15.07.2015 16:25 Uhr

Nigel Pearson: Enfant terrible auf Jobsuche

Wurde nach einer erfolgreichen Saison vor die Tür gesetzt: Nigel Pearson
Wurde nach einer erfolgreichen Saison vor die Tür gesetzt: Nigel Pearson

Obwohl Nigel Pearson mit Leicester City eine kleines Fußballwunder vollbrachte, wurde der Trainer in der Sommerpause entlassen. Seine Eskapaden und verbalen Fehlgriffe wurden ihm letztlich zum Verhängnis.

Die größten Klubs produzieren in der Regel die größten Schlagzeilen. Dieses ungeschriebene Gesetz gilt so ziemlich in jeder Liga der Welt. Bevor Manchester United auf große Einkaufstour ging und Manchester City eine Rekordablöse für Raheem Sterling zahlte, wurde das Gesetz in England in diesem Sommer kurzzeitig außer Kraft gesetzt. Weil Leicester City seinen Erfolgscoach Nigel Pearson völlig überraschend vor die Tür setzte.

Mittlerweile haben die Foxes mit Claudio Ranieri einen prominenten Nachfolger präsentiert, die Nachwehen von Pearsons Entlassung sind aber immer noch zu spüren.

Knapp vier Jahre lang stand der 51-Jährige bei Leicester in der Verantwortung. Seine Bilanz kann sich mehr als sehen lassen. Mit dem Aufstieg in die Premier League und dem anschließenden Klassenerhalt brachte er die graue Maus zurück auf die Fußball-Landkarte – und an die großen (TV-)Geldtöpfe. Trotzdem wurde er Ende Juni gefeuert. Und das aus gutem Grund.

Von Platz 13 in die Beletage

Rückblick: Ein halbes Jahr nach dem umjubelten Aufstieg in die Premier League stand der Leicester City Football Club Ende Dezember 2014 dort, wo ihn nicht wenige erwartet hatten: am Tabellenende. 13 Punkte aus 19 Spielen, nur drei Siege, dazu mit 31 Gegentoren die zweitschlechteste Abwehr der Liga – die Zeichen standen auf Abstieg.

Eine Entlassung von Nigel Pearson schien dennoch kein Thema zu sein. Zu groß war das Vertrauen in die Fähigkeiten des Trainers, der die Mannschaft seit November 2011 vom 13. Tabellenplatz der zweiten Liga bis in die Beletage geführt hatte. Selbst seine Eskapaden und verbalen Fehltritte wurden dem Manager von der Klubspitze verziehen. Und davon gab es einige.

"Fuck off and die!"

Mit Journalisten etwa geriet Pearson regelmäßig aneinander. Kritik an seiner Mannschaft ließ der charismatische Trainer nicht zu. Stattdessen wies er die Pressevertreter zurecht, brüllte sie an, beschimpfte sie. "Dumm" und "verrückt" waren noch die harmlosesten Bezeichnungen, die der Manager in den PKs, die regelmäßig mit ausgedehnten "Peeeep"-Tönen versehen wurden, zum Besten gab.

Selbst die eigenen Fans waren vor seinen verbalen Attacken nicht immer sicher. Nach dem Heimspiel gegen Liverpool tauchte ein Video auf, in dem Pearson einen meckernden Leicester-Fan angriff und ihm zurief "Fuck off and die!". 10.000 Pfund Strafe und ein Spiel Sperre waren die Folge. Sein Posten aber, ließen die thailändischen Besitzer des Klubs verlauten, sei nicht in Gefahr. "Ich mag nicht alles an mir", gab der Trainer nach einem seiner Aussetzer zu, stellte aber gleichzeitig klar, dass er sich nicht ändern werde: "Ich und die anderen werden wohl damit leben müssen."

Denkwürdiger Endspurt zum Klassenerhalt

Nach der 0:1-Niederlage gegen Crystal Palace am 24. Spieltag machten schließlich doch Meldungen von der Freistellung Pearsons die Runde. Während des Spiels war der Trainer an der Seitenlinie mit Palace-Spieler James McArthur aneinander geraten und nahm ihn in den Würgegriff. Eine Aktion, die eine Entlassung gerechtfertigt hätte. Dennoch hielt der Verein an seinem Manager fest – und traf damit eine Entscheidung, die sich auszahlen sollte.

Der 51-Jährige und seine Mannschaft legten in der Liga einen denkwürdigen Endspurt hin und schafften ein kleines Fußballwunder. Von den letzten neun Saisonspielen gewannen die Foxes sieben, holten 22 von 27 möglichen Punkten und kletterten von Platz 20 auf Rang 14. Nicht wenige wollten Nigel Pearson daraufhin den Titel "Trainer des Jahres" verleihen. Dazu kam es zwar nicht, sein Job aber, so der allgemeine Tenor, sei jetzt erst recht sicher.

Nach der Planung folgt die Entlassung

In den folgenden Wochen machte sich Pearson an die Aufgabe, den Kader für das schwere zweite Jahr in der Premier League zu rüsten. Robert Huth wurde langfristig gebunden, Shinji Okazaki und Christian Fuchs aus der Bundesliga geholt, ein großzügiges Angebot für QPR-Stürmer Charlie Austin abgegeben. Alles ging seinen gewohnten Gang. Selbst als drei seiner Spieler, darunter Pearsons Sohn James, auf der Promotion-Tour durch Thailand mit einem Sexvideo Schlagzeilen machten, schien der Manager seinen Posten noch sicher zu haben.

Ende Juni 2015 folgte schließlich die Kehrtwende. Leicester setzte seinen Trainer vor die Tür. Nicht aus heiterem Himmel, für viele dennoch überraschend. Offiziell wegen "fundamentalen Unterschieden" was die zukünftige Ausrichtung des Klubs angeht. Letztendlich waren es aber wohl seine persönlichen Eskapaden und das Mitwirken seines Sohnes in dem bizarren Video in der Heimat der Klubbesitzer, die den Ausschlag gaben und für die Entlassung eines der erfolgreichsten Trainer der letzten Jahre sorgten.

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Christian Schenzel

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