14.06.2015 14:53 Uhr

Argentinier geben den Ton an

Zwischen Genie und Wahnsinn: Chiles Nationaltrainer Jorge Sampaoli
Zwischen Genie und Wahnsinn: Chiles Nationaltrainer Jorge Sampaoli

Zwölf Nationen kämpfen bei der Copa América um den Titel. Die Hälfte davon setzt auf Trainer aus Argentinien. Jeder hat auf seine Art Erfolge gefeiert. Dank großem Know-How und hohen Ambitionen.

Beim Karlsruher SC zog er einst Stars wie Mehmet Scholl oder Oliver Kahn groß, später holte der Mann mit der Löwenmähne mit den "unbezähmbaren Löwen" den Afrika-Cup nach Kamerun. Nach Zwischenstopps in Arabien, Aserbaidschan und Thailand trainiert Winfried Schäfer mittlerweile seit zwei Jahren die Nationalelf Jamaikas. Den Titel "Paradiesvogel" hat sich der 65-Jährige dank seiner illustren Laufbahn redlich verdient. Bei der Südamerikameisterschaft ist der Blondschopf allerdings nicht der einzige Übungsleiter, der als ausländischer Trainer "aus der Reihe tanzt".

Nicht weniger als sechs der zwölf Teilnehmer setzen auf Cheftrainer aus dem Land des Vize-Weltmeisters. Dabei handelt es sich wahrhaftig nicht um veraltete Fußballlehrer, die sich fern der Heimat die Rente aufbessern. Argentinier als Taktikfüchse und Charakterköpfe sind auf dem südamerikanischen Kontinent seit Jahren ein Exportschlager.

Know-How und Ambitionen

In der chilenischen Liga sind es vier, in der mexikanischen gar sechs Klubs, bei denen ein argentinischer Übungsleiter an der Seitenlinie die Verantwortung trägt. Bei der Copa América ist die Quote ähnlich hoch. Und das nicht ohne Grund. Die "Gauchos" auf den Bänken bringen nicht nur eine Menge Know-How mit, sondern gehen auch allesamt mit großen Ambitionen in das Turnier.

Allen voran natürlich der Coach der "Albiceleste", Gerardo Martino. Im Gegensatz zu seinen Spielern hatte er vor vier Jahren mit Paraguay bereits das Finale der Copa América erreicht – während Messis Mannschaft sich eine Runde vorher verabschieden musste. Die Qualitäten des 53-Jährigen sind unbestritten, auch wenn er sie als Vereinstrainer in Barcelona nicht wirklich zeigen konnte.

Beim 2:2 gegen Paraguay im Auftaktspiel begegnete Martino seinem Landsmann Rámon Díaz. Mit seinem routinierten Kader um "Ich Roque" Santa Cruz, Lucas Barrios und Nelson Valdéz sorgte er für die erste Überraschung der Copa. Díaz selbst spielte lange Jahre in Italien, wo er 1989 an der Seite von Matthäus und Brehme mit Inter Meister wurde. Später erarbeitete er sich vor allem bei River Plate den Ruf eines Toptrainers. Sechs Meistertitel und die Copa Libertadores sprechen für ihn.

Die große Unbekannte bei Ecuador

Selbst in Südamerika deutlich unbekannter ist Ecuadors Gustavo Quinteros der neben der argentinischen auch die bolivianische Staatsbürgerschaft besitzt. In Bolivien coachte Quinteros verschiedenen Klubs und auch die Landesauswahl, bevor er nach Ecuador zu Emelec wechselte und nach zwei Meisterschaften zum Nationaltrainer befördert wurde.

Er trifft in der Gruppe A unter anderem auf Gastgeber Chile, das bereits seit 2007 auf argentinische Trainer schwört. Damals begann unter dem Kultcoach Marcelo Bielsa eine Ära, die unter Jorge Sampaoli 2014 in einer hervorragenden Weltmeisterschaft gipfelte.

Sampaoli von Erfolg und Kontrolle besessen

Sampaoli stammt wie auch Martino und Bielsa aus der Trainerschule von Newell's Old Boys in Rosario und gilt als größter Verehrer seines verrückten Vorgängers auf der chilenischen Bank. Nicht nur, dass er während seiner Ausbildung beim Joggen die Pressekonferenzen von Bielsa hörte, auch ist er wie dieser vom Fußball und dessen totalen Erforschung und Kontrolle besessen.

Als einmal ein Lokalsender eine Drohne über dem Trainingsgelände der Chilenen kreisen ließ, brach er das Training ab und rief die Polizei. "Ich will immer verhindern, dass uns jemand beobachtet. Wir wollen den Gegnern keine Informationen ermöglichen. Manchen Trainern ist das egal – mir nicht. Ein Detail oder ein einstudierter Spielzug kann über Sieg und Niederlage entscheiden. "

Pekermans Albtraum im Sommermärchen

Sampaoli hatte seine Heimat als No-Name verlassen, bevor er in Chile zum Starcoach reifte. Anders José Pekerman, der schon als Trainer der argentinischen U20 dreimal Weltmeister wurde. Mit der A-Auswahl wurden ihm 2006 gegen Deutschland seine Auswechslungen zum Verhängnis. Ein Fehler, den ihm Fußballargentinien nie verzeihen konnte. In Kolumbien allerdings empfing man ihn mit Kusshand: "Pekerman ist unsere Option A, B und C", machte der Verbandspräsident um seine Bewunderung keinen Hehl.

Pekerman erfüllte bisher alle Erwartungen und will noch höher hinaus. Verstärkt durch den Rückkehrer Falcao treten die Kolumbianer selbstbewusst in Chile an. "Mit dem was wir bei der WM erreicht haben, sind wir logischerweise Titelkandidaten", sagt Pekerman. Auf dem Weg zur dorthin wartet ein weiterer argentinischer Trainer, Perus Ricardo Garcea.

Gareca kann noch keinerlei Erfolge vorweisen, schließlich wurde er erst vor wenigen Monaten verpflichtet. Jahrelang hatte er aber Vélez Sarsfield betreut und in einem für die argentinische Liga ungewöhnlich langem Engagement seine Qualität bewiesen. Seit seiner Spielerlaufbahn ist Garecas Spitzname "el tigre" ("der Tiger"). Vornehmlich wegen seines pirschenden Gangs auf dem Spielfeld, nicht wegen seiner Mähne, die zumindest in Ansätzen an den Winfried Schäfer aus früheren Tagen erinnert.

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Für weltfussball berichtet aus Südamerika: Viktor Coco

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