10.03.2017 10:22 Uhr

Borowka: "Großkreutz muss eine Chance bekommen"

Uli Borowka hat zur sportlichen Situation in Bremen eine klare Meinung
Uli Borowka hat zur sportlichen Situation in Bremen eine klare Meinung

Uli Borowka hat dank seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen Kult-Status in der Bundesliga erlangt. Nach überwundenem Alkoholproblem schlug der heute 54-Jährige eine neue Karriere als Buchautor und Suchtberater ein.

Dennoch hat der ehemalige Außenverteidiger seine Ex-Vereine nicht aus dem Blick verloren. Im exklusiven weltfussball.de-Interview teilt Borowka nun gegen Werder Bremen aus. Auch zur Causa-Großkreutz hat Borowka eine klare Meinung.

Herr Borowka, mit ihrem Buch im Jahr 2012 haben Sie für ordentlich aufsehen gesorgt. Darin beschreiben Sie, wie Sie als Alkoholiker auf Topniveau Fußball spielen konnten. Wie geht es Ihnen heute?

Borowka: Ich bin seit der Veröffentlichung eigentlich kontinuierlich unterwegs und halte Vorträge zu diesem Thema. Dafür bin ich in Schulen, in Gefängnissen und in Firmen unterwegs. Zudem baue ich gerade mit meinem Team Seminare auf, die sich um Motivation aber natürlich auch um Sucht drehen. Der Terminkalender ist also sehr voll.

Sind Sie auch noch im Fußballbereich unterwegs oder haben Sie mit diesem Kapitel komplett abgeschlossen?

Ich kümmere mich um viele suchtkranke Sportler und darunter sind natürlich auch viele Fußballer. Außerdem arbeiten wir eng mit dem DFB zusammen, und dass, obwohl ich ja in der Vergangenheit gewisse Differenzen mit dem DFB hatte. Die sind aber inzwischen ausgeräumt. Hierzu kann ich noch nicht mehr erzählen, da wir noch ein, zwei Gespräche führen müssen. Wir sind aber mit dem neuen Generalsekretär und dem neuen Präsidenten auf einem sehr guten Weg.

Der alte Präsident hatte für viele Vorschläge kein offenes Ohr. Ihm waren, wie man ja jetzt weiß, andere Sachen wichtiger. Aber das ist Schnee von gestern. Jetzt freue ich mich, dass wir schon sehr weit sind. Möchte aber nicht weiter vorgreifen.

Glauben Sie, dass so ein ausschweifendes Leben, wie Sie es geführt haben, auch in der heutigen Zeit noch möglich wäre?

Die mediale Präsenz ist heute natürlich brutal groß geworden. Wir konnten ja damals auch unter der Woche immer mal wieder in unsere Stammkneipe gehen. Wir hatten ja nur zwei Journalisten von der "Bild" und vom Weser Kurier in Bremen. Und wenn wir gefeiert haben, dann haben wir die beiden einfach mitgenommen. So konnten sie auch nichts Böses über uns schreiben. Heute müsstest du für eine solche Aktion einen ganzen Bus chartern.

Spielt denn Alkohol oder eine andere Sucht auch heute noch eine so große Rolle im Profifußball? Vielleicht auch in Bezug auf Kevin Großkreutz?

Der Alkohol ist da, die Drogen sind da, die Medikamente und die Spielsucht natürlich auch. Eine europaweite Studie der FIFPro (Internationale Spielervereinigung, Anm. d. Red.) hat vor zwei Jahren ergeben, dass 19 Prozent der aktuellen Sportler suchtkrank sind. Psychisch belastet sind sogar 20 Prozent. Wenn man das umrechnet, kommt eine sehr hohe Zahl heraus.

Bei Kevin Großkreutz war natürlich die mediale Präsenz sofort vorhanden. Ich denke, er weiß, dass er einen Fehler gemacht hat. In Deutschland ist das Problem: Wenn du einmal was Dummes begangen hast, bist du bis ans Lebensende gebranntmarkt. Wer einen Fehler macht, der hat Probleme wieder ins normale Leben zurückzukommen. Dieses Ausgrenzen aus der Gesellschaft bemängele ich zutiefst.

Wenn man einen Fehler macht, muss es natürlich eine Strafe geben, aber Großkreutz muss definitiv auch eine neue Chance bekommen. Jeder kleinste Fehler wird immer direkt an die große Glocke gehängt. Vielleicht sollte einfach mal jeder darüber nachdenken, wie wir uns zwischenmenschlich verhalten sollten und nicht ständig über Menschen herziehen und niedermachen.

Kommen wir zu Ihren ehemaligen Vereinen. Wie ist ihr Verhältnis zu Werder Bremen und Borussia Mönchengladbach heute?

Zu Werder Bremen habe ich seit ewigen Jahren keinen Kontakt mehr. Ich habe zu meiner Zeit vielen Leuten auf die Füße getreten, da ich immer meine Meinung geäußert habe. Seitdem bin ich dort geächtet. Keiner möchte mehr mit mir etwas zu tun haben, aber so ist das im Leben. Es gibt eindeutig Schlimmeres.

Vor kurzem haben Sie Werder noch öffentlich als nicht bundesligatauglich zerrissen und Trainer Alexander Nouri an den Pranger gestellt. Hat sich Ihre Meinung nach den letzten drei Siegen in Folge geändert?

Nein, absolut nicht! Gegen Mainz muss man sagen, haben sie wirklich gut gespielt. Aber gegen Wolfsburg haben die Grün-Weißen eine Viertelstunde Fußball gespielt, danach ihre Arbeit eingestellt. Zum Glück sind die Wolfsburger in den restlichen 75 Minuten so blind gewesen. Aber Werder hätte auch locker mit 5:2 verlieren können.

Und dann wirst du auch noch im Weserstadion vom Tabellenletzten eine Halbzeit komplett vorgeführt. Am Ende musst du drei Kreuze machen, dass die Darmstädter den Ball nicht ins Tor treffen. Wer mir allerdings wirklich gut gefallen hat, war Felix Wiedwald. Es kann jedoch nicht jedes Mal der Torhüter der beste Mann auf dem Platz sein.

Spielt Werder also bis zum letzten Spieltag um den Abstieg?

Auf jeden Fall! Du darfst die Füße jetzt natürlich nicht hochlegen. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz ist ja nicht groß. Die Relegation wäre für Werder schon sehr schlimm. Aber zum Glück sind auch die Wolfsburger neben dem Hamburger SV dabei. Schalke wird sich eventuell auch noch im Abstiegskampf einmischen. Für Werder wird es dadurch aber nicht leichter.

Wo sehen Sie die größten Schwächen bei Werder?

Die Baustellen sind überall. Seit Jahren findet bei Werder ein Stillstand statt. Es gibt doch in allen Bereichen keine Weiterentwicklung.

Neben dem Trainer nehme ich natürlich auch die Herren Bode, Baumann, Filbry und Hess-Grunewald in die Pflicht. Die sind ja daran beteiligt, dass Werder eine Wohlfühlgesellschaft geworden ist. Jeder kann schalten und walten wie er will. Und der Trainer sagt, 'Ich kann noch dreimal mehr verlieren und mir passiert trotzdem nichts. Ist doch alles halb so schlimm'. Da sehe ich das größte Problem bei Werder Bremen.

Auch in Mönchengladbach lief es in der Hinrunde nicht wie gewünscht. War der Trainerwechsel der ausschlaggebende Punkt?

Das muss man eindeutig so sagen. Seitdem Hecking da ist, läuft es für die Borussia sehr gut. Aus meiner Sicht war der Trainerwechsel und der Zeitpunkt des Wechsels genau richtig. Die Spiele werden wieder gewonnen und einige Partien werden wie in Leverkusen oder in der Europa League gegen den AC Florenz mit einer unglaublichen Moral der Mannschaft noch umgedreht. Das neue Selbstvertrauen, mit dem die Mannschaft auftritt, ist sensationell.

Auch die spielerischen Mittel, vor allem in der Offensive, sind vom Allerfeinsten. Da macht es wirklich Spaß zuzuschauen. Von daher freue ich mich natürlich, dass Gladbach die Kurve gekriegt hat.

Was trauen Sie den Fohlen in dieser Saison noch zu?

In der Europa League ist mit dieser Truppe und diesem Selbstbewusstsein absolut alles drin. Man schaltet ja eine Mannschaft wie Florenz nicht einfach eben so aus. Die haben ja auch richtig Qualität. In der Bundesliga können so natürlich auch sehr viele Spiele gewonnen werden. Auch da ist noch sehr viel möglich.

Die Gerüchte um Max Eberls Wechsel zum FC Bayern nehmen einfach nicht ab. Wäre sein Abschied ein schwerer Verlust?

Max Eberl gehört zu den besten Managern, die die Liga zu bieten hat. Und bei den Managern ist es doch wie bei den Spielern. Wenn der FC Bayern anklopft, muss man natürlich darüber nachdenken, ob man nicht vielleicht doch zu so einer Topmannschaft wechselt. Das Geschäft ist heutzutage nun mal so - der eine kommt, der andere geht. Und wenn Eberl geht, wird ein anderer seinen Platz einnehmen. Ich mache mir da aber für die Borussia keine allzu großen Sorgen.

Das Gespräch führte Henning Harlacher

ZUR PERSON: Uli Borowka begann 1981 seine Bundesliga-Karriere bei Borussia Mönchengladbach. Nach sechs Jahren am Niederrhein verschlug es den gebürtigen Mendener an die Weser. Bei Bremen avancierte der Außenverteidiger zum Kult-Kicker. Zwei deutsche Meisterschaften, zwei Pokalsiege und ein Europapokal der Pokalsieger gewann der heute 54-Jährige mit den Grün-Weißen. Heute ist der Ex-Profi Buchautor und arbeitet als Berater für Suchtprävention.

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