22.02.2017 16:19 Uhr

Khedira: Der unscheinbare Unersetzliche

Sami Khedira ist bei Juventus ein Spieler der Marke unersetzlich
Sami Khedira ist bei Juventus ein Spieler der Marke unersetzlich

Wenn am Mittwoch Juventus Turin im Champions-League Achtelfinale beim FC Porto spielt, steht ein Weltmeister sicher wieder auf dem Rasen: Sami Khedira. Der Ex-Stuttgarter findet sich seit fast zwei Jahren beinahe immer in Juves Startelf. Dennoch fristet er in vielen Augen noch ein Dasein unter ferner liefen. Warum eigentlich?

Champions-League-Finalist 2015, fünfmal in Folge italienischer Meister und auch aktuell wieder mit sieben Punkten Vorsprung das Maß aller Dinge am Stiefel. Dennoch tut sich die Alte Dame international schwer, in den Kreis der absoluten Topklubs vorzustoßen und zu den Favoriten auf den Champions-League-Triumph gezählt zu werden.

Dementsprechend dünn wirkt auch die Berichterstattung in Deutschland. Mit dem Niedergang des italienischen Fußballs hat auch Juves Ansehen Kratzer bekommen. Aufzählungen von den größten Klubs der Welt beinhalten zunächst Barcelona, Real Madrid, Bayern und einige englische Klubs – und irgendwann kommt auch mal Juve.

Vom Kämpfer zum Chef

Es scheint als würde Sami Khedira als Spieler genau das verkörpern, was Juventus als Klub in Europa ist: unterschätzte Spitzenklasse. Obwohl zeitweise Kapitän der DFB-Elf, findet sein Spiel meist außerhalb der ganz großen Schlagzeilen statt. Khedira? Ein solider Kämpfer im Mittelfeld mit Führungsqualitäten. Doch stimmt diese Charakteristik noch?

Wohl kaum. Sami Khedira hat seit seinem Wechsel nach Turin im Sommer 2015 einen weiteren Sprung gemacht. In direkter Nachfolge von Größen wie Pirlo, Vidal und Pogba ist Khedira nun der neue Chef im Juve-Mittelfeld. "Er ist ein unglaublicher Spieler", lobte ihn Trainer Allegri kürzlich.

In Abwesenheit der spektakulären Ballkünstler hat Khedira eine neue Dimension in seinem Spiel erreicht und ist aus dem Team der Bianconeri kaum noch wegzudenken. Trotz weiterhin namhafter Konkurrenz mit Spielern wie Marchisio, Neuzugang Pjanić oder Sturaro spielt der Weltmeister fast immer von Anfang an – inzwischen stellt sich im Mittelfeld der Alten Dame nur noch die Frage, wer neben Khedira spielt.

Ruhepol und pragmatischer Antreiber zugleich

Die meisten Einsatzminuten aller Mittelfeldspieler Juves liegen nicht nur in seiner Defensivstärke begründet. Seit Pogbas Abgang schaltet sich Khedira mehr denn je auch ins Offensivspiel ein – schießt Tore, legt mit Übersicht auf, ist auch in technisch anspruchsvollen Kombinationen ein gefragter Anspielpartner. "Er ist im Vorwärtsdrang effizient wie noch nie", stellt der "Corriere dello Sport" treffend fest.

Die große Stärke des gebürtigen Stuttgarters ist dabei vor allem eine altbekannte Eigenschaft. Der immer etwas klobig wirkende 29-Jährige kann seinen Pragmatismus, der ihn schon seit Stuttgarter Zeiten auszeichnete, nun auch im Offensivspiel entfalten. Direkt und präzise sind seine Anspiele zumeist , unnötige Dribblings oder spektakuläre Fernschüsse sucht man in seinem Spiel vergebens. Khedira baut auf das Team, sorgt für Ruhe, und genau das macht ihn in der ballverliebten Juve-Elf so unersetzlich.

Wohin geht die Reise im Sommer?

Dennoch ist Khedira nach wie vor bei den Fans nicht unumstritten. Sie sehnen sich nach Spektakel, nach Weltstars wie Pirlo oder Pogba oder bevorzugen im Zweifelsfall "il Principino", Eigengewächs Claudio Marchisio. Der hat es nach langer Verletzungspause derzeit aber schwer hat gegen "Mister Radar" ("Gazzetta dello Sport") Khedira in Topform und schafft es maximal an dessen Seite.

So wirkt es paradox, dass immer wieder Wechselgerüchte aufkommen. Im Winter soll sich vor allem Pirlo-Klub New York City FC mit einem lukrativen Angebot gemeldet haben. Juve-Sportdirektor Marotta wiegelte auf Nachfrage zwar ab, ließ jedoch ein Hintertürchen offen: "Wir sind sehr zufrieden mit ihm und würden gerne sehen, dass er bleibt. Aber unabhängig von der Laufzeit seines Vertrages kann er seine Zukunft selbst bestimmen." Es wäre ein Verlust, der sicher unspektakulärer als die Verkäufe der letzten Jahre wäre, aber für Juve umso schwerer ins Gewicht fallen würde.

Johann Mai

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