15.07.2018 11:04 Uhr

Turnier zwischen Desaster, Party und Pleiten

Was bleibt von der Weltmeisterschaft in Russland?
Was bleibt von der Weltmeisterschaft in Russland?

Doswidanja Russland, marhabaan bik fi Katar: Mit dem Abpfiff des WM-Endspiels im Moskauer Luschniki-Stadion fällt der letzte Vorhang für die XXI. Fußball-Weltmeisterschaft. Trotz des Finales zwischen Frankreich und Kroatien - als der große Gewinner konnte sich Gastgeber Russland fühlen.

FIFA-Chef Gianni Infantino hatte schon am Freitag die Endrunde im Reich des allmächtigen Staatspräsidenten Wladimir Putin zur "besten WM überhaupt" gemacht. In der Tat haben die russischen Organisatoren ganze Arbeit geleistet. Das Turnier war glänzend vorbereitet und durchgeführt, die Stadien erstklassig, das Niveau der Spiele konnte sich trotz Favoritensterbens sehen lassen. Und vor allem in puncto Stimmung und Begeisterung musste Russland nicht einmal Vergleiche mit dem deutschen Sommermärchen 2006 scheuen.

Dennoch bleiben viele offene Fragen: Wie wird sich Russland nach Ende des 32-tägigen Ausnahmezustands WM entwickeln? Waren es nur Potemkinsche Dörfer? Die Stadien gleichen einer Herde weißer Elefanten, soll bedeuten, die Zukunft etlicher Arenen ist höchst ungewiss. Nachhaltigkeit sieht anders aus. Und dafür wurden geschätzte 5,26 Milliarden Euro investiert, um die Stadien von Moskau, St.Petersburg, Kaliningrad bis Jekaterinburg WM-tauglich zu machen.

"Bunt, laut und vielfältig"

Der russische Staat, der ansonsten mit eiserner Hand alles kontrolliert und reglementiert, hielt sich allerdings während der WM im Hintergrund. So konnte sich eine Party-WM entwickeln, die vor allem die meisten ausländischen Gäste so nicht erwartet hatten.

Daran maßgeblich beteiligt waren allerdings die Zehntausenden Fans aus Lateinamerika, die über weite Strecken die WM prägten und das stimmungsvolle Gesicht verliehen. Ob Mexikaner, Kolumbianer, Peruaner, Argentinier oder Brasilianer - sie machten das Turnier in Russland so bunt, laut und vielfältig. Der Russe, der eher an einen tristen Alltag gewöhnt ist, dürfte vielfach seinen Augen nicht getraut haben, welche spontanen Partys bis in die frühen Morgenstunden auf den Straßen und öffentlichen Plätzen zelebriert wurden.

Dabei blieb alles friedlich, die befürchteten Krawalle rivalisierender europäischer Hooligans blieben komplett aus. Das Sicherheitskonzept der Russen, aber auch das der beteiligten Verbände hat vorzüglich gegriffen.

Das deutsche Debakel in Russland

Keine Offenbarung waren hingegen die Vorstellungen vieler Favoriten. Allen voran der Weltmeister aus Deutschland gab eine desolate Visitenkarte ab und schied erstmals in seiner 84-jährigen WM-Geschichte in der Vorrunde aus. Bundestrainer Joachim Löw darf dennoch weitermachen, muss allerdings jetzt bei seinem Erneuerungsprozess jeden Stein umdrehen. Er habe "eine gewisse Selbstherrlichkeit" bei seiner Mannschaft festgestellt, sagte der 58-Jährige, der am 24. August seine WM-Analyse dem DFB-Präsidium vorlegen wird.

Dass aber ausgerechnet Löws langjähriger Musterschüler und Ex-Kapitän Philipp Lahm seinem ehemaligen Coach anweist, in welchen Bereichen der Hebel anzusetzen ist, gehört schon zur Kategorie ungewöhnlich. "Ich bin überzeugt davon, dass Jogi Löw seinen kollegialen Führungsstil der letzten Jahre ändern muss, wenn er mit der neuen Generation von Nationalspielern wieder Erfolg haben möchte", sagte Lahm erstaunlich deutlich.

DFB-Turnier von "Erdogate"-Affäre überschattet

Die "Erdogate"-Affäre um Mesut Özil und Ilkay Gündogan erwies sich als ein Mosaiksteinchen, das Anteil am WM-Scheitern hatte. Dass DFB-Präsident Reinhard Grindel und auch Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff in ziemlich untauglichen Interviews versuchten, Özil zum Sündenbock für das WM-Versagen zu stempeln, hat nicht nur viele Politiker erzürnt. Beim Deutschen Fußball-Bund ist viel Dampf im Kessel.

"Die Mannschaft" befand sich allerdings in Russland in guter Gesellschaft. Das Favoritensterben erfasste auch andere Giganten wie Rekord-Weltmeister Brasilien, die zweimaligen WM-Champions Argentinien und Uruguay, den 2010er-Weltmeister Spanien und EM-Titelträger Portugal.

Die allerdings zumindest die Gruppenphase überstanden, ab dem Halbfinale war die WM allerdings eine EURO: vier europäische Teams waren unter sich. Und das Turnier war ziemlich schnell befreit von den Superstars Cristiano Ronaldo, Lionel Messi und Neymar, der mit seinen oscarverdächtigen Schauspieleinlagen seine sportliche Leistung schmälerte.

Ronaldo gab wenige Tage nach seinem WM-K.o. seinen Wechsel von Real Madrid zu Juventus Turin bekannt - ein markanter Dominostein im internationalen Transfermarkt ist damit gefallen. Mal schauen, was Ronaldos Anheuern bei der alten Damen auslöst.

VAR weiß zu überzeugen

Positiv war bei der WM der Video Assistant Referee (VAR). Während in Deutschland in der Premierensaison viel zu viele Szenen auf den Prüfstand gestellt wurden, beließ es die Schiedsrichterkommission des Weltverbandes bei einigen wenigen kritischen Szenen. "Dank des VAR ist das Spiel gerechter geworden", urteilte FIFA-Boss Infantino, diesmal zu Recht. Weniger ist halt manchmal wirklich mehr.

In vier Jahren ist Katar als Gastgeber der Winter-WM an der Reihe. Ob dort wie vorgesehen mit 32 oder mit 48 Teams gespielt wird, ist noch offen. Infantino lässt sich die Möglichkeit offen. Ein unwürdiges Schauspiel!

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