02.06.2014 11:26 Uhr

Wettanbieter ruft nach Selbstbeschränkung

Wolfram Kessler, Leiter der Rechtsabteilung des Wettanbieters tipico, fordert eine Selbstbeschränkung der Branche
Wolfram Kessler, Leiter der Rechtsabteilung des Wettanbieters tipico, fordert eine Selbstbeschränkung der Branche

Seit dem Fall Taboga ist klar, auch in Österreich ist die international agierende Wettmafia höchst aktiv. Besonders im Fokus der Kritik stehen die Ereigniswetten. weltfussball sprach über manipulationsanfällige Wetten, Selbstbeschränkung der Branche und wettsüchtige Spieler mit Wolfram Kessler, Leiter der Rechtsabteilung von tipico, dem neuen Namenssponsor der österreichischen Bundesliga.

weltfussball: Ereigniswetten stehen unter Kritik, wie stehen Sie als Wettanbieter dazu?
Wolfram Kessler: Ereigniswetten sind wichtiger Bestandteil des Wettprogramms aller großen Sportwettanbieter. Dabei gilt es jeden Tag die Risiken abzuwägen. Wir können uns nicht erlauben, manipulierte Ereignisse im Programm zu haben. Zumindest theoretisch stellen Ereigniswetten höheres Risiko für Spielmanipulation dar, da in der Regel schon ein einzelner Spieler bestimmte Ereignisse beeinflussen kann. Das ist beim Spielergebnis anders. Jedoch wird der tatsächliche Anreiz jedenfalls bei seriösen europäischen Wettanbietern dadurch verringert, dass auf solche Einzelereignisse in der Regel nur geringe Wetteinsätze akzeptiert werden. Die geringen Gewinnerwartungen gepaart mit dem hohen Entdeckungsrisiko verringern daher die Manipulationsgefahr erheblich.

Von welchen Ereignissen sprechen wir da?
Der oft zitierte Klassiker ist die Wette auf das nächste Foul oder die nächste rote Karte. "In der 30. Minute haue ich die Nummer drei um und krieg ne Rote Karte". Theoretisch ist das natürlich manipulierbar. Praktisch werden solche Wetten aber bei uns kaum angeboten. Wenn derartige Ereignisse bewettbar sind, dann mit geringen Einsätzen. Ein wirklich Anreiz besteht da im Profibereich sicher nicht. Deswegen erscheint das Gesamtthema derzeit ein bißchen aufgebauscht. Ich sehe das Problem eher im Bereich der Amateurligen und Jugendligen.

Wenn die Umsätze so gering sind, dann könnte man ja auch Ereigniswetten ja auch verzichten?
Solange ein gesetzlicher Rahmen fehlt, ist in diesem Bereich die Industrie gefordert. Wir arbeiten daran, eine branchenübergreifende Selbstbeschränkung im Jugend- und Amateurbereich zu vereinbaren. Das ist jedoch nicht einfach, da die Interessen hier durchaus unterschiedlich sind und oftmals schwierige Definitionsfragen zu langen Diskussionen führen. Es bringt jedoch auch nichts, wenn ein einzelner Anbieter vorprescht. Im Internet ist der nächste Anbieter mit Ereigniswetten nur einen Mausklick für den Kunden vom Anbieter ohne Ereigniswette entfernt.

Wer soll das machen?
Eine gut durchdachte gesetzliche Regelung, die die gesamte Branche bindet, wäre sicher der Königsweg. Leider wird in der Politik zu oft mit plakativen Pauschalurteilen gearbeitet. Das bringt die Sache aber nicht weiter. So ist nicht jede Livewette eine Ereigniswette und auch nicht jede Ereigniswette ist besonders manipulationsanfällig. Nehmen Sie zum Beispiel eine der populärsten Live- und Ereigniswetten, die Wette auf das nächste Tor. Was soll da der einzelne Spieler machen, um zu manipulieren? Das kann er nicht. Da wäre eine Beschränkung des Gesetzgebers sicher kontraproduktiv und würde Wettkunden in den illegalen Markt drängen.

Im Fall Taboga gab es den Versuch eines Elfmeterfouls, nur wurde der Strafstoß nicht gepfiffen. So gesehen wäre dieses Ereignis schon manipulierbar?
Richtig, das könnte man, aber die Wahrscheinlichkeit dass das in der Kausalität eintritt, ist doch sehr gering. Wenn wir bei einem Ereignis erhöhtes Wettaufkommen registrieren, dann fällt bei uns auf, dass es manipuliert war und wird gesperrt.

Wenn es zu keinem branchenweiten Commitment kommt, gibt es einen Plan B?
Plan B ist, dass wir selbst voran gehen. Meine favorisierte Lösung wäre natürlich, dass es europaweit eine einheitliche Regelung für alle gibt. Das ist aber nicht realistisch innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahren. Zweite Möglichkeit wäre eine nationale gesetzliche Lösung, aber davon sind wir in Österreich auch rund zwei Jahre entfernt. Und die dritte Möglichkeit wäre der von mir angesprochenen Konsens der Industrie. Da will ich hin, mit einem Zeithorizont von ein paar Monaten. Wenn das nicht funktioniert, weil zum Beispiel die Empfindlichkeiten in der Branche zu groß sind, dann werden wir selbst, eventuell mit einigen anderen Partnern, eine Beschränkung umsetzen.

Wettanbieter wünschen sich einerseits eine aktivere Rolle des Gesetzgeber, wollen aber ihre eigene Branche nicht schlecht reden. Wie geht man mit diesem Spannungsfeld um?
Ich glaube allen Wettanbietern ist bewusst, dass die Branche ein schlechtes Image hat. Meiner Meinung nach hat sie das explizit in Mitteleuropa zu unrecht, weil die Wettanbieter in der Regel selbst die Leidtragenden von Manipulationen sind. Das Problem ist schon einmal die Terminologie "Wettskandal". Der Skandal ist ja nicht die Wette, sondern die Spielmanipulation. Wir als als Veranstalter sind betrogen, denn bei unerkannt manipulierten Spielen zahlen wir ja Gewinne aus. Das wird in der Öffentlichkeit oft falsch dargestellt. Wir sind  die Verbündeten des Sports. Erfolgreiches Wettanbietertum setzt voraus, dass der Sport integer ist.

Es gibt ja auch Negatives in der Branche. Wettsucht, die bis hin zur Beschaffungskriminalität führt. Unterklassige Spieler, die ihre Freizeit in Wettcafes verbringen und dort in ein zwielichtiges Milieu abrutschen.
Das ist genau der Punkt, den ich oben angesprochen habe. Eine gesetzliche Regelung im Jugend- und Amateurbereich fände ich sinnvoll. Das ist genau dieses Spannungsverhältnis Regionalligen, Amateurligen wo plötzlich die Einsätze für die Spieler relevant sind, wo es einen Anreiz gibt. Der Bereich Jugend- und Spielerschutz ist für uns sehr wichtig. Und da gibt es auch eine Fehlwahrnehmung bei vielen Journalisten. Der spielsüchtige Spieler ist für uns kein interessante Kunde, der ist ein Geschäftsrisiko. Ich habe hier ein juristisches Risiko, dass der Spielsüchtige mit dem Brief des Anwalts seine Einsätze zurückfordert, da er ja aufgrund Spielsucht nicht geschäftstüchtig war. Das macht er natürlich nur, wenn er verliert. Neben der unternehmerischen Verantwortung haben wir auch wirtschaftlich höchstes Interesse daran Spielsüchtige vom Spielen abzuhalten und Präventionsarbeit zu leisten.

Zum Thema Anreiz, gerade die zweithöchste österreichische Liga bietet ja viele Angriffspunkte für Manipulationen wie niedrige Gehälter, viel Freizeit aufgrund unzureichender Betreuung des Vereines.
Das ist uns durchaus bewusst und wir stellen uns auch diesem Thema. Wir haben gezielt damit begonnen im Präventionsbereich Gespräche zu führen. Ich war beim Verein "Play Fair Code" und wir werden mit Sicherheit eine Partnerschaft eingehen, weil ich das für essentiell halte. Wir sind ja nicht nur Opfer der Manipulation, wir erkennen diese ja auch. Wenn "Play Fair Code" auf der einen Seite und Buchmacher auf der anderen zusammenarbeiten, haben wir ein ganz effizientes Mittel Manipulationen zu verhindern. Und wenn sich das herumspricht, deswegen ist Öffentlichkeitsarbeit so wichtig, dass Manipulation offensiv und aktiv angegangen wird, können wir das in Zukunft verhindern

Aber das ändert ja nichts an den Anreizen eines Spielers mit 1.100 Euro Bruttolohn und zu viel Tagesfreiheit. Da hilft es doch nicht, dass Sie einen Ausschlag beim Livewetten erkennen.
Das sehe ich nicht so, weil der Anreiz bei den in Österreich etablierten Unternehmen nicht mehr gegeben ist. Weil der Spieler in dem Moment weiß, dass, wenn er bei einem in Österreich tätigen Anbieter manipulierte Wetten setzt, diese entdeckt werden. Das verhindert aber nicht, dass derselbe Spiele hohe Beträge in Asien setzen kann. Das Risiko bleibt bestehen und das ist Aufgabe des Staates gegen solche illegale Mittel vorzugehen. Nur so kann der Markt auch funktionieren.

Mehr dazu:
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Clemens Schotola

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