18.04.2015 10:00 Uhr

Herrera: Auf den Spuren von Paul Scholes

Ander Herrera bejubelt einen Treffer für Manchester United
Ander Herrera bejubelt einen Treffer für Manchester United

Mit einer Ablösesumme von 36 Millionen Euro war Ander Herrera der zweitteuerste Neuzugang von Manchester United im vergangenen Sommer. Der spanische Mittelfeldspieler brauchte einige Monate Anlaufzeit, hat mit starken Leistungen in den letzten Wochen aber maßgeblichen Anteil am Aufschwung des Tabellendritten der Premier League. Ähnlich wie sein Vorbild Paul Scholes könnte Herrera in Manchester eine Ära prägen.

Louis van Gaal ist vieles: ein vom Fußball besessener akribischer Arbeiter, eine oft unbequeme Autoritätsfigur und nicht zuletzt ein Trainer von Weltformat. Als liebevoller Mensch war der Teammanager von Manchester United bislang allerdings weniger bekannt.

Umso verwunderlicher ist es, dass van Gaal beim 3:1-Sieg seiner Mannschaft gegen Aston Villa Anfang April Anwandlungen von Zärtlichkeit zeigte. Ja, er habe Doppeltorschütze Ander Herrera nach dessen Führungstreffer in der 43. Minute geküsst, gab der knorrige Niederländer im Anschluss an die Partie mit einem Augenzwinkern zu, weil sein Schützling den Ball dabei "zum ersten Mal in seinem Leben kontrolliert auf das Tor geschossen" habe.

Wendepunkt bei Swansea City

Wenige Monate zuvor war van Gaals Zuneigung für den vor der Saison von Athletic Bilbao losgeeisten 25-Jährigen noch nicht so stark ausgeprägt. Zu durchwachsen ließ sich Herreras Gastspiel bei United an. Er bekam regelmäßig nur Einsätze auf der ungeliebten Außenbahn und war für seinen Coach verzichtbar: Zwischen dem 3:0 gegen Liverpool vor Weihnachten und dem 1:2 bei Swansea Ende Februar absolvierte Herrera insgesamt gerade einmal 225 Premier-League-Minuten.

Ausgerechnet die Schlappe beim walisischen Mittelklasse-Klub markierte allerdings die Wende. Seitdem fuhr United in sechs Ligaspielen ebenso viele Siege ein und hat vor dem Topspiel bei Chelsea am Samstag (ab 18:30 Uhr im weltfussball-Liveticker) nur noch acht Punkte Rückstand auf den Spitzenreiter. Herrera selbst überzeugte van Gaal während der Erfolgsserie auf ganzer Linie, erarbeitete sich einen unumstrittenen Stammplatz und verpasste nur noch sieben Spielminuten: nach seiner Auswechslung kurz vor Schluss beim 2:1-Erfolg in Liverpool.

Aufblühen im "Maschinenraum"

Hauptgrund für die Leistungsexplosion des Spaniers ist seine Versetzung in die Mittelfeldzentrale. Dort wird Herrera vom wiedergenesenen Michael Carrick defensiv entlastet und kann so Offensivdrang und Kreativität ausleben. Mit fünf Treffern und vier Torvorlagen ist er fünftbester Scorer des Teams. Effizienter sind bei United in dieser Spielzeit bislang nur Rooney, Di María, van Persie und Juan Mata.

Vor allem mit seinem ebenfalls formverbesserten Landsmann versteht sich Herrera prächtig. Die "Iberische Achse" ist inzwischen ein Prunkstück Uniteds und die Wertschätzung Matas für den Nebenmann riesig: "Er ist auf und neben dem Platz ein Genie", schrieb der Welt- und Europameister nach Herreras Galavorstellung bei Villa auf seiner Webseite.

Paul Scholes als großes Vorbild

Ähnlich überragend ist das Standing des einst bei Real Zaragoza ausgebildeten Millionentransfers bei den Fans von United. Dank seiner Bodenständigkeit und Begeisterung für die englische Fußballkultur hat Herrera im Old Trafford sogar das Zeug zum Publikumsliebling. Dass van Gaal zwischenzeitlich so häufig auf ihn verzichtete, brachte dem früheren Bayern-Trainer viel Kritik aus dem Umfeld des Klubs ein.

Sympathisch macht Herrera in den Augen der Anhänger zudem auch die öffentlich zelebrierte Verehrung einer absoluten United-Ikone: Paul Scholes. Im Interview mit dem "Telegraph" schwärmte der Spanier kürzlich nicht zum ersten Mal von seinem großen Vorbild: "Er ist vielleicht der bedeutendste Mittelfeldspieler in der Vereinsgeschichte. Ich wünsche mir, dass ich eines Tages genauso wichtig für die Fans bin. Aber dafür muss ich noch sehr, sehr hart arbeiten."

Taktgeber und Integrationsfigur

Die fußballerischen Fähigkeiten, um in die großen Fußstapfen des Idols zu treten, hat Herrera zweifellos. Wie Scholes kann er das Tempo des Spiels und so den "Herzschlag" der Mannschaft bestimmen. Er verfügt über einen ausgezeichneten Blick für die Mitspieler und sein Gefühl für den Raum ist stark ausgeprägt, sodass er den tödlichen Pass spielen kann.

Nach seiner kurzen Zeit in Manchester gilt Herrera zudem bereits als psychologisch wichtiger Baustein des Teams und Integrationsfigur. "Es ist beeindruckend, wie er mit den anderen Spielern spricht", berichtet der 19-jährige United-Youngster Andreas Pereira auf der Klubhomepage.

"Im richtigen Team, in der richtigen Liga und im richtigen Land"

Sein Engagement auf der Insel sieht Herrera als langfristiges Projekt. "Ich bin sehr glücklich und träume davon, hier lange zu bleiben, weil ich im richtigen Team, in der richtigen Liga und im richtigen Land bin", sagt er in der Stadionzeitung "United Review".

So dürften Gerüchte über einen möglichen Wechsel zum FC Barcelona aus der Luft gegriffen sein. Stattdessen wird der Spanier United nach der Horrorsaison 2013/2014 in dieser Spielzeit aller Voraussicht nach mindestens zurück in die Champions League führen und dann versuchen, in den kommenden Jahren eine Ära in Manchester zu prägen – auf den Spuren von Paul Scholes.

Tobias Knoop

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