05.09.2013 11:42 Uhr

Wirtschaftskrise in Spanien treibt Profis nach Bolivien

Miguel Ángel Portugal war ein Pionier für spanische Fußballer in Bolivien
Miguel Ángel Portugal war ein Pionier für spanische Fußballer in Bolivien

Während Real Madrids Rekordverpflichtung von Gareth Bale als Ausnahme die Regel bestätigt, kämpfen viele spanische Klubs in der Wirtschaftskrise um das Überleben. Immer mehr Profis suchen Alternativen im Ausland – sogar in Südamerikas schwächster Liga.

Zwischen Lateinamerika und der iberischen Halbinsel findet seit Jahrhunderten eine rege Pendelmigration statt, die derzeit wieder gen Westen auszuschlagen scheint.

Wegen der Wirtschaftskrise der letzten Jahre kehren nicht nur viele Lateinamerikaner in ihre Heimatländer zurück, sondern auch Spanier versuchen ihr Glück in den aufstrebenden Nationen der neuen Welt. Unter den Wirtschaftsflüchtlingen: Fast ein Dutzend spanischer Fußballprofis.

Trainer Portugal als erstes Glied der Migrationskette

Jede Migrationskette hat ihren Anker. Für die spanische Legion in Bolivien war dies Miguel Ángel Portugal, der Mitte 2012 als Trainer beim Rekordmeister Bolívar unterschrieb. Portugal hatte einst Racing Santander ins Halbfinale der Copa del Rey geführt und war als spanischer Übungsleiter keine Neuheit in Südamerika.

Ein halbes Jahr später erhielt er einen Anruf von Gerardo García Berodia, Mittelfeldspieler Anfang 30, der als Ersatzspieler beim Zweitligisten CD Lugo perspektivlos war. Man kannte sich aus der Jugend von Real Madrid. García Berodia hatte von seinem Berater ein Angebot des bolivianischen Erstligisten Jorge Wilstermann erhalten und wollte Informationen über die Arbeitsbedingungen im noch immer ärmsten Land des Kontinents.

Bolivien war für García Berodia kein völlig unbeschriebenes Blatt, hatte er doch als 15-Jähriger mit Real an einem Jugendturnier in Santa Cruz teilgenommen. Der Durchbruch bei den Königlichen gelang nie. Von Vertrag zu Vertrag hangelte er sich durch die zweite und dritte Liga. "Ich spielte zuletzt kaum und als die Transferphase im Winter begann dachte ich: 'warum nicht?!'", so der Linksfuß über seinen Abgang.

Wilstermann statt CD Lugo – Blooming statt Regensburg

Der Migrationspfad war eingeschlagen. Ihm folgten in diesem Sommer Félix Quero und David Mainz nach Cochabamba, ebenfalls perspektivlose Zweitligareservisten. Trainer Portugal lockte drei weitere spanische Profis ins Hochland. Auch Aurora und Universitario Sucre verstärkten sich erstmals in ihrer Geschichte mit europäischen Profis. Bei Blooming unterschrieb Sergio 'Keko' Contreras, ein Weltenbummler, der bereits in acht Ländern die Stiefel schnürte und zuletzt bei Jahn Regensburg unter Vertrag stand.

Keiner der Spanier in Bolivien ist jünger als 27, die meisten von ihnen über 30 Jahre alt. Allesamt standen sie bei spanischen Zweit- oder Drittligisten unter Vertrag und sorgten sich vermutlich um eine Weiterbeschäftigung.

Gehälter in Spanien um 100 Millionen Euro gesunken

Jenseits der Großen der Primera División haben viele kleinere Vereine einen Großteil ihrer Sponsorengelder verloren. "Es hat ein radikaler Gehälterschnitt stattgefunden", zitiert die chilenische Zeitung "La Tercera" Miguel Cardenal, Präsident der staatlichen Behörde für Sport (CSD). Folglich herrscht starke Konkurrenz um die Arbeitsverträge. Für viele ist ein Wechsel ins Ausland die einzige Option, um weiterhin ihren Monatslohn auf dem Spielfeld zu erarbeiten. "Spanien ist ein Exportland für Fußballer geworden", fasst Cardenal die prekäre Situation zusammen.

Spaniens Jugendfußball hat in den letzten Jahren unzählige gute Spieler ausgebildet, die in anderen Ligen willkommen sind. Vor allem in England, der Schweiz und Griechenland tummeln sich jeweils mehrere Dutzend spanische Profis. In der Premier League sind einige Topstars. In den anderen Ligen bilden die Spanier eher den Mittelbau der Spielerschaft, wo Gehälter sicher gezahlt werden (Schweiz) oder das Land über keinen starken nationalen Nachwuchs verfügt (Griechenland).

Blickt man nun nach Lateinamerika, so sind es dort vor allem die mexikanische und die chilenische Liga, die massiv Profifußballer importieren. In beiden Ländern werden durchaus Gehälter gezahlt, die mit jenen von kleinen europäischen Klubs konkurrieren können (Chile) oder darüber liegen (Mexiko). Die Lücken der nationalen Ausbildung werden mit Profis aus Argentinien und zunehmend auch aus Kolumbien gefüllt.

Boliviens Liga sportlich unattraktiv für Ausländer

Bolivien ist mit der sportlich und wirtschaftlich schwächsten Liga des Kontinents für südamerikanische Spieler nicht attraktiv. Vielleicht sind aber die geringen Lebenshaltungskosten ein Argument für die Spanier. Die Klubverantwortlichen der Erstligisten, häufig regionale Grundherren, bieten den Neuzugängen ein Rundum-Paket mit Wohnung in einer schicken Gated Community, Hausangestellten und Fahrservice.

"Ich habe meine Familie mittlerweile hierher gebracht", so García Berodia, der zum Publikumsliebling wurde und gar seine Laufbahn in Bolivien beenden will. Hochdiplomatisch äußert er sich über das Land und seinen Fußball. Bei Taktik, Tempo und Technik gebe es keine Unterschiede zu Europa, so García. Nur die Höhenlage einiger Spielorte mache ihm zu schaffen. Und: "Die Spielflächen sind deutlich schlechter. Der Rasen ist sehr hoch und wird vor dem Spiel nicht gewässert. Das macht das Spiel langsamer."

Viktor Coco

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten