27.06.2019 14:47 Uhr

Barišić: "Ein Ungustl würde uns guttun"

Zoran Barišić lenkt seit Mitte Mai die sportlichen Geschicke bei Rapid Wien
Zoran Barišić lenkt seit Mitte Mai die sportlichen Geschicke bei Rapid Wien

Vor etwas mehr als einem Monat wurde die Rückkehr von Zoran Barišić zum SK Rapid offiziell. Seitdem hatte der neue Geschäftsführer Sport keine ruhige Sekunde mehr.

Für weltfussball nahm er sich dennoch ausführlich Zeit und sprach über den Kader, das chronische Scheitern der Eigenbaustürmer und die Trennlinien zwischen ihm und Didi Kühbauer. Beim Thema Matthäus Taferner wurde er emotional.

Den zweiten Teil des ausführlichen Interviews lest ihr hier am Freitag.

weltfussball: Rapid beendete die letzte Saison auf Platz sieben, aber vom Potential her hieß es stets, dass der Kader für den zweiten oder dritten Platz reichen müsste. Gilt das auch für die nächste Saison oder wird man nachbessern?

Zoran Barišić: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass der Kader zumindest ins obere Playoff gehört und in weiterer Folge unter die ersten drei oder vier Mannschaften. In der Vergangenheit hat es aus verschiedenen Gründen nicht gereicht. Wir wollen den Kader jetzt reduzieren und dann punktuell ergänzen. Es gibt immer wieder Angebote für Leistungsträger, da müssen wir so gerüstet sein, dass wir diese adäquat ersetzen können. Wir müssen aber erst den einen Schritt, also die Reduktion, machen, bevor wir den nächsten setzen können.

Wie groß soll der Kader werden?

Jede Position sollte doppelt besetzt sein beziehungsweise mit einigen Talenten gespickt, die man von der zweiten Mannschaft immer wieder hochzieht.

Warum bringt Rapid für sich selbst keine Stürmer hervor? Der letzte grün-weiße Eigenbauspieler, der für Rapid die Zehn-Tore-Marke überschreiten konnte, war Andreas Herzog in der Saison 1991/92.
>> Siehe Artikel vom 16.3.2018: Rapid - Zur Ungefährlichkeit erzogen 

Das ist eine Frage, die ich mir schon seit dem Jahr 2006 stelle. Als ich im Nachwuchs tätig war, war es für mich eine interne Zielvorgabe, dass ich eine Nummer 9 für die Kampfmannschaft hervorbringe. Das ist nicht gelungen, das tut mir weh. Der letzte Topspieler auf dieser Position war Hans Krankl. Das ist ein Punkt, der mich schon lange wurmt.

Als Sie Trainer der Kampfmannschaft waren, konnte man Spieler wie Marcel Sabitzer, hinter dem die ganze Bundesliga her war, zu Rapid holen. Gelingt das heute auch noch? Hat Rapid für solche Spieler nicht ein bisschen an Anziehungskraft verloren?

Nein, das glaube ich nicht. Die jüngste Vergangenheit hat auch gezeigt, dass Rapid ein Sprungbrett sein kann. Das hat sich nicht geändert.

Einige Talente wurden dann aber nicht verpflichtet. Ein Matthäus Taferner beispielsweise geht dann zu Dynamo Dresden.

Gut, dass der Name angesprochen wird, das Thema geht mir ohnehin auf die Nerven. Taferner ist ein guter Spieler, ja. Aber wenn ich ihn hole, mach’ ich den Weg für Nicholas Wunsch zu. Warum soll ich jungen, talentierten Spielern von uns die Tür zumachen?

Dann müssen Sie von Wunsch sehr überzeugt sein.

Ja, er hat sich eine Chance verdient. Er ist 18 Jahre alt. Ich hätte damals auch statt Louis Schaub jemanden holen können, hab’ ich aber nicht gemacht. Wir reden immer von der Ausbildungsschiene, von der Einbindung in die Kampfmannschaft. Dann müssen wir auch Wege freimachen für sie.

Kommen wir von den Talenten zurück in die Gegenwart. Wie kann man Rapid wieder so weit bringen, dass die Mannschaft gegen die kleineren Klubs die "Pflichtsiege" einfährt?

Da fehlt mir ein bisschen der Respekt vor dem Gegner.

Aber ein Verein wie Rapid muss auch nicht die Saison auf Platz sieben beenden.

Das wissen wir. Wir hätten es uns ja auch nicht vorstellen können, es ist aber passiert. Wichtig ist, dass wir uns die richtigen Fragen stellen und daraus lernen. Das Allerwichtigste ist, eine Mannschaft zu haben, die sich für den Klub zerreißt. Spieler, die nicht nur individuell, sondern auch mit dem SK Rapid weiterkommen wollen.  

Braucht es im Team eine sprichwörtliche "Krätzn", einen, der die Wut in der Mannschaft entfachen könnte, wenn es nicht nach Wunsch läuft?

Es ist immer positiv, wenn eine Mannschaft mehrere Charaktere hat, die auch manchmal ungut sein können. Führungspersönlichkeiten, die einmal dazwischenhauen und Reibungspunkte erzeugen. Das wissen wir, aber soll ich sie mir backen? Aber ja: Der eine oder andere sogenannte "Ungustl" würde uns auf dem Platz schon guttun.

Sie hatten immer den Ruf, einen guten Draht zu den Spielern zu haben. Kann man das in der Position des Sportdirektors weiter so handhaben?

Warum nicht? Ich hatte immer einen guten Draht zu meinen Mitspielern, zum Staff. Ich habe zu allen Mitarbeitern des Klubs immer ein gutes Verhältnis gepflegt. Aber das bedeutet ja nicht, dass ich als Trainer nicht hundert Prozent Leistung und Leistungsbereitschaft eingefordert hätte. Im Gegenteil. Als Mensch ist mir Respekt wichtig. Wenn jemand nicht passt oder über die Grenzen geht, schaffst du es entweder, ihn wieder zurückzuholen oder du musst dich von dieser Person trennen.

Wo ziehen Sie die Grenze zwischen Ihrem Einwirkungsbereich auf den Kader und jenem von Trainer Didi Kühbauer - sowohl im sportlichen als auch im zwischenmenschlichen Bereich?

Didi ist der Alleinverantwortliche in punkto taktische Ausrichtung und Aufstellung. Da werde ich ihm definitiv nicht in irgendeiner Art und Weise dazwischenreden. Gespräche mit den Spielern werden wir in Absprache führen. Die Trainer sind in alles, was die Kampfmannschaft betrifft, eingebunden und werden auch in Bezug auf die Zweiermannschaft mehr involviert sein. Wir stehen in ständigem Austausch und es wird keine Alleingänge von mir geben.

Sie galten immer als starker Spielerentwickler. Kann man das auch als Sportdirektor sein oder geht das nur auf dem Trainingsplatz?

Das möchte ich auch gerne wissen, eine interessante Frage. Das kann ich noch nicht sagen, es wird sich weisen. Ich glaube, als Trainer tust du dir leichter, kannst mehr ins Detail gehen. Da hast du viel mehr Möglichkeiten, Spieler auf und neben dem Platz zu entwickeln. Als Sportdirektor kannst du den Spieler nur außerhalb des Platzes mitentwickeln.

Sie waren viele Jahre lang Trainer und sind erst seit ein paar Wochen Sportdirektor. Wie läuft ihr Arbeitstag eigentlich ab? Kommen Sie ins Büro und müssen sich täglich neu organisieren oder erfinden Sie ihre Rolle selbst neu?

Ich muss mich schon neu organisieren, habe viele Termine wahrzunehmen und viele Telefonate zu führen. Momentan gibt es kein Familienleben, es gibt auch keine Zeit für mich selbst, aber das wussten wir. Wie es in jedem neuen Job ist, ist es auch bei mir so, dass man sich einmal zurechtfinden muss. Sich ein Bild davon machen, wie der Verein aufgebaut ist.

Teil zwei des großen weltfussball-Interviews mit Zoran Barišić geht am Freitag online: Rapids Sportdirektor spricht dann über den Umbau der Scoutingabteilung als eine seiner ersten großen Amtshandlungen, Spieler, die immer schneller den nächsten Schritt machen, den Wunsch nach einer Zeitmaschine und warum er braucht, was niemand hören will.

David Mayr und Johannes Sturm

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