14.02.2017 10:54 Uhr

Doll exklusiv: "Auf Fußball konzentrieren"

Ex-Bundesliga-Coach Thomas Doll trainiert seit Jahren erfolgreich in Ungarn
Ex-Bundesliga-Coach Thomas Doll trainiert seit Jahren erfolgreich in Ungarn

Thomas Doll hat in der Bundesliga den HSV und den BVB trainiert. Mittlerweile hat der 50-Jährige in Ungarn sein Glück gefunden und feiert mit Ferencváros Erfolge.

Im Gespräch mit weltfussball vergleicht der Trainer die Arbeit in Ungarn mit der in Deutschlands höchster Spielklasse, verrät, warum er gern auf deutsche Spieler setzt und äußert sich auch zur Flüchtlingssituation in Ungarn.

Herr Doll, Sie sind nun schon drei Jahre Trainer in Budapest, sind Meister geworden und zweifacher Pokalsieger. Hätten Sie sich das bei Ihrer Unterschrift so erträumt?

Thomas Doll: Das konnte man im Vorfeld gar nicht denken, dass es so lange gehen wird. Umso schöner ist es ja, dass es eine so schöne Geschichte geworden ist. Ich fühle mich sehr wohl hier.

Welche Unterschiede gibt es, wenn man die Arbeit in der Bundesliga mit der in Ungarn vergleicht?

Ich glaube, die Art, wie wir trainieren und die Abläufe auf den Trainingsplätzen sind genau gleich. Was das ganze Drumherum anbelangt, also die Medienarbeit und die ganze Berichterstattung, ist es allerdings ein riesengroßer Unterschied. Da ist man in der Bundesliga viel mehr gefordert. Jeden Tag steht man vor der Presse. Und nicht nur vor einer Zeitung. In Hamburg zum Beispiel hat man ganz viele Zeitungen, nicht nur Sportzeitungen, denen man Rechenschaft ablegen muss. Ich glaube, das ist der größte Unterschied.

Dann ist es so, dass bei uns nie beim Training zugeschaut wird. Wir haben ein Trainingsgelände mit einer Schranke davor. Der ein oder andere Rentner ist mal da, aber es ist nicht so wie in der Bundesliga, wo die Massen hinströmen, um sich Fotos und Autogramme zu holen. Hier ist es reservierter. Auch wenn Ferencváros der beste und größte Klub in Ungarn ist.

Vermissen Sie den Wirbel gar nicht?

Nein. Ich finde das sehr sehr angenehm. Das ist ein bisschen wie in England, wo man auch fast immer hinter verschlossenen Türen trainiert. Ich glaube einmal in der Woche ist dann Pressekonferenz, ansonsten ist es ziemlich ruhig.

In Deutschland kam es da viel mehr auf einen Trainer an. Da muss man jeden Tag Rede und Antwort stehen, warum Spieler X nicht beim Training war oder Spieler Y Adduktorenprobleme hat. Das ist eine ganz andere Ausrichtung. Ich finde es ganz angenehm, dass man nicht tagtäglich ran muss. Da kann man sich viel mehr auf den Fußball konzentrieren und sich wirklich nur damit beschäftigen.

Sie haben eine hervorragende Punkteausbeute von über zwei Punkten im Schnitt pro Spiel. Was können Sie überhaupt noch verbessern?

Da gibt es viel. Wir müssen zum Beispiel viele Spieler abgeben. Auch im Sommer hatten wir wieder einen Aderlass. Der Verein lebt davon. Dadurch haben wir in den letzten zweieinhalb Jahren allerdings auch ein paar gute Einnahmen gehabt, haben Spieler weiterentwickelt, die in größeren Ligen spielen. Das ist auch toll.

Und für uns ist es wichtig, die richtigen Leute zu holen. Das ist auch nicht so einfach, weil uns nicht so viel Geld zur Verfügung steht. Auch charakterlich muss es stimmen, die Jungs müssen Lust haben auf Budapest, auf den Verein, auf unseren Fußball.

Und sportlich: Augenblicklich sind wir ja Vierter, deshalb sind wir nicht so zufrieden. Die Hinrunde war sehr durchwachsen. Jetzt haben wir sechs neue Spieler dazu geholt und hoffen natürlich, dass wir nochmal richtig angreifen können. Mit den neuen Spielern wollen wir nun wieder erfolgreicher Fußball spielen. Denn so leicht, wie es letztes Jahr war, ist es dieses Jahr sicherlich nicht.

Sie haben ja auch einige deutsche Bundesliga-Spieler geholt. Warum?

Ich denke, dadurch, dass viele Jungs direkt bei uns vorspielen und wir sie eher kennen, ist es auf diese Weise immer etwas einfacher, als wenn man Leute aus Argentinien oder Uruguay holt, die man nie gesehen hat. Ansonsten muss man häufig vom Video verpflichten.

Außerdem ist es ganz gut, wenn man den ein oder anderen guten Kontakt hat, den Spieler auch mal sehen kann, weil die Wege kurz sind. Dann weiß man auch im direkten Gespräch eher, ob ein Spieler sich vorstellen könnte, hier zu spielen. Denn im ersten Sinne ist natürlich die 1. oder 2. Bundesliga total interessant für die Jungs. Da ist es manchmal gar nicht so einfach, den einen oder anderen nach Ungarn rüberzuholen, weil die Spieler auch ein paar andere Träume haben. Aber für einige Jungs war es richtig gut, einen Umweg zu gehen, um dann nochmal richtig durchzustarten. Hier kann man sich richtig weiterentwickeln.

Ist es denn durch die letzten Erfolge und durch ihren Namen einfacher geworden, Bundesliga-Spieler zu überzeugen?

Uns ist es wichtig, dass die Spieler in den Gesprächen mit uns merken, dass hier eine Kontinuität herrscht und dass wir uns um sie bemühen. Und viele sagen mittlerweile, dass sie unter dem deutschen Trainer-Team mit mir und Ralf Zumdick - und einem tollen ungarischen Co-Trainer – den Schritt wagen wollen. Dann hört man oft heraus, dass sie sich das vorstellen können, dass sie sich weiterentwickeln wollen, dass sie im Vorfeld gute Sachen gehört haben. Und die Aussicht auf Erfolg lockt natürlich auch. Eine Meisterschaft zu gewinnen, einen Pokal zu gewinnen ist das Größte. Egal ob es in Ungarn oder anderswo ist. Und ich finde gerade Spieler gut und mutig, die in Deutschland vielleicht nicht so durchgestartet sind, aber bei uns den Willen zeigen, etwas zu reißen. Oft entwickeln sich dann interessante Geschichten und die Spieler wechseln schließlich nach anderthalb oder zwei Jahren doch noch nach Frankreich oder Italien.

Welche Sprache wird denn im Training gesprochen?

Alle Spieler, auch die ungarischen, sprechen Englisch. Mein Englisch ist mittlerweile auch so gut, dass ich meine Mannschaftssitzungen in dieser Sprache abhalten kann. Das geht einigermaßen mittlerweile (lacht). Am Anfang haben wir das noch übersetzen lassen, denn das Emotionale kommt in Deutsch ja schon noch etwas besser rüber, als wenn ich Englisch spreche.

Haben die Spieler denn schon deutsche Flüche oder Schimpfwörter von Ihnen übernommen?

Ja, das gibt es schon. Wenn die Jungs mal einen Spaß machen, höre ich das auch. Aber meistens sind es ja Fußballbegriffe, die mit Emotionen untermalt rausgehauen werden.

In der Flüchtlingskrise hatte Ungarn eine spezielle Rolle. Wie sehr haben Sie das vor Ort mitbekommen?

Das hat man schon gespürt. Ich bin vor anderthalb Jahren immer beim Training an den Stellen vorbeigefahren und hab von der Brücke aus gesehen, was am Bahnhof abgelaufen ist, wie viele Reihen dort standen. Wir sind ja offen, wir sind nicht weit weg. Ich habe alles verfolgt, was in Österreich und Deutschland abgelaufen ist. Das war eine klare Stellung von ungarischer Seite. Und ich glaube, man muss ja nicht mit allem einverstanden sein und man hat ja selbst auch seine eigene Meinung.  

ZUR PERSON: Thomas Doll ist ehemaliger Profi und war bis 2001 in der Bundesliga aktiv. Nach seiner Karriere als Aktiver trainierte er unter anderem den Hamburger SV und Borussia Dortmund. Seit Ende 2013 ist er bei Ferencváros in Budapest angestellt und gewann mit dem ungarischen Team die Meisterschaft und zwei Mal den Pokal.

Das Gespräch führte Chris Rohdenburg

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