20.10.2016 16:20 Uhr

Wimbledons Crazy Gang darf nach Hause

Wimbledon fühlte sich auf der Plough Lane immer wie zu Hause
Wimbledon fühlte sich auf der Plough Lane immer wie zu Hause

Die Nachfahren der legendären Crazy Gang von Wimbledon haben das verhasste Milton Keynes nicht nur sportlich überholt, sondern dürfen künftig wieder daheim an der Plough Lane ihr Unwesen treiben.

"Die beste Art Wimbledon anzuschauen, ist im Teletext", wusste Gary Lineker. Die "Crazy Gang" der späten 80er- und frühen 90er-Jahre mit Leithammeln wie Vinnie "Die Axt" Jones oder Dennis "Die Ratte" Wise mied man besser, in jeglicher Hinsicht.

Wer gar Gang-Mitglied werden wollte, musste einiges über sich ergehen lassen. Wenn es gerade Schnee gab, wurde man nackt über den Trainingsplatz gezerrt. Ansonsten wurde man meist auf ein Autodach gebunden und auf der nahe gelegenen A3 hin- und herkutschiert. "So haben wir den Neuen gleich das Rückgrat gebrochen, oder sie zu Männern gemacht", verteidigte Jones sein Lieblings-Aufnahmeritual.

Ein Spieler wurde etwas später auch noch in der Kabine von allen zusammengeschlagen. Seinen Namen verrieten sie nicht. Dafür propagierten sie regelrecht, warum: Er habe die Autorität von Stürmer John Fashanu untergraben wollen. Fashanu bestätigte stolz: "Er kann mich scheinbar nur respektieren, wenn er sich vor mir fürchtet."

Strafen für die Crazy Gang gab's auch. Der libanesische Vereinsboss Sam Hammam ließ in die meisten Verträge seiner Spieler eine Klausel reinschreiben, dass sie sich nach Niederlagen mit vier oder mehr Toren Differenz gemeinsam eine Oper in voller Länge anzusehen haben. Diese Androhung saß!

Triumph in Wembley statt Phantom der Oper

In der Saison 1987/88 mussten Jones und Co. keine einzige Opernvorstellung über sich ergehen lassen. Das Starensemble von Liverpool mit Kickern wie John Barnes, Peter Beardsley oder John Aldridge wähnte sich im FA-Cup-Finale gegen die kickenden Rüpel im falschen Film. Drei Wochen nachdem die Reds den Meistertitel vorzeitig eingefahren hatten, unterlagen sie der Crazy Gang in Wembley vor 98.203 Augenzeugen dank eines Treffers von Lawrie Sanchez mit 0:1. Nur die Europacup-Sperre für englische Mannschaften nach der Heysel-Tragödie verhinderte das internationale Debüt.

Für viele war diese Sensation aber der Anfang vom Ende der Crazy Gang, da manche ihrer Mitglieder plötzlich glaubten tatsächlich kicken zu können und ihre ureigenen "Tugenden" zusehends vernachlässigten. Selbst in dieser so erfolgreichen Saison waren nur etwas mehr als 8.000 Besucher zu den Heimspielen an die Plough Lane gekommen, was einerseits mit dem Spielstil zu tun hatte, andererseits mit dem nicht gerade dicht besiedelten, wenig fußballaffinen Stadtteil, bzw. der übermächtigen Konkurrenz in London.
>> Zuschauerzahlen Premier League in der Saison 1987/88

Die Verpflanzung

Hammam war das allgemeine Desinteresse - das eine derartige Spielweise und in weiterer Folge den Einzug der "Crazy Gang" eigentlich erst ermöglichte hatte - schon lange ein Dorn im Auge. Er wollte den Verein nach Dublin oder Cardiff verlegen, scheiterte mit seinen Plänen aber rigoros. 1991 zogen die Dons zu den benachbarten Eagles in den Selhurst Park. Dort sahen durchschnittlich 17.600 Fans bei Crystal Palace zu aber nur mehr 7.000 Anhänger "Long Ball"-Wimbledon.
>> Zuschauerzahlen Premier League in derr Saison 1991/92

1997 verkaufte Hammam die Dons an die Norweger Kjel Inge Røkke und Egil Olsen. Durch sie verloren die Wimbledon-Fans 2002 endgültig ihren Verein. Ganz nach amerikanischen Vorbild wurde man in die in den 60er-Jahren am Reißbrett entworfene Stadt Milton Keynes verpflanzt, 100 Kilometer nördlich ihrer Wurzeln. Wenig später hieß der Verein auch schon Milton Keynes Dons.

Von Teddybären aus Höhlen überflügelt

Mittlerweile hat der von Anhängern 2002 gegründete Nachfolgeverein Wimbledon AFC die "falschen Dons" sportlich bereits überflügelt und liegt in der League One vor ihnen.
>> "Meilenstein": AFC Wimbledon vor den Dons

Im Schnitt kommen 4.500 Besucher zu den Drittliga-Heimspielen ins Kingsmeadow Stadium in Kingston. "Wombles" hat "Dons" als beliebtesten Spitzname beim AFC abgelöst - bei den Wombles handelt es sich um teddybärähnliche Höhlenbewohner des Stadteils Wimbledon, die Basis für fünf Kinderbücher zwischen 1968 und 1976 lieferten.

Das Märchen wird endgültig perfekt

Das Fußball(fan)märchen des Wimbledon (A)FC wird auch bald perfekt, denn eine Rückkehr an die Plough Lane in Merton hat vor kurzem die letzte bürokratische Hürde passiert.

Es gibt grünes Licht seitens der Stadt für ein neues Stadion. Präsident Erik Samuelson möchte eines mit 20.000 Plätzen und verkündete auf der Vereins-Homepage: "Nach so vielen Jahren im Exil, werden die Dons wieder nach Hause kommen." Die "Crazy Gang" wird es in der Form zwar nie wieder geben, an der Plough Lane werden die "Wombles" ihren Spirit aber sicher aufsaugen.

Mehr dazu:
>> Ergebnisse und Tabelle League One

Thomas Schöpf

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