16.07.2018 12:30 Uhr

Entthrontes DFB-Team gerät erneut ins Kreuzfeuer

Die DFB-Elf zählte zu den großen Verlierern der WM
Die DFB-Elf zählte zu den großen Verlierern der WM

Vor dem Neuanfang im September mit dem Rendezvous mit Weltmeister Frankreich liegt jede Menge Arbeit vor Joachim Löw. Die Kritik am Bundestrainer und Direktor Oliver Bierhoff reißt nicht ab.

Rio-Kapitän Philipp Lahm nahm in Moskau mit einem Lächeln Abschied vom WM-Pokal, und die entthronten deutschen Weltmeister würdigten den neuen Champion Frankreich mit warmen Worten. "Ihr verdient es, unser Nachfolger zu sein", schrieb Toni Kroos bei Twitter, Mesut Özil wünschte eine nette Party, und Lukas Podolski meinte augenzwinkernd: "Passt gut auf meine WM-Trophäe auf!"

Schließlich soll der goldene Cup 2022 zurück in "seine" Vitrine in der Frankfurter DFB-Zentrale. Doch von Hoffnung auf neue Triumphe ist in Fußball-Deutschland nichts zu spüren, stattdessen blickt die Nationalmannschaft mit zitternden Knien auf das Rendezvous mit der frisch gekrönten Equipe Tricolore am 6. September in München.

"So kann es nicht weitergehen"

"Wir sind uns alle einig: So, wie es jetzt passiert ist, kann es nicht weitergehen", sagte der von Joachim Löws Musterschüler zum Chefkritiker mutierte Lahm. Zu heftig sind noch immer die Erschütterungen des WM-Desasters, zu unklar, wie der Weg zurück zu alter Stärke gelingen könnte - auch, weil Bundestrainer Löw, derzeit im Urlaub in Italien, ausdauernd schweigt.

"Meine Hoffnung so wie von jedem Deutschen ist, dass wir besser werden. Dass man so ein Turnier wieder genießen kann", sagte Lahm der "ARD": "Wir wollen, dass Deutschland wieder erfolgreich Fußball spielt. Da sollten wir alle nach Lösungen suchen." Alle - auch Löw, den Lahm erneut wegen dessen Führungsstil anging. Jetzt müsse "an mehreren großen Schrauben" gedreht werden, Lösungen seien "überall" zu finden.

Analyse ergibt erschütterndes Bild

Die wohl wichtigste dieser Lösungen liegt in der Erneuerung des deutschen Spielstils. Die WM-Analyse des früheren Bundesliga-Profis Stefan Reinartz ergab, dass die DFB-Elf beim Verteidigen gegnerischer Konter "die zweitschwächste Mannschaft des gesamten Turniers" war. "Schwächer war nur Tunesien", sagte Reinartz der Süddeutschen Zeitung.

Löw sei gefordert. "Jetzt braucht die Story ein neues Kapitel", sagte Reinartz, dessen Firma Impect die Zahl "überspielter Gegner" (Packing) als Kennzahl der Spielanalyse eingeführt hat. Löws Ballbesitzfußball sei nicht tot, doch es fehle eine Absicherung wie sie Frankreich in Person von N'Golo Kanté besitze.

"Mats Hummels war die ärmste Sau des Turniers"

Pro WM-Begegnung seien im Schnitt 51 Deutsche überspielt worden, aber nur 20 Franzosen, hat Reinartz ermittelt. Die Folge: "Mats Hummels war die ärmste Sau des Turniers." Ein weiteres Manko: Die harmlose Offensive. Deutschland habe sogar die meisten Gegner überspielt, "war also spielerisch eine der stärksten Mannschaften, aber hat es nicht ins letzte Drittel geschafft".

Dass Löw diese Schwäche nicht rechtzeitig erkannte und behob, war sein größter Fehler als Coach. Als Chef versagte er im Versuch, ein echtes Team zu formen. Oliver Kahn hält die von Lahm angestoßene Debatte um Löws Führungsstil dennoch für "abenteuerlich". Eine Veränderung würde von der Mannschaft kaum ernst genommen, sagte der "ZDF"-Experte. Außerdem habe "das Versagen" - anders als von Lahm nahegelegt - "relativ wenig mit den Jungen zu tun" gehabt.

Berthold: "Der Manager muss weg"

So oder so: Die Nationalmannschaft habe "ein erbärmliches Bild abgegeben", schrieb Thomas Berthold im "kicker", "der Imageschaden ist riesig." Ein Hauptverantwortlicher ist aus Sicht des Weltmeisters von 1990 DFB-Direktor Oliver Bierhoff. Die "völlig überzogene Kommerzialisierung, die Verwissenschaftlichung und die Entfremdung der Nationalmannschaft von Fans und Medien ist auf ihn zurückzuführen". Bertholds Schluss: "Der Manager muss weg!"

In eine ähnliche Richtung zielte Karl-Heinz Rummenigge. Der DFB mutiere "immer mehr zu einer Vermarktungsmaschine, und das wird vom FC Bayern nicht akzeptiert", sagte der Vorstandschef der Münchner. Auch hier ist ein "Weiter so" undenkbar.

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