29.09.2016 16:14 Uhr

Vor 45 Jahren: Die Feuerhölle von Eindhoven

Wiedersehen nach 35 Jahren: Klaus Urbanczyk (l.) und Guus Hiddink (r.)
Wiedersehen nach 35 Jahren: Klaus Urbanczyk (l.) und Guus Hiddink (r.)

Es sollte ein großer Tag für den Halleschen FC Chemie werden, endete aber in einer Katastrophe. Anstatt mit dem PSV Eindhoven um den Einzug in die nächste Runde des UEFA-Pokals, kämpften die Spieler aus Halle um ihr Leben.

Die Fußballer von Chemie Halle waren die Überraschung der Saison 1970/1971 in der DDR-Oberliga. Die graue Maus der späten 1960er Jahre, die viele Saisons ausschließlich gegen den Abstieg zu kämpfen hatte, belegte mit einem der jüngsten Kader der Liga einen erstaunlichen dritten Platz und qualifizierte sich damit zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte für einen europäischen Wettbewerb.

In der ersten Runde des UEFA-Cups wartete das Spitzenteam PSV Eindhoven – u.a. mit Guus Hiddink im Kader. Im Hinspiel im heimischen Kurt-Wabbel-Stadion holte die unerfahrene Mannschaft von Trainer Walter Schmidt vor 35.000 Zuschauern ein achtbares 0:0. Für das Rückspiel zwei Wochen darauf, am 29. September 1971, rechneten sich die Hallenser einiges aus. Die Mannschaft des HFC hatte am Tag vor dem Duell im Eindhovener Hotel "TsilvereZeepard" (Silbernes Seepferdchen) eingecheckt. Morgens um fünf Uhr weckten Hilfeschreie und das Knallen zerberstender Scheiben die Spieler. Im Erdgeschoss des Hotels war eine Gasleitung geplatzt - innerhalb weniger Minuten standen die unteren Etagen in Flammen.

Lebensgefährlicher Sprung in die Tiefe

Jahre später erinnert sich Klaus Urbanczyk, damals mit 31 Jahren der Senior der Mannschaft, an die dramatischen Versuche aus der Feuerhölle zu flüchten: "Da haben wir einen Fehler gemacht: Wir sind mit dem Fahrstuhl nach unten gefahren. Als wir die Tür aufmachten, schlugen uns die Flammen entgegen, Balken flogen von der Decke." So fuhr er gemeinsam mit seinen Teamkollegen Roland Nowotny, Erhard Mosert und Helmut Brade wieder nach oben. Alarmiert durch Hilferufe rettete das Quartett mehrere Gäste aus ihren Zimmern, bevor sie sich mit einem riskanten Sprung acht Meter in die Tiefe in Sicherheit bringen konnten.

Urbanczyk hatte sich beim Rettungssprung lebensgefährliche Schnittverletzungen zugezogen und drohte zu verbluten. Bevor er das Bewusstsein verlor, rief der Verteidiger mehrfach "Null, Rhesusfaktor positiv". Einer der anwesenden Ärzte hörte diesen Hinweis, was dem 34-fachen Nationalspieler vermutlich das Leben rettete. Weniger Glück hatte HFC-Nachwuchsspieler Wolfgang Hoffmann. Der 21-Jährige erstickte, weil er noch einmal in das brennende Hotel zurückkehrte, um persönliche Sachen zu holen. Insgesamt starben elf Menschen in der Flammennacht im "Silbernen Seepferdchen".

Eindhoven kampflos weiter

An eine Austragung des Europapokalspiels am Abend war angesichts der Ereignisse der Nacht nicht zu denken. Der Hallesche FC zog seine Mannschaft aus dem Wettbewerb zurück, Eindhoven erreichte kampflos die nächste Runde. Die mutigen Rettungsaktionen mehrerer Hallenser Spieler sind in Eindhoven bis heute nicht vergessen. Einige halten bis heute Kontakt zu den niederländischen Überlebenden des Unglücks.

35 Jahre nach dem ausgefallenen Duell gastierte der PSV Eindhoven noch einmal beim damaligen Viertligisten in Halle, um symbolisch das Rückspiel von damals nachzuholen. Startrainer Guus Hiddink überreichte Urbanczyk, dessen von Narben übersäte Arme bis heute an das Inferno erinnern, wie allen anderen HFC-Spielern von damals ein PSV-Trikot mit seinem Namen. Nur noch ein einziges Mal konnte sich der Hallesche FC nach der Brandkatastrophe von Eindhoven für einen europäischen Wettbewerb qualifizieren. In der Saison 1991/1992 scheiterte der HFC im Uefa-Pokal in der ersten Runde an Torpedo Moskau.

Ralf Amshove

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