20.05.2024 09:15 Uhr

Salzburgs holprige Saison mit Seltenheitswert

Salzburg war am Sonntag ca. eine Stunde lang Meister
Salzburg war am Sonntag ca. eine Stunde lang Meister

Salzburg steht vor den Trümmern einer durchwachsenen Saison. Die beeindruckende Serie ist nach zehn Championaten en suite gerissen, Sturm Graz der neue Fußballmeister. Es ist der erste große Rückschlag seit Ralf Rangnick 2012 eine neue Ära begründete, die dem Klub Jahr für Jahr Titel, internationale Erfolgserlebnisse und schwindelerregende Transfereinnahmen einbrachte. Angedeutet hat sich der K.o. schon seit Monaten, jetzt soll ein neuer Trainer alte Tugenden zurückbringen.

"Wenn Salzburg auslässt, müssen wir da sein." Einem oft vernommenen Spruch der Salzburger Konkurrenz verlieh Sturm heuer erstmals auch Glaubwürdigkeit. Mit beeindruckender Konstanz und dem unbedingten Glauben an den Triumph kauften die "Blackies" dem auf dem Papier klar favorisierten Ligakrösus nach drei Vizemeistertiteln en suite diesmal tatsächlich die Schneid ab.

Es ist ein Resultat, das sich Salzburg bei allem Respekt vor Sturms Leistungen auch selbst zuschreiben muss. Dabei hatte die Saison trotz des plötzlichen Trainerwechsels durchaus vielversprechend begonnen. Gerhard Struber übernahm für den einen Tag vor Ligastart nach Saudi-Arabien gewechselten Matthias Jaissle und sah bei seinem Debüt genau jenen "attraktiven, proaktiven Fußball", den er bei seiner Vorstellung angekündigt hatte. Dass der Ur-Salzburger gut acht Monate später bereits Geschichte sein würde, war da noch nicht abzusehen.

Salzburg schien dank eines trefferfreudigen Karim Konaté, Mads Bidstrup und Oscar Gloukh einmal mehr ebenso namhafte wie ertragreiche Abgänge zu kompensieren, die Abgänge von Nicolas Seiwald, Noah Okafor oder Benjamin Sesko fielen nicht ins Gewicht. Vorerst zumindest. In der Liga lief es alles nach Plan, auch der erfolgreiche Champions-League-Auftakt bei Benfica Lissabon ließ die Fans von einer weiteren Erfolgssaison träumen.

Sturm nutzte Salzburgs Schwächen aus

Was vielversprechend begann, schlug sich im Laufe des Herbsts aber nicht in einer deutlichen spielerischen Weiterentwicklung nieder. Struber, dessen Team in der CL gegen Inter Mailand und Real Sociedad wenig zu bestellen hatte und gegen Benfica im letzten Heimspiel dramatisch aus dem Europacup flog, musste immer wieder das Fehlen der "Basics" bemängeln - und freilich auch Verletzungen beklagen. Der scheinbar wiederentdeckte Markenkern - intensives Pressing, hohes Tempo und viele Tore - verblasste, auch wenn es für den Titel zu reichen schien. Noch am 31. März - die Meistergruppe war zwei Runden alt - schaute die Welt dank eines Fünf-Punkte-Plus' auf die Grazer recht freundlich aus.

Dann aber ging für die "Bullen" mit dem verlorenen Cup-Halbfinale gegen Sturm so ziemlich alles schief. Die Grazer erhielten hingegen einen weiteren mentalen Schub. Struber wurde per Reißleine durch Interimscoach Onur Cinel ersetzt, der erhoffte Impuls blieb vorerst aber aus. Salzburg stolperte über Klagenfurt, den LASK und Rapid - es sollte zu spät sein.

Die Stärke Sturms "schärft unsere Sinne", hatte Neo-Sportdirektor Bernhard Seonbuchner noch zu Saisonbeginn bemerkt. Eine Salzburger Mannschaft, die gerade im Frühjahr oftmals nicht wie eine Einheit auftrat und wohl auch nicht ganz an die individuelle Qualität vergangener Saisonen reichte, wirkte über Phasen der Meistergruppe freilich eher wie benebelt. Nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Kicker seit geraumer Zeit in Gedanken bereits bei anderen Klubs weilte.

In den kommenden Wochen hat Seonbuchner, seit September Nachfolger von Erfolgsgarant Christoph Freund, nun Zeit, das angeschlagene Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Mit der Verpflichtung von Jürgen Klopps "Co" Pepijn Lijnders tätigte man bereits am vergangenen Mittwoch eine klare Ansage. Der 41-jährige Niederländer kündigte "offensive Spielweise", "Leidenschaft" und "Erfolgshunger" an.

Der erste Kader unter der Ägide von Seonbuchner/Lijnders wird einer sein, der erstmals nach fünf Jahren mit CL-Fixtickets wieder in die Qualifikation muss. Wie immer kündigen sich mehrere Abgänge an. Unter anderem Luka Sucic, Strahinja Pavlovic oder Oumar Solet dürften das Weite suchen. Nicht zuletzt muss man sich für eine Saison in Überlänge rüsten. Die Gruppenphase der neuen Champions League dauert bis Ende Jänner. Und im Anschluss an die kommende Saison ist Salzburg erstmals bei der Klub-WM in den USA engagiert. Dann wird man auch wissen, ob Salzburg nur eine Schaffenspause eingelegt hat, oder Sturm sogar eine echte Wachablöse im heimischen Fußball herbeiführen konnte.

apa

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