09.12.2014 15:12 Uhr

Neue Stars, alte Eisen und viele Sorgen

Der Meister macht's noch mal, die Aufsteiger sorgen für ein Kuriosum, ein Traditionsklub stürzt ab und der neue Superstar ist gefunden: Die brasilianische Série A schrieb im Jahr der WM ihre eigenen Geschichten.

Nach den vier aufregenden WM-Wochen im Sommer holte der Alltag die brasilianischen Fußballfans schnell wieder ein. Statt rauschenden Festen an der Copacabana und berauschenden Spielen auf der größten Bühne des Fußballs richtete sich der Fokus wieder auf die sportlich triste und qualitativ mittelmäßige Série A. Von der Weltmeisterschaft selbst blieb mit Ausnahme der neuen Stadien nur wenig hängen.

Alter und neuer Meister...
...der Série A ist der Cruzeiro Esporte Club aus Belo Horizonte. Nach den Plätzen neun und 16 in den Jahren 2011 und 2012 hat der Verein aus dem Südosten die Konkurrenz aus Rio und São Paulo abermals abgehängt. Das Team von Erfolgstrainer Marcelo (seit Januar 2013 im Amt) kassierte die wenigsten Niederlagen (6), schoss die meisten Tore (67) und stellte die drittbeste Abwehr (38 Gegentore) der Liga. An 33 von 38 Spieltagen stand der jetzt vierfache brasilianische Meister an der Tabellenspitze. Mit dem Sturmduo Marcelo Moreno/Ricardo Goulart (je 15 Saisontore) hatte Cruzeiro zwei zuverlässige Goalgetter, die für den starken Schlussspurt von zehn ungeschlagenen Spielen in Serie (sechs Siege, vier Remis) hauptverantwortlich waren.
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Die größte Blamage...
...setzte es für den brasilianischen Vereinsfußball auf internationaler Ebene. Zum ersten Mal seit 1991 (!) stellte die Serie A in der prestigeträchtigen Copa Libertadores nicht einen einzigen Halbfinal-Teilnehmer. Vier Mal kam der Sieger der südamerikanischen Champions League zuletzt aus Brasilien, diesmal scheiterte der letzte Vertreter bereits im Viertelfinale. Die Sorge, dass die Vereine aus Argentinien auch in den kommenden Jahren den Ton angeben, ist nicht unbegründet.

Die Verlierer der Saison...
...sind der fünffache Meister Botafogo aus Rio und der EC Vitoria aus Salvador. Vitoria hatte als Aufsteiger in der Spielzeit 2013 noch einen sensationellen fünften Platz belegt, muss nun aber den bitteren Gang in die Série B antreten. Noch schlimmer traf der Abstieg den Traditionsverein Botafogo. Als renommierter Stammgast der oberen Tabellenhälfte folgte in diesem Jahr der Absturz in die Zweitklassigkeit. Desaströs verliefen vor allem die Auftritte in fremden Stadien, in denen die Mannschaft nur fünf von 57 möglichen Punkten holte und nur alle 244 Minuten ein Tor erzielte.

Die vier Aufsteiger...
...Palmeiras, Chapecoense, Recife und Figueirense sorgten indes für ein echtes Kuriosum und konnten auf einer einzigen großen Party auf den Klassenerhalt anstoßen. Alle vier Neulinge behaupteten sich in der Liga und vermieden den direkten Wiederabstieg.

Der "neue Neymar"...
...heißt Lucas Silva, ist 21 Jahre jung und die Entdeckung der Saison. Der technisch begabte und mit dem Auge für den tödlichen Pass ausgestattete Sechser zieht im Mittelfeld von Meister Cruzeiro die Fäden. Noch, denn mit Real Madrid hat bereits ein ganz Großer seine Fühler ausgestreckt. "Wir sind an Lucas Silva interessiert", gab Real-Coach Carlo Ancelotti ungewöhnlich offen zu. Und auch Silva selbst sieht sich schon mit einem Bein in der spanischen Hauptstadt: "Natürlich würde ich gerne für Real spielen. Es wäre eine große Ehre. Sollte Madrid ein Angebot vorlegen, könnte ich es nicht ablehnen." Im ersten Anlauf haben sich die Vereine noch nicht auf eine Ablösesumme einigen können, locker lassen werden die Königlichen so schnell aber sicher nicht.

Auf Abschiedstournee...
…befanden sich in dieser Saison zwei Spieler mit Kult-Status. Ex-Bundesligakicker Zé Roberto (Leverkusen, Bayern, Hamburg) hat in 31 Einsätzen bewiesen, dass man auch mit 40 Jahren noch nicht zum alten Eisen zählt. Gleiches gilt für den torgefährlichsten Keeper aller Zeiten, Rogério Ceni. Wie oft der 41-Jährige in seiner Karriere insgesamt getroffen hat, weiß wohl niemand so genau. In dieser Saison kamen zumindest acht weitere Treffer hinzu. Die Verträge der beiden Altstars laufen Ende Dezember aus. Sollten sie nicht noch ein Jahr dranhängen, würde die Serie A zwei ihrer bekanntesten Gesichter verlieren.

Die positiven Nachwehen der WM...
...hielten nicht besonders lange. Zwar profitieren einige Regionen von der modernisierten Infrastruktur, die Gesamtkosten der WM in Höhe von 12 Milliarden Euro und die neuen Stadien haben sich jedoch in keinster Weise rentiert. Weder wirtschaftlich noch sportlich. Der Zuschauerschnitt der Serie A ist im Vergleich zum Vorjahr von 15893 auf 16931 nur gering gestiegen. Damit einige der teuren Bauwerke überhaupt einen Nutzen haben, werden Spiele aus den unteren Ligen in die WM-Arenen verlegt. Gespielt wird vor fast leeren Rängen. Die größten Proteste in der Geschichte des Landes sollten vor, spätestens nach der Weltmeisterschaft etwas bewegen. Wirklich was geändert hat sich bis heute nicht.

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Christian Schenzel

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