22.03.2017 12:45 Uhr

Meinung zu Poldi: "Abschied kommt zu spät"

Lukas Podolski verabschiedet sich aus der Nationalmannschaft
Lukas Podolski verabschiedet sich aus der Nationalmannschaft

Die beeindruckende Nationalmannschaftskarriere von Lukas Podolski findet am Mittwochabend beim Klassiker gegen England mit dem 130. und letzten Länderspiel einen krönenden Abschluss. Doch kommt der Abschied des 31-Jährigen zu spät? Zwei Redakteure, zwei Meinungen.

Vom Leistungsträger zum Mitläufer

Nur zwei Spieler haben in der über 100-jährigen Geschichte häufiger für Deutschland gespielt als Lukas Podolski. Nur zwei Stürmer haben mehr Länderspieltore in ihrer Vita als die 48 Treffer von Lukas Podolski.

Dass die kölsche Frohnatur in Dortmund die 130 rund machen kann, hat er allerdings nicht nur seinem unbestrittenen Talent, sondern auch - und in den letzten Jahren vor allem - der unverbrüchlichen und nicht immer nachvollziehbaren Treue von Bundestrainer Joachim Löw zu verdanken.

Die glänzenden Zahlen des Stürmers im Adlerdress basieren fast ausschließlich auf der ersten Karrierehälfte, zwischen seinem Debüt im Juni 2004 und der Weltmeisterschaft 2010. Danach mutierte Prinz Poldi mehr und mehr vom Leistungsträger zum Mitläufer. Bis zum Turnier in Südafrika war Podolski in 79 Spielen 40 Mal erfolgreich, danach bejubelte er in 50 Partien, in denen er kaum einmal zu überzeugen vermochte, magere acht Treffer. Kurz: Poldis Abschied kommt zu spät.

Erstaunlich ist das jahrelange Festhalten Löws am gebürtigen Polen, weil auf seiner Position des linken Außenstürmers nach 2010 gleich reihenweise hochtalentierte Nachwuchskräfte leistungsmäßig an Podolski vorbeizogen. Aber egal ob die Konkurrenz Marco Reus, André Schürrle, Julian Draxler, Leroy Sané, Julian Brandt oder Kevin Volland hieß – bei den großen Turnieren hatte der Gute-Laune-Bär der Kompanie letztendlich seinen Kaderplatz sicher.

Die heftige Kritik, die nach unauffälligen bis enttäuschenden Auftritten im Nationalmannschaftstrikot immer wieder auf ihn einprasselte, hätte Löw seinem Liebling Podolski frühzeitig ersparen können. So gebührt Poldi unser Respekt, dass er sich von der negativen Presse nie hat unterkriegen lassen. Als Lohn winkt der Eintrag in die Rekordbücher der Nationalmannschaft.

Ralf Amshove

Als "Feelgood-Manager" unersetzlich

Sportlich, das muss man unumwunden zugeben, hat Lukas Podolski in den letzten Jahren keine große Rolle mehr im DFB-Team gespielt. Dass Joachim Löw seinem alten Weggefährten die Treue hielt und ihn zu den großen Turnieren mitnahm, war trotzdem goldrichtig.

Ob der WM-Triumph von Brasilien ohne "Feelgood-Manager" Poldi möglich gewesen wäre, darf stark angezweifelt werden. Als entscheidender Erfolgsfaktor des Coups am Zuckerhut gilt der Teamgeist des deutschen Teams.

Für die Wohlfühlatmosphäre im Campo Bahia war Podolski maßgeblich mitverantwortlich - genauso wie für die positive Außenwirkung der Mannschaft in den letzten Jahren. Als "bester Öffentlichkeitsarbeiter für das deutsche Team" bezeichneten die "Stuttgarter Nachrichten" Podolski einst.

"Lukas ist einmalig, den kann so jetzt keiner ersetzen. Er hat eine unglaubliche Empathie und zeigt vor allen Respekt. Der Mensch Lukas Podolski wird uns sehr fehlen", beschrieb Löw bei der Abschluss-Pressekonferenz vor dem England-Spiel die Lücke, die Podolskis internationales Karriereende reißen wird.

Dass der zuletzt im DFB-Dress tatsächlich nicht mehr so treffsichere Stürmer darüber hinaus in der Vergangenheit auch auf dem Platz Großartiges geleistet hat, ist unbestritten. Aus einer Generation von Rumpelfüßlern ragte Podolski lange Zeit als absoluter Leistungsträger heraus.

Und irgendwie waren es doch auch Poldi und sein Kumpel Bastian Schweinsteiger, die uns rund um das Sommermärchen 2006 herum überhaupt den Glauben an den (guten) deutschen Fußball zurückgaben, oder?

Vor seinem letzten Hurra im Freundschaftsspiel gegen England verbieten sich deswegen alle allzu kritischen Nachbetrachtungen der Ära Podolski beim DFB. Der heute 31-Jährige hat sich seinen Platz im deutschen Fußball-Olymp redlich verdient - und durfte zu Recht den Zeitpunkt seines Abschieds selbst bestimmen. Punkt.

Tobias Knoop

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