07.03.2017 14:39 Uhr

Gaucho-Chaos: Wenn Junioren zu Profis werden

Rollt der Ball in Argentinien am Wochenende wieder?
Rollt der Ball in Argentinien am Wochenende wieder?

Der argentinische Fußball kommt einfach nicht zur Ruhe: Ein Verband ohne Präsidenten und hoch verschuldet. Ein Interims-Gremium ohne Lösungsansätze. Klubs, die Schulden ohne Ende anhäufen. Und Spieler, die auf ausstehende Gehälter in Millionenhöhe warten und jüngst mit ihrem Streik die Liga lahmgelegt haben. Nun könnte der Ball bald wieder rollen - allerdings ohne die streikenden Profis.

Die erste Runde ging an die Spieler. Eigentlich hätte am vergangenen Wochenende die Rückrunde in der Primera División starten sollen, nachdem dieser Termin bereits im Vorfeld nach hinten verschoben wurde. Doch die Akteure der rund 200 Mannschaften aus dem argentinischen Verband AFA setzten ein Zeichen und streikten. Laut Spielervereinigung FAA sind die Klubs im Land der Gauchos ihren Kickern nämlich immer noch umgerechnet 30 Millionen Euro schuldig.

Die Lage für die Fußballer ist so prekär, dass die ersten Spieler bereits ihre Schuhe an den Nagel hängen mussten, um irgendwie Geld verdienen zu können. "Ich habe mein ganzes Leben Fußball gespielt und gehofft, erst in einigen Jahren meine Karriere zu beenden. Aber ich habe Familie und wegen unserer finanziellen Situation habe ich mich entschieden, mit dem Fußball aufzuhören", begründete Vélez-Spieler Santiago Bianchi sein Karriereende. In der zweiten Liga sei die Lage noch angespannter: "80 Prozent der Spieler können dort nicht vom Fußball leben", so der 33-Jährige. Schlimmer noch: "Ich sehe keine Lösung."

Für Lánus-Präsident Nicolás Russo ist eben diese Lösung hingegen ganz einfach: "Am kommenden Wochenende wird Fußball gespielt. Zur Not auch ohne Profis." Sein Vorschlag: Sollten die Spieler weiterhin streiken, rutschen eben Jugendspieler in den Kader. Hauptsache, der Fußball geht weiter: "Wenn sich die Profis erneut dazu entschließen, nicht zu spielen, müssen wir am Wochenende eben eine Mannschaft präsentieren." Laufen also bald 16-Jährige in der berüchtigten Bombonera von Boca Juniors auf?

Staatsoberhaupt muss die Wogen glätten

Ob mit dieser "Lösung" die Probleme langfristig gelöst werden können, darf zumindest bezweifelt werden. Schließlich argumentieren die Vereine, überhaupt erst zahlungsunfähig zu sein, weil Fernsehgelder noch nicht bezahlt wurden. Der TV-Vertrag ist wiederum höchstes Streitgut zwischen den Klubs, der AFA und der Regierung. Ein Gaucho-Chaos, das seinesgleichen sucht.

Immerhin will der Staat die ausstehenden Summen (ca. 18 Millionen Euro) aus den TV-Erlösen nun den Vereinen bereitstellen. Damit sollen die Gehälter bezahlt und der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden - sofern Sergio Marchi, Chef der Spielervereinigung, sich damit zufrieden gibt. Sind die sportlichen Wogen erst einmal geglättet, soll in einem nächsten Schritt ein Format gefunden werden, welches die Spiele im öffentlichen Fernsehen ausstrahlt.

Durchgesetzt wurde die staatliche Subvention dabei von oberster Stelle. Staatsoberhaupt Mauricio Macri ordnete die Überweisung an. Eine Entscheidung, die nicht verwundert, war er doch zwischen 1995 und 2007 selbst Präsident von Fußball-Schwergewicht Boca Juniors und mitverantwortlich für das Chaos.

TV-Gelder: Der Streit geht weiter

Bis zu seinem Amtsantritt durften argentinische Fußballfans ihre Mannschaften nämlich frei verfügbar im Fernsehen bewundern. Das Programm "Fußball für alle" garantierte die kostenlose Ausstrahlung der Spiele. Macri kündigte den Vertrag auf Drängen der großen Klubs - unter anderem Boca Juniors. Durch die Re-Privatisierung könnten höhere Erlöse generiert werden, so die Argumentation. Ein neuer Vertrag kam nie zustande, versprochenes Geld nie zu den Vereinen.

Für Racing-Präsident Victor Blanco steht nun fest: "Für Fußball im TV dürfen wir nichts bezahlen", forderte Blanco jüngst im "Radio 10". Fußball sei schließlich "in der Gesellschaft verankert". Gerade deshalb müsse zum alten Format gefunden werden. Danach könne man sich der wichtigen Aufgabe widmen, einen neuen Verbandspräsidenten zu finden: "Hoffentlich ist die AFA und der argentinische Fußball im Juni oder Juli wieder geordnet."

Vorerst muss bis Ende März ein Kandidat für den Verbandsposten gefunden werden. Der neue Chef im argentinischen Fußball hat neben dem TV-Vertrag aber noch weitere große Aufgaben vor sich. Ob der Schuldenabbau, der Kampf gegen die Korruption oder die Einführung der neuen Superliga, einfacher wird es für den argentinischen Fußball so schnell nicht. Bleibt abzuwarten, ob bis dahin zumindest wieder professionelle Fußballer gegen den Ball treten.

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