19.02.2016 09:00 Uhr

0:6! Rapid schreibt traurige Vereinsgeschichte

Rapid kassierte in Valencia eine 0:6-Abfuhr - die höchste Europacup-Niederlage der Vereinsgeschichte
Rapid kassierte in Valencia eine 0:6-Abfuhr - die höchste Europacup-Niederlage der Vereinsgeschichte

Gottseidank hat Rapid nicht gegen den FC Barcelona gespielt. Schon Valencia reichte am Donnerstagabend um die Grün-Weißen im Sechzehntelfinal-Hinspiel der Europa League mit 6:0 in alle Einzelteile zu zerlegen. Die höchste Europacup-Niederlage in der Vereinsgeschichte des österreichischen Rekordmeisters.

Gegen den Tabellenzwölften aus Spanien, der erst am Wochenende in der Primera División nach zwölf sieglosen Spielen endlich wieder gewinnen konnte und noch am 3. Februar selbst von Barcelona mit 7:0 gedemütigt worden war. Es war "nur" Valencia. Man mag sich gar nicht ausrechnen, was Rapid bei einem Auswärtsspiel gegen die Katalanen passiert wäre. Ein Kelch, der an den Hütteldorfern durch den verpassten Einzug in die Champions League vorüber ging.

Rapid-Mittelfelspieler Thanos Petsos sprach in seiner ersten Reaktion nach der Abfuhr in Valencia von einer "Weltklasse-Mannschaft". Nicht der erste und auch nicht der letzte folgenschwere Irrtum der Gäste an diesem Abend. Die Wahrheit ist, dass Valencia in der Champions League an Zenit St. Petersburg und KAA Gent scheiterte. Der Trainer wurde gefeuert und auch Gary Neville stand kurz vor dem Rauswurf. Bis der englische Ex-Teamspieler zum 41. Geburtstag durch Rapid ein Geschenk erhielt, an dass sich der Valencia-Coach noch lange erinnern wird.

"Gelungener Charaktertest" - meint Rapid-Coach nach 0:6-Debakel

Im TV-Studio in Wien rangen die Rapid-Legenden Heribert Weber und Hans Krankl nach der historischen Abreibung mit ihrer Fassung. Zoran Barišić hatte hingegen zur Überraschung seines Gegenübers sogar ein Lächeln auf den Lippen, als er zum "Sky"-Interview kam. "Die zweite Halbzeit war so etwas Ähnliches wie ein Charaktertest. Wir wollten uns besser präsentieren und das ist der Mannschaft gelungen", sagte der Rapid-Coach in seiner Analyse. Nach einem 0:6-Debakel. Der höchsten Europacup-Niederlage in der Rapid-Vereinsgeschichte.

Man kann immer etwas Positives finden wenn man will. Die Wahrheit aus- und anzusprechen, wäre schmerzvoller, aber besser gewesen. Der Gruppensieg in der Europa League hatte die Grün-Weißen zum ersten Mal seit dem Finaleinzug im Cup der Cupsieger 1996 überwintern lassen. Doch Rapid bekam in Valencia die Rechnung dafür präsentiert, was passiert, wenn sich eine österreichische Mannschaft überschätzt.

Die Spanier hatten die große Schwachstelle der Rapid-Defensive an den Außenpositionen ausgemacht und legten ihre Angriffe systematisch über die Flanken an. Die Anfälligkeit der Rapid-Abwehr über die Seiten lässt sich in Heimspielen gegen den SV Grödig oder den Wolfsberger AC kaschieren, in Auswärtspartien gegen die selben Gegner gelingt aber nicht einmal das. Schon gar nicht international ohne Zweikämpfe, Fouls oder eine einzige Gelbe Karte in den ersten 45 Minuten beim Halbzeitstand von 0:5.

Innerhalb einer Woche Abschied vom Tanz auf drei Hochzeiten

Das größte Glück für die Gäste war, dass es Valencia nach dem Seitenwechsel gut sein ließ. So stand am Ende "nur" ein 0:6. Bei Rapid war vor der Frühjahrssaison viel vom Tanz auf drei Hochzeiten die Rede gewesen. Nun erfolgte innerhalb einer Woche mit der 0:1-Heimpleite im Viertelfinale des ÖFB-Cups gegen Admira Wacker und nun der Abreibung in Mestalla der Abschied aus gleich zwei Bewerben.

Der Rapid-Coach war von weltfussball nach dem bitteren Aus im ÖFB-Cup auf die erneute verpasste Titelchance angesprochen wurden. Barišić reagierte "patzig" und sprach einmal mehr von der Entwicklung seiner Mannschaft, sowie "vom zahlreichen positiven Feedback" für ihn, "weil wir den schönsten Fußball in Österreich spielen."
>> Wie soll Rapid einen Titel gewinnen?
>> Rapid als Meister der Fehleinschätzung

Vielleicht genügt ihm dieses Lob der Konkurrenz ja. Aber man sollte sich nicht selbst belügen. Sind sieben Niederlagen in 18 Bundesliga-Spielen wie zur Saison-Halbzeit wirklich eine zufriedenstellende Bilanz? Ja, Rapid liegt nach 22 Runden nach Punkten gleichauf mit Spitzenreiter RB Salzburg und hat noch alle Chancen auf den Meistertitel. Ja, Rapid war in der Meisterschaft durch die finanzielle Übermacht des Titelverteidigers nie der große Favorit.

Aber: Nein, Rapid hat am Donnerstagabend keinen Charaktertest oder sonst irgendetwas bestanden. Das 0:6-Debakel übertraf noch die 2:7-Pleite gegen Milan im Viertelfinale des Europacups der Meister am 12. Februar 1956 sowie die 0:5-Abfuhr bei Juventus in der Champions League am 30. Oktober 1996. Eine historische Niederlage für die Fußball-Geschichtsbücher.

W(D)arum ist kein Rapid-Spieler gut genug für das Nationalteam

Der Fairness halber sei erwähnt: Rapid hielt seit der Gruppenphase im Alleingang die österreichische Fahne im Europacup hoch. Meister Salzburg hatte sich durch das doppelte K.o. gegen Malmö FF in der Qualifikation der Champions League und gegen Dinamo Minsk im Playoff der Europa League verabschiedet. Der WAC und Altach überstanden in der Qualifikation der Europa League zumindest eine Hürde, Sturm Graz gelang nicht einmal das und die Wiener Austria kannte Europacup-Spiele in dieser Saison nur von Fernseh-Übertragungen.

Aber: Kein Rapid-Spieler war beim beeindruckenden Erfolgslauf von Österreich in der EM-Qualifikation auch nur eine Minute eingesetzt worden. ÖFB-Teamchef Marcel Koller hatte und hat seine Gründe dafür. Vielleicht sollte Zoran Barišić seine Schützlinge einmal darauf ansprechen und sie nicht mit dem Lob der Konkurrenz verwöhnen. Der grün-weiße "sexy football award" ist seit dem 0:6 in Mestalla seine Unterhose los und steht völlig entblößt da.

Rapid-Ehrenkapitän Heribert Weber war sichtlich gezeichnet und sprach davon, "dass man sich nicht wundern braucht, wenn man von der ersten Minute an so auftritt. Rapid ist überhaupt nicht in die Zweikämpfe gekommen." Der "Rapidler des Jahrhunderts" war noch mehr getroffen. "Das Auftreten von Rapid war heute indiskutabel. Es war eine vernichtende Niederlage", gab sich Hans Krankl kleinlaut.

Ein Lächeln hatte keiner der beiden TV-Experten auf den Lippen.

Mehr dazu:
>> Rapid kassiert höchste Europacupniederlage
>> Die Sechzehntelfinal-Hinspiele der Europa League im Überblick

Christian Tragschitz

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten