02.08.2016 11:58 Uhr

Neururer exklusiv: Mein Leben mit Amateuren

Peter Neururer findet Packing Schwachsinn
Peter Neururer findet Packing Schwachsinn

Als TV-Experte kommt der ehemalige Bundesligatrainer Peter Neururer regelmäßig zu Wort und bezieht in seiner gewohnt unverblümten Art Stellung zu allen Themen der laufenden Fußball-Debatte.

Im ersten Teil des Exklusiv-Interviews auf weltfussball.de verrät Peter Neururer, was er vom Packing hält, ob sein Weg auch in die 3. Liga führen könnte und inwiefern Mehmet Scholl das nötige Know-How für TV-Analysen besitzt.

Herr Neururer, angetroffen haben wir Sie beim Golfspielen: Vor vier Jahren, im Sommer 2012, bekamen Sie bei dieser Beschäftigung einen Herzinfarkt, lagen sogar im Koma. Wie geht es Ihnen heute?

Peter Neururer: Wunderbar. Besser geht's gar nicht. Ich habe die besten Werte. Alles ist gut.

Sie haben damals das Rauchen aufgegeben. Ist es dabei geblieben?

Richtig. Die Ärzte haben gesagt, dass das Rauchen nicht in meinen Lebensplan gepasst hätte. Das einzige, das atypisch war, war der hohe Genuss an Nikotin. Das habe ich dann abgestellt.

Die Handyapp, mit der Sie damals die rauchfreien Sekunden gezählt haben, gibt es aber nicht mehr, oder?

Doch, klar, die gibt es immer noch. Das ist Motivation. Wie die App genau heißt und wie das alles funktioniert, weiß ich gar nicht. Ich bin da eher Traditionalist. Aber die läuft weiter auf meinem iPhone.

Sie haben mal in einem Interview gesagt, dass Sie Stress empfinden, wenn Sie nicht arbeiten. Dabei hat man bei Ihnen das Gefühl, dass Sie eigentlich immer irgendwo etwas zu tun haben...

Na gut, zu tun haben ist richtig. Mein Job als TV-Experte macht mir riesen Spaß, keine Frage. Das ist toll, ich bin beschäftigt, das ist wunderbar. Aber: Ich bin nicht beschäftigt und habe keine Arbeit in dem Bereich, in dem ich arbeiten möchte, sprich: Als Trainer oder als Sportdirektor irgendwo in der ersten oder zweiten Liga. Das ist eine andere Geschichte. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.

Das heißt es gibt schon konkrete Rückkehr-Pläne...?

... wenn irgendwo ein Verein sein sollte, bei dem es rein vom Konzeptionellen her passt, klar. Die Nummer, die ich vor zwei Jahren beim VfL Bochum gemacht habe, so ein bisschen den Retter spielen, kommt für mich nicht mehr in Frage.

Sie sagten mal, es müssen passen, Sie nehmen nicht jedes Angebot an. Wieso passte es oft nicht?

Das hängt von Zielsetzungen ab. Wenn die Vereine mir keine Perspektive anbieten, im Hinblick auf die Realisierung meiner eigenen Gedanken im fußballerischen Bereich, dann mache ich es nicht mehr. Diesen Luxus kann ich mir glücklicherweise erlauben. Aber ich würde gerne etwas annehmen, das passen würde.

Ist für Sie auch die 3. Liga mit namhaften Vereinen, wie einem Ihrer Ex-Klubs, dem MSV Duisburg, eine Option?

Kann ich mir nicht vorstellen. Ich hab in der ersten Liga mit so vielen Amateuren zu tun gehabt, ich hab in der zweiten Liga mit noch mehr Amateuren zu tun gehabt, so dass ich in der 3. Liga, die ja drittklassig ist, mit noch mehr Amateuren zu tun hätte. Das kann ich mir nicht vorstellen, dass ich mir das nochmal antue. Es gibt mit Sicherheit noch Ausnahmen, bei Vereinen, die klare Zielsetzungen haben, die ganz klar strukturiert sind, die ganz nach oben wollen. Da kann man sich mit Sicherheit noch unterhalten. Aber wenn das nicht mehr gegeben ist, habe ich auch keine Lust dazu.

Mit Carlo Ancelotti hat der FC Bayern einen Coach verpflichtet, der zu den älteren Semestern gehört. Wie sehen Sie die Altersfrage in der Bundesliga auf der Trainerbank?

Die Altersfrage ist vollkommen uninteressant dahingehend, dass es seit meiner Erstphase in der Bundesliga junge Trainer und alte Trainer gab. Im mittleren Bereich meiner Tätigkeit auch immer, und jetzt in meiner Endphase auch. Und dieses "jung und alt" und "erfahren und nicht-erfahren" lasse ich mal total außen vor.
Es gibt Vereine, die brauchen in gewissen Situationen Trainer, die gewisse Situationen schon erlebt haben. Irgendwelche Newcomer sind da nicht gefragt. Warum auch? Die haben sich noch nicht unter Beweis gestellt. Nur man kann auch keinem jungen Trainer zum Vorwurf machen, dass er keine Erfahrung hat. Es gibt immer Situationen, in denen der eine oder andere Trainer gebraucht wird. Das war vor fünfzig Jahren schon so und wird auch in hundert Jahren noch so sein.

Bastian Schweinsteiger ist aus der Nationalelf zurückgetreten: Was tat Fußballdeutschland mehr weh, der Rücktritt von Schweini oder von Philipp Lahm?

Ganz klar von Schweini. Er ist für mich eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Philipp Lahm kann die möglicherweise auch darstellen, aber Schweini war für mich eine andere Person. Ich find ihn als Fußballer sowieso herausragend. Und als Typus auch noch outstanding, in dem Sinne, dass er sich immer zu der Situation bekannt hat, in der er jeweils war. Da fehlt uns als Typus ein richtiger Fußballer. Philipp Lahm ist fußballerisch das Nonplusultra, egal auf welcher Position, aber als Persönlichkeit ist er ersetzbar. Schweinsteiger nicht.

Haben Sie eigentlich Ihre Spielerdatenbank noch, die Sie jahrzehntelang selbst gepflegt haben?

Das ist mittlerweile sowas von üblich geworden, bei allen Bundesliga- und Zweitligavereinen. Ich war der Erste in Deutschland, der das gemacht hat und das ist erfolgreich übernommen worden. Von daher braucht man meine nicht mehr.

Bei der EM war das "Packing" ein wichtiger Begriff bei der Analyse der Spiele - Was halten Sie davon?

Na herzlichen Glückwunsch. Da muss irgendeiner in einem Wahn diesen größten Schwachsinn überhaupt rausgehauen haben. Ich glaube (Stefan) Reinartz war's, ein toller Bundesliga-Spieler, der in seiner Zeit schon für Fußballgeschichte gesorgt hat... Dass alle Welt das Ding übernommen hat, ist mit Schwachsinn nicht zu übertreffen.

Wie schätzen Sie allgemein die Rolle der TV-Experten Kahn und/oder Scholl ein?

Alle machen ordentliche Arbeit. Jeder hat seine Daseinsberechtigung. Alles gut. Wenn man da nicht Trainerkollegen und Dinge kritisiert, aus denen man sich eigentlich heraushalten sollte, weil man selbst die Perspektive noch nicht gehabt hat, dann ist alles okay. Wenn Scholli natürlich irgendwelche Trainer kritisiert und selbst in seiner eigenen Entwicklung, in seiner eigenen Trainerkarriere da stehen hat, bei Bayern Münchens U23 gescheitert zu sein, dann sollte man mal überlegen, worüber man da redet.

Als Person finde ich Scholli superklasse, den Jungen finde ich sympathisch, er war ein tadelloser Spieler. Oliver Kahn macht's anders. Dem hätte ich das ehrlich gesagt nicht zugetraut, sich so moderat zu verkaufen. Er macht's auf sachlich, fachlich, kritische Art gut. Aber die meisten Menschen vergessen allesamt, dass ein ehemaliger Weltklassespieler gewesen zu sein noch nichts damit zu tun hat, auf Kreisliga-Niveau ein guter Trainer zu sein. Das sind zwei unterschiedliche Geschichten, zwei grundsätzlich unterschiedliche Sportarten. Das sollten all die Experten, die da rumlaufen, egal bei welchem Sender, sich mal vor Augen halten.

Olympia steht vor der Tür: Was erwarten Sie vom Team von Horst Hrubesch in Rio?

Ich verfolge das Turnier nur aufgrund der Tatsache, dass ich eine sehr große Affinität zu Horst Hrubesch habe. Das ist mein Ziehvater, dem habe ich alles zu verdanken. Auf seiner letzten Etappe, die Olympia-Mannschaft zu begleiten, finde ich toll. Zumal ja auch Spieler, wie Leon Goretzka dabei sind, die ich selbst mal betreuen konnte. Ich drücke die Daumen, dass es gut geht, so gut wie eben möglich. Ich hoffe, dass Hrubesch eine Medaille holt. Ansonsten ist Olympia aber eine Farce geworden.

 

Im zweiten Teil des Interviews erklärt Peter Neururer, wieso es mit dem Aufstieg für seinen "Herzensverein", den VfL Bochum, wahrscheinlich schwierig wird, welche Fehler Vorstand und sportliche Führung gemacht haben, welche Typen er sich im Fußball wünscht und warum er niemals RB Leipzig trainieren möchte. 

Das Interview führte Chris Rohdenburg

>> zum zweiten Teil unseres Interviews

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