10.01.2017 15:15 Uhr

The Den vor Abriss - Millwall droht Exodus

Im Schnitt pilgern 9.300 Zuschauern zu den Drittligaspielen im
Im Schnitt pilgern 9.300 Zuschauern zu den Drittligaspielen im "The Den"

Dem vor 132 Jahren als Millwall Rovers gegründeten Millwall FC droht die Entwurzelung. Die Gemeinde Lewisham möchte ein möglichst großes Areal an eine Offshore-Immobilienfirma verscherbeln, die Luxuswohnungen plant. Die Lions bestätigen Überlegungen, gegebenenfalls ins 150 Kilometer entfernte Kent zu übersiedeln. Ob da die Fans mitmachen?

"No one likes us. We don't care! We are Millwall, super Millwall, we are Millwall from The Den!", ist ihr Lieblings-Chant. "Niemand mag uns. Uns ist's egal! Wir sind Millwall, super Millwall, wir sind Millwall vom The Den", melodisch angehalten an Rod Stewarts "Sailing". Dass die Millwall-Fans niemand mag, hat seinen Ursprung in diversen Hooligan-Geschichten, die größtenteils weit zurückliegen, jedoch in Filmen wie "Hooligans", "Hooligans 2", "Rise of the Footsoldier" und "The Football Factory" breitgetreten wurden. Ihr Stadtteil "Lewisham" im Süden Londons wurde lange vernachlässigt.

Dazu ist die Konkurrenz der großen Vereine wie Chelsea, Arsenal oder Tottenham übermächtig. Obendrein hat sich auch noch Erzrivale West Ham United in den vergangenen Jahren gemausert und mit seiner Übersiedlung ins 60.000 Zuschauer fassenden London Stadium zumindest finanziell einen tollen Coup gelandet. Die Hammers leisteten bloß eine Einmalzahlung von 15 Millionen Pfund und haben in den nächsten 99 Jahren lediglich 2,5 Millionen Pfund an Miete zu berappen.

Millwalls letzte Erfolge liegen auch lange zurück. 2004 zogen die Lions mit Spielertrainer Dennis "Die Ratte" Wise ins FA-Cup-Finale ein, in dem sie Manchester United 0:3 unterlagen. In der höchsten Spielklasse "First Division" hielten sie sich nur zwei Jahre, nämlich 1988/1989 und 1989/1990 mit den Stürmern Teddy Sheringham und Tony Cascarino bzw. Abwehrrecke Mick McCarthy (89/90), der 2009 als Manager der Wolverhampton Wanderers Stefan Maierhofer in die Premier League lotste. Nicht zuletzt deswegen setzte Millwall im Frühjahr 2014 und im Frühjahr 2015 auch auf die Dienste des Niederöstereichers. Beim ersten Engagement konnten sich Millwall mit "The Hoff" noch in der Championship halten, beim zweiten Tête-à-Tête folgte jedoch der Abstieg in die League One, in der die Lions derzeit auf Platz 10 liegen und im Schnitt 9.300 Besucher in "The Den" anlocken.
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"Fans und Gemeinde wird das Herz heraus gerissen"

Wie lange die Millwall-Fans ihre Lieblinge noch im "The Den" anfeuern dürfen, ist fraglich. Der Liberale Demokrat Tim Farron steckte dem "Guardian", dass die Stadtverwaltung nachdenkt, den Verein quasi zu enteignen und den Grund der Offshore-Immobilienfirma "Renewal" - deren Geschäftsführer aus Lewisham stammt - zu verkaufen und garnierte das gleich mit dem Spruch: "Ich weiß, dass das den Fans und der Gemeinde das Herz zerreißen würde." Von 2.400 Luxus-Wohnungen ist die Rede.

Millwall bestätigte die Existenz des Damoklesschwerts mittlerweile und, dass über eine Übersiedlung in die über 150 Kilometer entfernte Grafschaft Kent nachgedacht wird. Die Stadtverwaltung meint jedoch, dass Platz genug für Millwall FC und "Renewal" wäre und sieben Millionen Pfund Entschädigung für die Lions rausspringen würden. Aber zumindest die Akademie würde planiert und die braucht eine Profimannschaft.

Knapp 300.000 Menschen leben in Lewisham und der Millwall FC ist dort der einzige professionell geführte Sportverein. Nicht zuletzt aufgrund der Fan-Initiative "The Association of Millwall Supporters" - die in offenen Briefen fragwürdige Aktivitäten der Stadtverwaltung aufgezeigt hat - hat auch schon Parlaments-Sprecher Bobby Dean reagiert und festgestellt: "Es kann nicht sein, dass die Zukunft des Millwall FC davon abhängt, ob vielleicht irgend jemand Luxuswohnungen baut, die sich dort ohnehin kaum jemand leisten wird können. Lewisham sollte die Pläne verwerfen und künftig den Fußballverein und die Menschen in ihren Entscheidungsfindungen einbeziehen."

"Der Fußball ist das einzige, was die Leute hier haben", bringt die Wirtin des "Ancient Foresters Pub" Sandra Smith die Misere in den "Southwark News" auf den Punkt. "Die jungen Leute können ja noch reisen, aber die älteren werden sich das nicht antun. Außerdem können sich das viele auch gar nicht leisten." Der "Blue Anchor" Fish and Chips-Manager Soner Cotal - selbst Millwall-Fan - stößt ins gleiche Horn: "Wir haben hier immer wieder viele Anhänger und die sind Fans des Klubs, weil sie hier leben. Wir wollen nicht schon wieder umziehen."

Seit 1910 in zwei "The Den"s

Der letzte Umzug war allerdings nur 300 Meter weit. Von 1910 bis 1993 kickte der 1885 gegründete Millwall FC im ersten "The Den". (Das Bild unten stammt vom FA Cup-Achtelfinale gegen Birmingham City 1957, in dem die Lions 1:4 unterlagen.) 1993 übersiedelten die Lions ins "The New Den", das seit 2007 auch wieder "The Den" heißt. Am nächsten gelegen sind "The Valley" von Charlton Athletic (derzeit ebenfalls League One), der "Selhurst Park" von Crystal Palace (Premier League) und das "Matchroom Stadium" von Leyton Orient (League Two). Vor allem Charlton Athletic und Leyton Orient werden sich wohl ins Fäustchen lachen, sollte das Lewisham Council bei der nächsten Sitzung am kommenden Mittwoch dem "Renewal" weiter den Weg ebnen.

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Thomas Schöpf

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