15.09.2016 15:25 Uhr

5,6,7: Scheibenschießen der Selbstbetrüger

7:0 - So deutlich sind die Unterschiede im europäischen Spitzenfußball
7:0 - So deutlich sind die Unterschiede im europäischen Spitzenfußball

5:0, 6:0, 7:0! Schon der Auftakt zur Saison 2016/17 in der Champions League zeigte mit diesen Ergebnissen beinhart, wie sehr die Schere im europäischen Spitzenfußball inzwischen aufgegangen ist. Und es ist kein Ende in Sicht. Ein Kommentar.

Mo-Do stürmte 1994 mit "Eins, zwei, Polizei" und einem Text, der nicht gerade schwer einprägsam war, die Hitparaden. "Sieben, acht, gute Nacht!" - das Ende des Aufzählreims galt damals sinnbildlich auch für den von der UEFA zu Grabe getragenen Europacup der Landesmeister. In der Saison 1992/93 beim Debüt der "Königsklasse" war zumindest vorerst aber noch fast alles beim Alten.

Am Start waren nur die Meister der UEFA-Mitgliedsverbände. Es wurden zunächst zwei Runden mit Hin- und Rückspiel im klassischen Europacup-Modus gespielt. K.o.-Duelle, die schon zum Auftakt das Aufeinandertreffen der Titelträger aus England (Leeds United) und Deutschland (VfB Stuttgart) gebracht hatte. So blieb schon zum Start der Vertreter aus der mächtigen deutschen Bundesliga auf der Strecke. Sein englischer Bezwinger folgte eine Runde später nachdem die Rangers als schottischer Meister die "Battle of Britain" gewonnen hatten.

Weil auch der FC Barcelona an CSKA Moskva scheiterte, waren in der Gruppenphase (damals mit nur acht Mannschaften) somit die großen Verbände aus Spanien, England und Deutschland allesamt nur Zuschauer. Die Wiener Austria hatte indes als Österreichs Meister gegen Club Brugge nur ganz knapp den Einzug in die Millionen versprechende Eliteliga verpasst.
>> Die Champions League 1992/93 im Überblick

Das sportliche Scheitern wird ausgeschaltet

Das sportliche Fiasko der Top-Nationen sollte aber Folgen haben. Schon in der Saison 1994/95 wurde die Gruppenphase der UEFA Champions League auf 16 Vereine aufgestockt (erstmals war mit dem SV Austria Salzburg auch eine österreichische Mannschaft qualifiziert) und die Meister einiger "kleiner" Länder in den damaligen UEFA-Cup (inzwischen zur Europa League mutiert) verbannt.

Bereits in der Spielzeit 1997/98 kam es zur nächsten Reform und - natürlich - zu einer erneuten Bevorzugung der "big player": So durften erstmals in der Geschichte des Wettbewerbs die Verbände auf den Plätzen eins bis acht der UEFA-Fünfjahreswertung neben den Titelträgern auch noch ihre Vizemeister an den Start schicken. Der Name "Champions" war dadurch ad absurdum geführt.

Die "Großen" kamen auf den Geschmack. Die immer mehr ansteigenden Einnahmen aus dem wichtigsten Europacup-Bewerb wurden ein wichtiger Faktor für die Budgets der Vereine. Da wollte man nicht als Zweiter, Dritter oder Vierter nach einer schlechten Vorsaison darauf verzichten. Eine Entwicklung, die nun mit der erneuten Reform der europäischen "Königsklasse" ihren Höhepunkt erreicht: Spanien, Deutschland, England und Italien bekommen je vier fixe Startplätze in der Champions League garantiert.

Damit stehen 16 von 32 Teilnehmern fest. Wie schwierig damit eine Qualifikation für die Meister der kleineren Länder wird, kümmert in der Primera División oder der Premier League niemand.

13 Watschen für zwei unerwünschte Meister

Wenn es dann die Champions aus Schottland oder Polen doch in den Kreis des erlauchten Geldadels schaffen, dann bekommen sie dafür die sportliche Rechnung präsentiert. Celtic wurde am Dienstagabend vom FC Barcelona im Camp Nou mit 7:0 verprügelt und Legia musste sogar in Warschau von Borussia Dortmund ein 0:6-Debakel wegstecken. 13 Watschen für zwei unerwünschte Meister.

Eine Entwicklung, die längst nicht abgeschlossen ist. Die Verteilung der Einnahmen wird im Sinne historisch erfolgreicher Vereine wie Real Madrid oder Bayern München geändert.

"Unfassbar! Gesellschaftspolitisch wird immer von Umverteilung geredet, damit die Reichen nicht noch reicher und die Armen nicht noch ärmer werden. Doch mit dieser Reform nimmt man den Armen noch mehr Geld weg. Dafür werden die großen Vereine gestärkt und bekommen noch mehr Geld, das ist Kapitalismus pur", fasste Christian Ebenbauer als Vorstand der österreichischen Bundesliga seinen Zorn in Worte.

"Survival of the richest"

Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, der auch die Geschicke der einflussreichen European Club Association leitet, meinte hingegen: "Die Reform der Champions League wurde mit der UEFA diskutiert. Es ist eine finale Entscheidung der UEFA. Es ist eine Evolution, die dafür sorgt, dass der europäische Vereinsfußball weiter geschlossen zusammensteht."

Gnadenhalber seien damit vorest Pläne für eine europäische Superliga oder gar eine Weltliga vom Tisch. "Wen hätte die Champions League noch interessiert, wenn dort Mannschaften wie Real, Barcelona, Manchester United, PSG oder der FC Bayern gefehlt hätten?", so der Bayern-Chef.

Nun ja, Herr Rummenigge: Manchester United fehlt schon diese Saison, weil der englische Rekordmeister in der vergangenen Saison in der Liga einfach zu schwach war. Selbst die Fans in München zeigten beim 5:0-Schützenfest der Bayern gegen den FK Rostov auf einem Transparent ihre Meinung zur aktuellen Entwicklung: "ECA's Evolution: Survival of the richest".

Man kann es mit einem Blick auf die Anzeigetafel und dem 7:0-Scheibenschießen von Barcelona gegen Celtic auch mit den Worten von Mo-Do sagen: "Sieben, acht, gute Nacht!"

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Christian Tragschitz

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