück näher kommen. Für Carrera steht schon jetzt fest: "Das Team kann nur gewinnen - so oder so. Es hat schon jetzt den Applaus des ecuadorianischen und lateinamerikanischen Fußballs gewonnen". Das Vereins-Credo lautet übrigens passenderweise: "Höre niemals zu träumen auf".

Independiente del Valle vs. Atlético Nacional (am Donnerstag ab 02:45 Uhr im weltfussball-Liveticker)

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