18.05.2017 13:10 Uhr

"Der St. Pöltner ist ein nörglerischer Typ"

SKN-Trainer Jochen Fallmann kämpft mit seinen "Wölfen" um den Klassenerhalt und selbst um Platz acht. Sonst verlängert sich sein Vertrag in St. Pölten nicht.

Im Interview mit weltfussball.at verrät Fallmann, dass er sich Christoph Riegler und David Steć mittelfristig als ÖFB-Teamspieler vorstellen kann und dass ihm die "Ganslhaut" aufrannte, als Urgestein Peter Brandl in der Kabine seine Auszeit verkündete. Kein Blatt vor dem Mund nimmt er sich  auf die triste Zuschauer-Situation angesprochen.   

weltfussball: Wissen Sie, wie es in der 'Fallmann-Tabelle' steht?

Jochen Fallmann (lächelt zuversichtlich): Nein, weiß ich nicht. Aber Sie werden es mir sicher gleich sagen.

Ihr seid Siebenter, punktegleich mit Sturm, Längen vor Ried und Rapid, sechs Punkte vor dem WAC. Zufrieden?

Ich glaube schon, dass die Art und Weise wie wir spielen und auch die Punkte-Ausbeute durchaus in Ordnung sind, seit ich hauptverantwortlich bin für die Mannschaft. Die Schwierigkeit war den Rucksack aus den ersten Runden abzulegen. Sonst hätten wir vielleicht nach oben schnuppern können. Das eine oder andere knappe Spiel, das wir dann noch verloren haben, hätten wir ohne Rucksack vielleicht gewonnen.

Haben Sie viel verändert?

Ich kann mich nicht aus der Verantwortung nehmen, was vorher war, weil ich auch im Trainerteam war und zugeliefert habe. Die Letzt-Verantwortung trägt natürlich der Cheftrainer. Mein großer Vorteil war dann, dass ich die Mannschaft schon so gut gekannt habe. Ich hatte sie ja auch schon einmal in der zweithöchsten Spielklasse in einer sehr kritischen Situation (Ende der Saison 2014/15, Anmerkung:). Wir haben den Trainingsbetrieb umgestellt und auch im Winter mit Transfers versucht, uns zu verstärken und den positiven Kern zu verbessern.
>> Trainerhistorie SKN St. Pölten

Fühlen Sie sich noch als Interimstrainer?

Ich glaube, dass alle Betreuer Interimscoach sind, weil das Trainerleben extrem schnelllebig geworden ist. Mit der Unterzeichnung des Vertrags unterzeichnest du auch schon deine Kündigung. Heute ist das eben so. Das ist 'Part of the Game'.

Wann verlängert sich Ihr Vertrag?

Der Verein hat eine Rang-Verbesserung angestrebt. Wir waren Neunter. Sollten wir uns nicht verbessern, ist der Vertrag neu zu verhandeln, oder man geht getrennte Wege. Ab Platz acht wird der Vertrag um ein Jahr verlängert.

Sportdirektor Frenkie Schinkels hat auch den restlichen Betreuerstab vorgegeben. Dürfen Sie im Sommer selbst über Ihr Team entscheiden?

Das ist nicht richtig. Mein Wunsch im Herbst war, dass Thomas Nentwich dazu kommt und es war rasch klar, dass Thomas aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Firmenchef das nicht länger machen wird können. Ich habe mit Alexander Marchat einen Videoanalysten dazu genommen und habe mit Marcel Ketelaer einen Co-Trainer dazu bekommen, den der Frenk Schinkels und ich gemeinsam ins Boot geholt haben. Christoph Muezell war loyal zu Karl Daxbacher und ist gegangen.
>> SKN: Nentwichs Abgang so gut wie fix

Warum wird der Vertrag von Urgestein Peter Brandl nicht verlängert?

Danke für diese Frage! Peter Brandl hat jahrelang mit Verletzungen zu kämpfen gehabt. Er war ein Spieler, auf den man sich immer verlassen hat können, hat immer hundert Prozent gebeben. Er ist auf mich zugekommen und hat mir gesagt, dass er seine Karriere stilllegt und sich eine Auszeit nimmt. Er hat dann der Mannschaft in einer sehr emotionalen Ansprache - da rennt mir heute noch die Ganslhaut auf - gesagt, dass er bis zum letzten Schuss alles dafür tun wird, dass wir die Klasse halten, innerhalb und außerhalb des Platzes. Das macht er auch. Er wird sicher nirgendwo anders hingehen.

Dienstag nominiert Marcel Koller den ÖFB-Kader für Irland. Glauben Sie, dass in naher Zukunft oder mittelfristig ein Wolf zum Team stößt?

(Fallmann denkt einen Hauch länger als zuvor über die Formulierung nach) Ich glaube, dass wir mit Christoph Riegler einen jungen, hervorragenden Tormann in unseren Reihen haben, der noch immer ein großes Entwicklungspotenzial hat, und in naher Zukunft sicher einer sein kann, der zum Nationalteam stößt. Ich glaube auch, dass auf der Rechtsverteidiger-Position der David Steć die Möglichkeit hätte, irgendwann da reinzurutschen. Er hat sich zuletzt spielerisch sehr stark verbessert. Herz, Leidenschaft und Einsatz hat er sowieso. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auch bei ihm klappen könnte.

Eure auffälligsten Statistiken sind 18 Tore nach Standards und dass ihr erst zwei Mal zu Null gespielt habt. Warum?

Ich habe schon als Spieler ein Hauptaugenmerk auf Standards gelegt und den einen oder anderen Freistoß, glaube ich, ganz gut getroffen. Mit Marcel haben wir jetzt auch einen, der mit links sehr gute Freistöße geschossen hat und als Co-Trainer einen seiner Schwerpunkte bei den Standard-Situationen hat und den Spielern wichtige Hinweise und Tipps gibt. Sehr, sehr viele enge Spiele werden einfach mit den Standards entschieden. Auch bei großen Turnieren.
Zu den Gegentoren: In der Bundesliga haben wir schon sehr viele nach individuellen Fehlern bekommen. Ein bisschen fehlt es uns da auch noch an Cleverness. Aber die Fehler werden von den Gegnern auch schneller genützt, weil deren Qualität höher ist als von jenen in der Ersten Liga. 

Ihr habt Samstag das Abstiegsduell in Ried vor der Brust. Ein Remis würde schon sehr nützen.

Für mich ist Ausgangslage noch immer gleich wie im Winter. Wir sind vier Punkte vor dem Letzten, der halt jetzt nicht Mattersburg sondern Ried heißt. Die Spiele sind logischerweise weniger. Wir fahren da nicht hin, um irgendwie einen Punkt zu ermauern. Ich werde meiner Mannschaft ganz klar den Auftrag geben, auf Sieg zu spielen. Wir wissen um die Qualitäten von Ried und die Heimstärke, aber wenn wir unsere Leistung hundertprozentig abrufen, werden wir als Sieger vom Platz gehen.

Im Schnitt kommen nur 3.700 Besucher zu euren Spielen, trotz zahlreicher Ermäßigungs-Aktionen. Stört Sie das? 

Ich bin gebürtiger St. Pöltner und kenne die Mentalität. Es ist sehr traurig. Egal ob es eine Sportveranstaltung, eine kulturelle Veranstaltung ist, oder sonst irgendetwas. Der St. Pöltner ist ein sehr grantiger, misstrauischer und nörglerischer Typ. Das spiegelt sich auch hier wieder. Der St. Pöltner geht erst dann hin, wenn er glaubt, dass es eine Sensation gibt, oder wenn es etwas umsonst gibt. Das finde ich schade, weil das Angebot in der Landeshauptstadt in vielen Bereichen in den letzten Jahren sehr, sehr gut geworden ist. Es wäre schwer an der Zeit, dass die St. Pöltner von zuhause rauskommen und diese Veranstaltungen besuchen.

Ich hoffe doch, dass gegen den WAC dann alle kommen, die sonst vielleicht nicht kommen. Es ist ein Donnerstag, es ist ein Feiertag. Es steht nix im Weg. Ich werde mit dem Wettergott sprechen, dass nicht zuviel Sonne scheint, sonst ist das vielleicht wieder schlecht und dass es auch nicht regnet, damit keiner nass wird. Dann gibt's hoffentlich keine Ausreden mehr und es sind mindestens 5.000 Zuschauer im Stadion.
>> Bald mehr VIPs als Zuschauer in St. Pölten

Und Sie kommen selbst wieder mit Ihrem roten, bedruckten Taxi und nicht wie Schinkels und Co. mit vom Verein geleasten Mercedes?

(lacht) So heikel wie die vorige Frage war, so gut ist die. Der Rittner Joe hat mich schon als Spieler unterstützt. Wie ich bei der Vienna war, war das auch kein Problem. Es ist eine große Freude für mich, dass ich ihm jetzt dafür zurückzahlen kann und fahre gerne weiter selbst mit dem Taxi durch die Gegend.

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>> "Fallmann hat wie Scherb das Trainergen"
>> Ergebnisse und Tabelle Bundesliga

Das Interview führte Thomas Schöpf

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