08.03.2017 17:28 Uhr

Rampenlicht: Gezähmte Bad Boys?

Der Ex-Nürnberger Pinola wird von einem Schienbeinbruch Anfang 2016 ausgebremst
Der Ex-Nürnberger Pinola wird von einem Schienbeinbruch Anfang 2016 ausgebremst

Viele bekannte Gesichter spielen weitgehend unbeachtet von der deutschen Presse im Ausland. Heute berichtet weltfussball über drei harte Jungs, die in ihrer Bundesliga-Karriere für so manchen Aufreger gesorgt haben. Allesamt sind sie zurück zu ihren Wurzeln gekehrt und spielen aktuell in Argentinien, den USA und Brasilien.

Das Spiel wurde vor wenigen Augenblicken angepfiffen und schon lag Javier Pinola schreiend am Boden. So wild gestikulierend, dass jeder Zuschauer gleich merkte, dass das keine gewöhnliche Verletzung ist. Dies passierte am 13. Mai 2016 im Stadion des argentinischen Erstligisten CA Rosario, bei dem der Abwehrrecke seine neue Heimat gefunden hat.

Eindrucksvoll hat sich der 34-Jährige bis dato durch seine leidenschaftliche Spielweise zum Publikumsliebling hochgearbeitet. Zudem hat er sich durch konstant gute Leistungen nach neun Jahren Abstinenz wieder in den Kreis der Nationalmannschaft gespielt. Umso schmerzvoller wog der Ausfall durch diese und folgende Verletzungen, die ihn bis Anfang diesen Jahres aus dem Verkehr zogen. Am vergangenen Wochenende hätte er sein Comeback als Abwehrstabilisator gefeiert, wenn der Spielerstreik nicht die argentinische Liga lahmgelegt hätte!

Spuck-Attacke gegen Schweinsteiger

Über zehn Jahre war der Gaucho in Mittelfranken zuhause. Im Juli 2005 kam er zum 1. FC Nürnberg, nachdem er sich zuvor bei Atlético Madrid nicht hatte durchsetzen können. Ziemlich schnell zeichnete sich ab: Pino und der Club, das ist die ganz große Liebe. Durch seinen Kampfgeist und seinen Gerechtigkeitssinn auf dem Platz spielte er sehr oft an der Grenze des Platzverweises (In 287 Spielen für den FCN: 87 Gelbe Karten/ je zweimal Gelb/Rot und Rot). Die Club-Anhänger liebten ihren Robin Hood dafür.

Er spiele impulsiv und aggressiv, aber nie schmutzig, sagte er über sich selbst. Schmutzig wurde es allerdings doch einmal: Im November 2010 bespuckte er den damaligen Bayern-Spieler Bastian Schweinsteiger auf dem Spielfeld. Seinen Blackout bereute er im Nachhinein zutiefst und bezeichnete ihn als "den schlimmsten Fehler seines Lebens". Nach einem schmerzvollen Abschied aus Nürnberg im Sommer 2015 erlebt er in Argentinien seinen zweiten Frühling. Hier macht er nur noch durch starke Spiele von sich reden, seine streitbare Spielweise hat er dafür beibehalten. Man darf gespannt sein, wie er nach seiner Verletzung zurückkommt.

Autos, Alkohol und Frauen

Den vergangenen Spieltag bestritten hat jedoch ein anderer alter Bekannter aus der Bundesliga. Jermaine Jones stand beim Saisonauftakt seines neuen Teams LA Galaxy in der Startelf und hat sich prompt seine erste Gelbe Karte abgeholt. Auch der Mittelfeldstratege geht auf dem Platz besonders hart ran. Sein ehemaliger Trainer Klaus Augenthaler sagte über ihn: "Ich war weiß Gott kein Kind von Traurigkeit, aber gegen Jermaine hätte ich nicht spielen mögen."

Aus der Frankfurter Jugend stieg er als 22-Jähriger Youngster auf, der auf dem Platz den Takt angeben konnte. Doch sein Erfolg ging, wie so oft, Hand in Hand mit den Versuchungen des schnellen Geldes einher: Autos, Alkohol, Frauen. All dem konnte der Halbamerikaner nicht widerstehen. Seine privaten Eskapaden brachten ihn bei den Trainern in Misskredit, durch seine verschleierten Wechsel von Leverkusen nach Frankfurt (2005) und von Frankfurt nach Schalke (2007) hat er sich bei den Fans nicht gerade beliebt gemacht.

Über die Türkei in die USA

Auch auf dem Platz polarisierte er fortwährend mit seiner draufgängerischen Spielweise. "Ich gehe auf den Platz, um zu gewinnen. Da ist mir - blöd gesagt - fast jedes Mittel recht."

Eine Grenze hat er dabei im DFB-Pokal Achtelfinale am 21. Dezember 2011 gegen Mönchengladbach überschritten. Bei einer Spielunterbrechung näherte er sich Marco Reus ohne erkennbaren Grund und bohrte seine Stollen in dessen bereits gebrochenen Zeh. Ein krass sportwidriges Verhalten, das nicht nur eine achtwöchige Sperre nach sich zog, sondern auch seinen vorauseilenden Ruf als Bad Boy der Liga eindrucksvoll untermauerte.

Nach einer Berg- und Talfahrt auf Schalke, mit vielen guten Einsätzen als Antreiber des Teams, aber auch fragwürdigen Aussetzern und nachlassenden Leistungen, ließen die Knappen den 68-maligen Nationalspieler Ende Januar 2014 ziehen. Nach der Zwischenstation Beşiktaş wechselte der Sohn eines amerikanischen Vaters und einer deutschen Mutter in die MLS. Über New England Revolution und Colorado Rapids ist er in seine Wahlheimat Los Angeles gelangt. Dort lässt er es zumindest privat ruhiger angehen. Für seine fünf Kinder will er ein Vorbild sein.

Unvergessen: Jones' Bad Boy Attacke an Reus:

"Werder-Irrtum" statt "Samba-Tänzer"

Ein bisschen im Gedächtnis kramen muss man, um sich noch an "Werder-Irrtum" und Chaot Carlos Alberto zu erinnern (Saison 2007/08). In den Himmel gelobt wurde das damalige Talent aus Brasilien, das das bereits bestehende rassige Duo Diego und Naldo zu einem Traum-Trio vollenden sollte. "Samba an der Weser" versprachen sich zumindest die Verantwortlichen der Werderaner.

Doch der bis dahin teuerste Bremer Neuzugang entpuppte sich nach nur wenigen Monaten als Fehlinvestition. Wegen seiner Undiszipliniertheiten und seiner Anfälligkeit für Blessuren wurde er zunächst in seine Heimat Brasilien zurückverliehen. Dort schien er jedoch keine Läuterung erfahren zu haben.

Kaum zurück in Norddeutschland eskalierte im Training ein gewöhnlicher Zweikampf zwischen dem Enfant terrible und seinem Mannschaftskameraden Boubacar Sanogo. Aus einem Tackling entwickelte sich eine handfeste Prügelei. Die logische Konsequenz: Rausschmiss aus dem Kader. Albertos Auslands-Intermezzo - er absolvierte nur zwei Bundesligapartien für die Grün-Weißen - war beendet, bevor es richtig begonnen hatte.

Neun Jahre, neun Wechsel

In neun Jahren wechselte der Mittelfeldspieler neun Mal das Team - und das nicht immer freiwillig. Überall hin begleiteten ihn seine Laster: Undiszipliniertheit, mangelnde Fitness, Ärger mit Vereinskollegen und seine Schilddrüsenerkrankung.

Seit Jahresanfang spielt er in seiner Heimat für Atlético Paranaense, das von Januar bis März 2006 von Lothar Matthäus trainiert wurde. Kürzlich wurde der wuchtige Südamerikaner im Spiel gegen den Rivalen Deportivo Capiatá rassistisch beleidigt. Ungewohnt besonnen reagierte er auf die fiesen Anfeindungen und bot seinen Provokateuren somit keine weitere Angriffsfläche: "Leider muss man mit der Situation, von anderen als Affe bezeichnet zu werden, umgehen können." Es scheint, als habe er in all den Jahren doch etwas gelernt.

Linda Nier

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten