22.07.2016 14:55 Uhr

Nach dem EM-Aus folgt der Weitblick

Muss man sich ob des rot-weiß-roten Fußballs an den Kopf greifen? Rapid-Trainer Mike Büskens ist nicht dieser Meinung
Muss man sich ob des rot-weiß-roten Fußballs an den Kopf greifen? Rapid-Trainer Mike Büskens ist nicht dieser Meinung

In Österreich waren nach der starken EM-Qualifikation die Erwartungen groß. Selbst vom Titel in Frankreich wurde von den Fans geträumt. Doch das neue "Wunderteam" mutierte bei der Europameisterschaft durch das schnelle Ausscheiden zum Flop.

Vor dem Bundesliga-Saisonstart 2016/17 fragte weltfussball bei den heimischen Akteuren nach, welche positiven Aspekte es in der rot-weiß-roten Kicker-Szene gibt.

Liga-Boss Hans Rinner will die durchschnittliche Besucherzahl wieder anheben. Dazu braucht es jedoch moderne Stadien. Hier ist der Bundesliga-Präsident überaus optimistisch, denn die Infrastruktur wächst: "Ich darf berichten, dass wir in Bezug auf Infrastruktur in den vergangenen vier Jahren ein Gesamtinvestment von 150 Millionen Euro umgesetzt oder in Umsetzung haben. Da können wir wirklich sehr stolz sein."

Das Abschneiden des ÖFB-Teams sieht der Schirmherr jedoch nicht gerade als förderlich für die Neuerungen: "Wenn wir bei der EM sportlich besser abgeschnitten hätten, hätten wir mehr Euphorie mitnehmen können."

Infrastruktur in den heimischen Stadien wurde stark verbessert 

Jeder Bundesligist hat eine Rasenheizung, die neuen Arenen, das neue Corporate Design und die viel diskutierte Ligareform sollen ein positives Bild auf Fußball-Österreich bieten. Selbst die Nationalmannschaft gilt weiterhin als nur schwer zu besiegen. Wird also der heimische Fußballsport einfach nur schlecht geredet?

Für viele Bundesliga-Trainer eine Tatsache. So sagt der neue Ried-Trainer Christian Benbennek: "Bei der EM kam die Euphorie von den Medien, der Druck war zu groß, man sah sich bereits als Europameister obwohl man neu beim Turnier war. Und nach dem Ausscheiden war alles schlecht. Der österreichische Fußball ist klar besser als man ihn darstellt."

Auch Oliver Lederer, der mit Admira Wacker bereits im Europacup erfolgreich aufzeigte, sieht viele positive Entwicklungen: "Das Nationalteam hat sich aus eigener Kraft für die EM qualifiziert. Das war schon eine starke Leistung. Im Nachhinein wird oft gerne alles schlecht geredet, aber der österreichische Fußball ist gar nicht so schlecht, wie er dargestellt wird."

Auf Vereinsebene ist Lederer ebenfalls von den neuen Entwicklungen angetan: "Hier gibt es bewegte Zeiten. Der Komfort in den Stadien wächst und es gibt auch mehr Einnahmen. Der aktuelle Weg des österreichischen Fußballs ist meiner Meinung nach sehr gut."

Jugendarbeit, Zeit und Geduld als wichtige Tugenden

Die Jugendarbeit bei den heimischen Vereinen sehen vor allem die Bundesliga-Spieler als besonders positive Entwicklung an. Philipp Netzer, Kapitän des SCR Altach, betont, dass hier die Basis für alle weiteren (positiven) Entwicklungen beheimatet ist. "Ich glaube, das Team hat eine Euphorie entfacht. Die Jugendarbeit ist meiner Meinung nach ein weiterer positiver Aspekt. Zuletzt gab es sehr erfolgreiche Jahre in unseren Jugendabteilungen und da ist die Jugendarbeit bei den Vereinen die wichtige Basis dafür. Ich glaube das Ziel sollte dabei sein, dass Österreich mehr Legionäre in den Topligen Europas hat."

SKN-Trainer Karl Daxbacher ist der gleichen Meinung: "Man darf die Entwicklung der Nachwuchsarbeit nicht vergessen. Auch das Nationalteam, beide haben einen großen Schritt nach vorne gemacht. Im Gesamten hat es schon eine positive Entwicklung gegeben."

Etwas nachdenklich zeigt sich Daxbacher jedoch bezüglich der Ligareform: "Ich habe die Zehnerliga nicht so schlecht gefunden. Um ehrlich zu sein zweifle ich schon ein bisschen. Speziell die zweite Liga könnte sehr problematisch werden. Mit einem Halbprofitum wird die Trainingshäufigkeit und damit gleichzeitig das Niveau sinken."

Neue Heimstätte für Rapid, auch die Austria baut: Es tut sich was

Während man überwiegend positive Worte für den rot-weiß-roten Fußball findet, mahnen manche Bundesliga-Trainer auch zur Besonnenheit. Ivica Vastic plädiert sogar für mehr Rücksicht, denn er ist der Meinung, dass heutzutage mutige Schritte gesetzt werden: "Man muss abwarten. Der Fußball könnte noch interessanter werden. Ich hoffe, dass jede Veränderung etwas Positives mitbringt. Wir müssen nach einige Zeit einfach ein Resümee ziehen."

Ähnlich sieht es WAC-Trainer Heimo Pfeifenberger. Für ihn bleibt das Nationalteam weiter interessant und vor allem die Entwicklungen im Vereinsfußball gefallen dem ehemaligen Stürmer: "Rapid hat ein neues Stadion, die Austria bekommt noch eines. Es tut sich schon etwas. Wir sehen den Fußball viel schlechter, als er in Wirklichkeit ist."

Die Ligareform beäugt Pfeifenberger jedoch etwas kritisch, wagt aber kein hartes Statement: "Ich war immer für 16 Vereine oben und 16 in der zweithöchsten Spielklasse. Ich glaube nach wie vor, dass dies möglich ist. Aber vielleicht ist der Schritt ja auch super, man wird sehen. Wichtig ist, dass man jedenfalls einmal etwas ausprobiert." Nachsatz von Pfeifenberger: "Es passiert halt alles ein bisschen schleppend."

Großklubs sehen positive Entwicklung

Sturm-Trainer Franco Foda betont, dass die Infrastruktur sich immer besser entwickelt. "Die heimischen Vereine profitieren davon. Das Niveau ist auch besser geworden." Der Deutsche ist sich auch sicher, dass in Österreich der Fußball leider sehr schnell negativ kritisiert wird.

Oscar Garcia, Coach von Meister Salzburg, lobt ebenfalls die sportliche Entwicklung: "Die Meisterschaft ist immer ausgeglichener. Einen Zweikampf nur mit Rapid wird es nicht geben. Jedes Team ist in dieser Saison sportlich stärker geworden. Für uns wird das nicht leichter, im Gegenteil."

In Wien sind sich die beiden deutschen Trainer der Großklubs - unabhängig voneinander befragt – einig: Es muss in Ruhe weitergearbeitet werden. Besonders Austria-Trainer Thorsten Fink betont: "Wichtig ist, dass man sich konzentriert weiterentwickelt und mit einem Ziel arbeitet. Das gilt vor allem für den Vereinsfußball. Wichtig ist alles mit Maß und Ziel zu betreiben."

Neo-Rapid-Coach Büskens: "Konstruktiv kritisieren"

Dabei spricht der Austria-Trainer seinem "Rivalen" Mike Büskens aus der Seele: "Ich verstehe nicht, warum man alles schlecht redet. Die Nationalmannschaft hat sich für die EM qualifiziert und in der Liga passiert auch einiges. Rapid hat ein tolles Stadion und andere Vereine ziehen da nach."

Büskens plädiert für mehr Weitsicht und kontinuierliche Arbeit: "Da muss man aber immer am Boden bleiben und konstruktiv kritisieren bzw. analysieren. Es hilft nichts wenn man über seinen Verhältnissen lebt, nicht umsonst haben beispielsweise in Deutschlands zweithöchster Spielklasse viele sogenannte No-Name-Vereine längerfristig gesehen mehr erreicht, als so mancher arrivierter Großklub."

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Christian Schreiber, Johannes Sturm

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