07.03.2017 13:14 Uhr

Taktik-Guru Sarri: Vom Hobby-Coach in die CL

Ein außergewöhnlicher Werdegang: Maurizio Sarri
Ein außergewöhnlicher Werdegang: Maurizio Sarri

Auf den SSC Neapel wartet heute Abend eine Mammutaufgabe! Die Italiener müssen zuhause eine 1:3-Niederlage gegen Real Madrid wettmachen, wollen sie noch ins Champions-League-Viertelfinale einziehen. Doch einer reißt trotzdem Späße: Trainer Maurizio Sarri.

Auf der Pressekonferenz am Montag scherzte der 58-Jährige: "Ich habe gefragt, ob ich gegen Madrid zwölf Spieler aufbieten darf, aber sie haben mir gesagt, dass das leider nicht geht!" Sarri hat gut lachen, der Druck liegt definitiv nicht bei ihm.

Es gibt aktuell wohl kaum eine vergleichbare Trainerkarriere im europäischen Spitzenfußball. Maurizio Sarri verdiente seine Brötchen einst als Bankangestellter, reiste im Anzug nach London oder in die Schweiz. Dass er heute Abend ohne Anzug am Spielfeldrand eines Champions-League-Achtelfinals gegen Real Madrid stehen wird, liegt an seinem damaligen Hobby.

Nach der Arbeit trainierte Sarri Amateurklubs: 1990 fing er an, übernahm den toskanischen US Stia in der achthöchsten Spielklasse – der untersten im italienischen Fußball. Über die siebte, sechste, fünfte und vierte Liga inklusive Vereinswechsel und vieler Aufstiege arbeitete Sarri sich hoch bis in den Profifußball, 2004 übernahm er den AC Sangiovannese in der dritthöchsten Spielklasse.

"Eine Arbeit, die ich auch gratis mache"

Zehn Jahre später stieg Sarri mit dem FC Empoli auf und eine 24-jährige Oddysee durch den italienischen Fußball endete tatsächlich in der Serie A! "Man bezahlt mich für eine Arbeit, die ich sonst gratis am Feierabend gemacht habe", freute sich Sarri über seinen Erfolg, den Banker-Job hatte er da natürlich längst an den Nagel gehängt. Nachdem er Empoli entgegen aller Voraussagen der Kritiker souverän in der ersten Liga hielt, nahm Sarri das Angebot des SSC Neapel im Sommer 2015 an. Ein Kreis schloss sich: Nur drei Kilometer von Neapels Stadion San Paolo entfernt ist der Fußballlehrer geboren, nachdem seine Familie in die Toskana zog war er der einzige Napoli-Fan an seiner Schule.

Dennoch waren nicht alle in Neapel begeistert von der einzigartigen Geschichte: "Ich hätte Benítez behalten. Sarri ist ganz gut, aber definitiv nicht gut genug für Napoli," kommentierte Neapel-Legende Diego Maradona die Verpflichtung des No-Names. Ein halbes Jahr später korrigierte der Argentinier seine Meinung: "Er ist genial!" Auch wenn es in der letzten Saison nicht ganz gereicht hat für den Scudetto, ganz Neapel ist begeistert von der Art und Weise, wie die einst so dröge Mannschaft heute Fußball spielt.

Defensive trifft Tempofußball

"Man muss das Spiel so vertikal wie möglich machen, wenn nötig eben wieder zurück und so wenig wie möglich quer spielen", fasste Sarri seine Spielphilosophie zusammen. Eine stabile defensive Grundordnung ist die Basis für den spektakulären, aggressiven Tempofußball, den Napoli in der Offensive unter Sarris Federführung auf den Rasen bringt. Die Gegner der Azzurri hätten oftmals "keine Zeit zum Atmen", stellte Startrainer Fabio Capello fest. Zu dieser Spielidee wurde Sarri von seinem Vater, einem ehemaligen Profi-Radrennfahrer, inspiriert: "Es ist ein Ausdauersport, und er hat mir beigebracht, dass du im Fußball nichts erreichen wirst wenn du dich nicht verausgabst."

In dem ehemaligen Banker steckt heute einer der akribischsten Fußballtrainer der Welt. Sarri scheut weder Kosten noch Mühen, um seinen Fußball zu perfektionieren. So fliegt auch schon mal eine Drohne inklusive Kamera über den Trainingsplatz, die es dem Napoli-Coach ermöglicht, jeden Spieler im Anschluss über ihre Fehler aufzuklären. Eine taktische Finesse brachte ihm auch seinen langjährigen Spitznamen "Mister 33" - seine Teams beherrschen der Legende nach genauso viele Varianten der Standardausführungen.

"Ich hoffe, dass ich mich nicht verändere"

Neu ist seine Spielidee aber nicht: Grundsätzlich ließ Sarri jede seiner vielen Mannschaften den gleichen Fußball spielen, egal ob in der achten Liga beim US Stia oder jetzt in Neapel. "Ich hoffe, dass ich mich trotz meines Werdegangs nicht zu sehr verändere", sagte Sarri, als er 2015 bei Napoli antrat. Dass er seinen Banker-Anzug losgeworden ist freut ihn dennoch: "Ich werde weiterhin Trainingsanzug tragen, außer natürlich der Präsident bittet mich um einen Anzug, dann mache ich das. Aber sonst: Trainingsanzug!"

Wenn Sarri heute Abend im Jogger an der Seitenlinie steht, kann Napoli Geschichte schreiben. Trotz der enorm schweren Aufgabe ist der Coach entspannt: "Der Druck liegt bei Madrid." Klar: Maurizio Sarri hat ja eh schon alle Erwartungen übertroffen.

Benedikt Strickmann

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten