20.07.2018 13:00 Uhr

Kadercheck HSV: Das Warten auf den warmen Geldregen

Der Hamburger SV bereitet sich auf seine erste Saison in der 2. Bundesliga vor
Der Hamburger SV bereitet sich auf seine erste Saison in der 2. Bundesliga vor

Die Tränen sind getrocknet, der Blick nach vorne gerichtet: Nach dem erstmaligen Abstieg aus der Fußball-Bundesliga läuft die Mission Wiederaufstieg beim Hamburger SV auf Hochtouren.

Akribisch treiben die Verantwortlichen um Sportchef Ralf Becker den Neustart voran. Erste Erfolge sind sichtbar, doch die Altlasten machen den Hanseaten schwer zu schaffen. sport.de nimmt den Zwischenstand beim Kaderumbau unter die Lupe.

  • Das Tor: Pollersbeck endlich unumstritten

Für Julian Pollersbeck war das vergangene Jahr ein Wechselbad der Gefühle. Als frischgebackener U21-Europameister für stolze 3,5 Millionen Euro vom 1. FC Kaiserslautern verpflichtet, legte der Youngster einen fulminanten Fehlstart hin. Nach einigen bösen Patzern in der Vorbereitung verlor er den Konkurrenzkampf gegen Christian Mathenia und verbrachte fortan frustrierende Monate auf der Ersatzbank.

Das Auf und Ab setzte sich 2018 fort. Kurz vor seiner Entlassung beförderte Coach Markus Gisdol Pollersbeck zunächst zur Nummer eins, nur zwei Wochen später machte der neue Trainer Bernd Hollerbach die Entscheidung bereits wieder rückgängig. Erst unter Christian Titz wendete sich die Situation zum Guten: Im Liga-Endspurt, als der HSV fast noch die Rettung geschafft hätte, stand Pollersbeck zwischen den Pfosten.

Beim Neustart im Unterhaus spielt der 23-Jährige nun eine wichtige Rolle. An seinem Status als Stammtorhüter rüttelt keiner mehr, Konkurrent Mathenia ergriff die Flucht.

Hinter Pollersbeck stehen Routinier Tom Mickel und Talent Morten Behrens bereit. Eine externe Nummer zwei soll - Stand jetzt - nicht mehr kommen.

  • Die Abwehr: Jugend forscht in der Zentrale

In Mergim Mavraj, Dennis Diekmeier und Bjarne Thoelke haben die Rothosen drei erfahrene, aber sportlich verzichtbare Verteidiger abgegeben.

Schmerzhafter wäre da schon der Verlust von Kyriakos Papadopoulos, dessen Kämpfermentalität von Trainer Titz geschätzt wird. Doch der Grieche hat keine Lust auf Zweitliga-Fußball und belastet als Großverdiener den drastisch geschrumpften Gehaltsetat. Sollte der 26-Jährige wechseln, winkt dem HSV ein warmer Geldregen.

In der Abwehrzentrale bauen die Hanseaten - gezwungenermaßen - auf einen "Kinderriegel": Ursprünglich sollten Neuzugang David Bates (21), Rick van Drongelen (19) und Stephan Ambrosius (19) um den Platz neben Gideon Jung (23) streiten. Doch nun hat sich der ehemalige U21-Nationalspieler einen traumatischen Knorpelschaden zugezogen und fällt mindestens sechs Monate aus. "Das ist eine ganz bittere Diagnose", gab Sportvorstand Becker zu.

Deutlich mehr Erfahrung ist auf der Außenbahn zu finden, wo die Platzhirsche Douglas Santos (links) und Gotoku Sakai (rechts) unumstritten sind. Das Duo hat Hamburg trotz des Abstiegs die Treue gehalten und genießt deshalb einen kleinen Bonus. Freilich mangelt es auf beiden Positionen auch an ernsthaften Alternativen. Gut möglich, dass der HSV deshalb nochmal auf dem Transfermarkt aktiv wird.

  • Das Mittelfeld: Titz vertraut einem erfahrenen Gerüst

Rund um den Volkspark hat sich eine erstaunliche Gemütslage entfaltet. Statt Tristesse und Tränen herrscht Aufbruchstimmung. Projektleiter ist Bernd Hoffmann. Der Vorstandsvorsitzende, der Prügel ohne Ende befürchtete, ist total baff wegen der "fast fühlbaren Euphorie" im sonst so kritischen Umfeld. Mehr als 6000 Mitgliedsanträge wurden gestellt, die Dauerkarten für das erste Zweitliga-Spieljahr gehen fast so schnell über den Tisch wie Tickets für die Elbphilharmonie.

Gehörigen Anteil an der positiven Atmosphäre haben die beiden Ex-Nationalspieler Lewis Holtby (27) und Aaron Hunt (31), die den Gang ins Unterhaus nicht scheuen. Beide sind als Führungsspieler eingeplant, Hunt gar als Teamkapitän.

Einen anderen Weg schlugen die Transfer-Flops Walace (Hannover 96) und Alen Halilovic (AC Mailand) ein, die ohnehin chancenlos waren. Die Abgänge haben neuen Handlungsspielraum geschaffen, der im Falle eines Verkaufs von Albin Ekdal noch größer würde. Der Schwede ist nach seinen starken Auftritten bei der WM in Russland in den Fokus zahlreicher Serie-A-Klubs gerückt.

Die Nachfolge des skandinavischen Abräumers ist längst geregelt: Mit Matti Steinmann, Lieblingsschüler von Trainer Titz, und Neuzugang Christoph Moritz stehen zwei defensivstarke Sechser parat, um dem Kreativduo Holtby/Hunt den Rücken freizuhalten.

  • Der Angriff: Arp verlänget - Zweite Chance für Lasogga

Zwei Namen prägen die Vorbereitung beim HSV ganz besonders: Jann-Fiete Arp und Pierre-Michel Lasogga.

Letzterer ist ein Spezialfall. Ursprünglich sollte der Top-Verdiener, der zuletzt an Leeds United ausgeliehen war, verkauft werden. Das klappte nicht. Aus der Not wollen die Hamburger eine Tugend machen: Lasogga kennt sich in der zweiten Bundesliga aus, hat dort in 32 Spielen 14 Tore erzielt. "Ich wehre mich nicht gegen einen Stürmer, der Tore schießt", kommentierte Titz die Rückkehr des 26-Jährigen.

Sturmjuwel Arp hingegen setzte am Freitag ein deutliches Zeichen und verlängerte seinen Kontrakt um ein Jahr bis 2020. Zuvor war in den Medien über einen Wechsel zum FC Bayern München spekuliert worden. Dieser wird nun (gegen eine Ablöse) wohl frühestens im kommenden Sommer erfolgen.

Trotz des Arp-Verbleibs haben gleich fünf Offensivspieler den Verein lassen: Nicolai Müller (Eintracht Frankfurt), André Hahn (FC Augsburg), Bobby Wood (Hannover 96), Luca Waldschmidt (SC Freiburg) und Sven Schipplock (Arminia Bielefeld).

Im Gegenzug sparen die Hanseaten Gehälter im zweistelligen Millionenbereich ein. Weitere Mittel kommen hinzu, wenn ein Abnehmer für den wechselwilligen Filip Kostic, einst Rekordeinkauf der Rothosen, gefunden wird.

Der Serbe macht im 4-1-4-1-System von Christian Titz einen Platz frei, den der Ex-Mainzer Jairo Samperio (UD Las Palmas) einnehmen soll. Auf dem technisch starken Spanier ruhen große Hoffnungen. Manch ein Fan träumt schon von einer tödlichen Flügelzange, bestehend aus Jairo und Zauberzwerg Tatsuya Ito.

Für die Breite wurden außerdem Khaled Narey (Greuther Fürth) und Manuel Wintzheimer (Bayern München II) verpflichtet. Beide starten als Herausforderer in die Saison.

  • Fazit: Die Einkaufstour kommt erst noch

Schon jetzt verfügt der Hamburger SV über eine erste Elf, die in der zweiten Liga um den Aufstieg mitspielen kann. Durch die geplanten Verkäufe von Kyriakos Papadopoulos, Albin Ekdal und Filip Kostic winkt dem Klub ein warmer Geldregen. Zusammen könnte das Trio rund 30 Millionen Euro einbringen.

Sobald frisches Kapital verfügbar ist, kann der HSV seinem Sparkurs zum Trotz auf Einkaufstour gehen. Das muss er auch, denn in der zweiten Reihe hat der aktuelle Kader noch viel Luft nach oben.

Heiko Lütkehus

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