28.10.2015 14:00 Uhr

Hassparolen und Nazi-Jargon beim Derby

Hassbotschaften und Gewaltdrohung gehören beim Wiener Derby bereits zum gewohnten Bild
Hassbotschaften und Gewaltdrohung gehören beim Wiener Derby bereits zum gewohnten Bild

Die Austria hat am Sonntag das 315. Wiener Derby gegen Rapid mit 2:1 gewonnen. Nach einer enttäuschenden ersten Hälfte, entschädigte der zweite Durchgang mit Toren und letztlich einem Sieger. Auf den Rängen des im mit 32.200 Zuschauern gut gefüllten Ernst-Happel-Stadion gab es im Vergleich der Fankurven indes keinen Sieger, im Gegenteil.

Hassbotschaften und Neonazi-Zitate trübten das Bild. "Islamists not welcome. Europe awake", war beim Wiener Derby für kurze Zeit auf einem unsignierten Transparent im Gästesektor zu lesen. Auf dem Kontinent wird sich tatsächlich kaum jemand finden, der eine Niederlassung des IS in seiner Nachbarschaft begrüßen würde. Mit ihrem Griff in den sprachlichen Fundus von Rechtsaußen schaffen es einige violette Anhänger aber ihre Furcht vor Terror in Kontext und Gegensatz zu unter anderem vom FK Austria Wien und dem österreichischen Nationalteam unterstützten Kampagnen für Flüchtlingshilfe zu rücken (Stichwort "Refugees welcome").

Bewusste oder unbewusste sprachliche Unschärfen, vermeintlich gezielte Provokationen waren in Österreich in der jüngeren Vergangenheit kein Einzelfall. Dass "awake" statt des - auch bei ähnlichen Transparenten in osteuropäischen Fankurven - geläufigeren "wake up" verwendet wurde, fügt sich ins Bild. Ist "Europe awake" doch gleichzeitig ein Zitat eines Songtitels der Neonazi-Band Skrewdriver. Violette Fans und brauner Mief, da war doch was.

Als Klub lädt die Austria (ebenso wie Erzrivale Rapid) unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu Heimspielen ein. Solche Transparente werden nicht gerne gesehen. "Wir haben das Transparent, als es ein Fan dann auch noch über die Fanklubbanner hängen wollte, sofort eingezogen", heißt es seitens Austria-Pressesprecher Christoph Pflug auf Anfrage von weltfussball. Ob das Transparent als Verhetzung zu werten ist, werde von der Justiz geprüft. Aus Sicht der Austria hat es "jedenfalls klar gegen unsere Vorgabe 'Keine Politik im Stadion' verstoßen."

Seit Jahren setzen die Violetten auch bei Auswärtsspielen auf einen eigenen Ordnerdienst. "Die Größe des Transparents legt nahe, dass ihn sich jemand um den Körper gewickelt hat. Eine bekannte Vorgehensweise von solchen Personen", ist man sich bei der Austria bewusst, dass auch dieser nicht alles verhindern kann.

Für die Pikanterie am Rande sorgten Rapid-Ultras: Die Vertreter jener oft als solcher bezeichneten "Religion", die den Veilchen Mord und Totschlag in Aussicht stellten, standen am selben Tag nur etwas mehr als hundert Meter weiter im selben Bauwerk. Sie scheinen aber keine große Besorgnis im Austria-Lager auszulösen.

Ungebrochener Hass auf violett

"Tod und Hass dem FAK", mit diesem keineswegs zum ersten Mal präsentierten Spruch begrüßten die eingefleischten Rapid-Anhänger in den Sektoren C und D beim Derby ihren Erzrivalen. Zu lesen war er in riesigen Lettern auf einem meterlangen Transparent in der Heimkurve. "Schlagt die Austria tot", wie auf einem von den "Tornados Rapid" für ihre Homepage abgelichteten Doppelhalter geschrieben, setzte das Große im Kleinen fort.

Fußball sei kein Kindergeburtstag, lautet immer wieder die Rechtfertigung. Der Ton ist unbestritten rau, Matchbesuch als Ventil für Alltagsfrust wurde sowohl in Diskussionsforen als auch auf akademischer Ebene unzählige Male erörtert.

Erst vor einem Jahr (Wiener Derby Nr. 312) führten Ausschreitungen mit Einsatz von Pyrotechnik als Waffe im Prateroval dazu, dass jeweils ein Derby ohne Gästefans stattfinden musste. Verbale Entgleisungen sind somit nicht einmal das größte Problem der Klubs.

Doch wie kommt ein riesiges "Tod und Hass"-Banner ins Stadion, wenn schon die Mitnahme eines kleinen Regenschirms oder einer Plastikflasche am Ordnerdienst scheitert? Wurde die Choreographie der Rapid-Kurve in dieser Form vom Verein genehmigt? Zumindest der Einsatz der zahlreichen Bengalfackeln zur Untermalung müsste - Betonung auf müsste - nach Bundesliga-Vorschriften bei Klub und Behörden angemeldet werden. Warum findet diese Parole seit Jahren prominenten Platz bei Spielen der Hütteldorfer? Rapid war erst am Mittwochnachmittag im Stande, auf eine entsprechende Anfrage von weltfussball zu antworten.

"Selbstverständlich war das Trasnparent keinesfalls genehmigt", erklärte Rapid-Mediendirektor Peter Klinglmüller, "angemeldet war das schwarze mit weißer Schrift 'In Wien nur wir'". Weiter vermuten die Grün-Weißen, dass "dieses immens große Spruchband nicht vollständig und damit nicht korrekt kontrolliert, sprich zu Gänze ausgerollt und eventuell auch gewendet" wurde. Künftig werde der Ordnerdienst angewiesen noch strenger zu verfahren, da "sich der SK Rapid selbstverständlich mit der verwendeten Diktion überhaupt nicht identifizieren kann und diese auch strikt ablehnt."

Der Einsatz von Pyrotechnik zur Untermalung der Botschaft wird indes definitiv ein Nachspiel haben. "Die angesprochenen Bengalfackeln wurden bedauerlicherweise ohne Anmeldung gezündet, etwaige identifizierte Personen, die möglicherweise durch die Videoüberwachung beim Abbrennen dieser pyrotechnischen Gegenstände erfasst wurden, müssen naturgemäß mit den dafür vorgesehen zivil- und verbandsrechtlichen Konsequenzen, Anzeige durch die Polizei und Stadionverbot, rechnen", so Klingmüller, der zudem anmerkte, dass es eigentlich "ein ausgesprochen friedfertiges Derby" war.

Tiefer geht immer

Eingefleischte Fans der beiden Rivalen blieben in den vergangenen Jahren einander nichts schuldig. Mit Spruchbändern erinnerten die Ultras von Rapid bereits in der Europa League gegen Viktoria Plzeň an das Horror-Foul von Austria-Keeper Joey Didulica an Rapid-Stürmer Axel Lawaree am 26. Mai 2005. Die Ehrbekundung galt allerdings nicht dem Belgier, der damals einen Augenhölenbruch davontrug, sondern "Kriegern" für ihre "Rache an Didulica".

Zehn Jahre danach wird die Erinnerung an die Verletzung eines Gegenspielers auch bei manchen Austrianern hoch gehalten. Die grün-weiße Seite konterte damals schon mit einer Puppe im Tormanndress, die auf einem Galgen aufgeknüpft wurde. "Parasitenlied" und "Rapid verrecke" auf der einen Seite, oder besagter "Tod und Hass" auf der anderen. Es findet sich keine Beleidigung, die von der Gegenseite nicht noch unterboten werden könnte. Tiefer geht immer.

Topspiel und Kellerduell

Rapid mag auf internationaler Bühne in diesem Herbst sportlich für Aufsehen sorgen, die Austria hat mit Thorsten Fink einen Trainer gefunden, der eine Rückkehr nicht nur dorthin sondern auch zu größeren Erfolgen zumindest erhoffen lässt. Was die aus der Masse herausragenden Exponenten der jeweiligen Fanszenen angeht, wird jedoch Niveau-Limbo getanzt.

Am Klischeebild vom Idioten auf der Tribüne wird so weiter gezeichnet. Bei über 30.000 Zuschauern an diesem Nachmittag, Millionen von Stadiongehern und Fußballfans weltweit freilich eine unzulässige Verallgemeinerung. Doch wer macht sich heutzutage noch die Mühe zu differenzieren? Hassbotschaften und Pauschalisierung, das ist 2015.

UPDATE: Der Artikel wurde um Zitate aus der am Mittwochnachmittag erfolgten Stellungnahme des SK Rapid ergänzt.

Mehr dazu:
>> Wiener Derby bestätigt aktuelle Trends 
>> Spätes Tor macht Austria zum Derbysieger 

Sebastian Kelterer

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