29.03.2017 07:00 Uhr

Wie soll das noch funktionieren?

Kapitän und Teamchef waren in vielen Phasen ratlos
Kapitän und Teamchef waren in vielen Phasen ratlos

Das vorentscheidende WM-Qualifikationsspiel am 11. Juni in Irland wird für Österreichs Nationalteam zu einem Sprung ins kalte Wasser. Die schwache Darbietung beim 1:1-Remis gegen Finnland am Dienstagabend in Innsbruck war ein erneuter Rückschlag vor der enorm wichtigen Partie in Dublin. Dazu gibt es dort die bitteren Sperren von Marko Arnautović und Stefan Ilsanker sowie erneute Diskussionen um die Position von David Alaba.

Die 13.700 Zuschauer im Tivoli Stadion hielten sich vornehm zurück. Keine Pfiffe oder Unmuts-Äußerungen, dabei wären diese mehr als nur verdient gewesen. In Tirol ist man durch den Niedergang von Wacker Innsbruck noch weit Schlimmeres gewohnt, als die Leistung des ÖFB-Teams vor der Pause. Dabei war diese wirklich schon an beziehungsweise unter der Grenze des guten Geschmacks gewesen.

Als Marcel Koller zur Pressekonferenz erschien, brauchte er ein paar Sekunden, bis sich seine Augen an die Lichtverhältnisse auf dem Podium des Medienraums gewohnt hatten. Doch dann legte der Schweizer den Finger ungewohnt offen in die rot-weiß-rote Wunde: "In der ersten Halbzeit haben wir nicht gut gespielt."

"Die Leistung in der Defensive hat nicht gepasst. Wir waren nicht konsequent genug, um von hinten weiter nach vorne zu schieben. Wenn fünf Mann hinten stehen, dann fehlt einer oder sogar zwei im Mittelfeld", bekrittelte der Teamchef die Vorstellung seiner Mannschaft.

Nach drei Halbzeiten wieder Abschied von der Dreierkette 

Die neue Dreierkette in der Nationalmannschaft mit Aleksandar Dragović, Sebastian Prödl und Martin Hinteregger (einmal mehr der mit Abstand beste österreichische Verteidiger) musste nach nur drei Halbzeiten wieder Abschied nehmen. Beim 2:0-Heimsieg in der WM-Qualifikation gegen die Republik Moldau defensiv noch kaum gefordert, präsentierte die ÖFB-Abwehr gegen Finnland vor der Pause jede Menge Abstimmungsprobleme.

Nach dem Wechsel gab es deshalb die Rückkehr zum gewohnten 4-2-3-1-System. "Es hat nichts mit dem System zu tun, wenn die Innenverteidiger nicht genug nach vorne rücken. Wir konnten den Gegner deshalb zu Beginn überhaupt nicht unter Druck setzen. Mit dem Mittelfeld sind wir irgendwo im Raum gestanden und die Kompaktheit hat gefehlt", sprach der Teamchef Klartext.

Jedoch bezog er sich damit auf eine von ihm selbst gewählte Änderung der taktischen Formation. Nach nur 135 Minuten korrigierte sich Marcel Koller selbst. Schon unter dem Spiel hatte David Alaba wiederholt den Kontakt mit der Coaching-Zone gesucht, um auf die gravierenden Ungereimtheiten hinzuweisen.

"Wir haben deshalb nach der Pause umgestellt. Aber man muss auch sagen, dass der gesamte Lehrgang von Problemen getrübt wurde. Es gab angeschlagene Spieler, dann mussten Baumgartlinger, Schaub und Lukse absagen, dazu die Sperren von Arnautović und Ilsanker. Jetzt vor dem Finnland-Spiel gab es auch noch Sorgen bei Harnik, Suttner, Burgstaller und Sabitzer", lautete die wenig zufriedene Bilanz des ÖFB-Cheftrainers.  

Wer überzeugt Alaba von der Rückkehr nach links?

Das Führungstor von Marko Arnautović in der 62. Minute schien Österreich doch noch einen Sieg einzubringen, aber der folgenschwere Patzer von Heinz Lindner beim Ausgleich zum 1:1 von Fredrik Jensen zeigte, warum der Reservist von Eintracht Frankfurt zu Beginn der WM-Qualifikation nur mehr vierter Tormann hinter Robert Almer, Ramazan Özcan und Andreas Lukse war.

Baustelle Torhüter und dazu eine weitere auf der linken Seite. Noch am Freitagabend schwärmte alles vom neuen Traumduo Alaba/Arnautović. Vier Tage später spielte einer davon die ersten 45 Minuten im Zentrum und der andere erst nach der Pause. Zusammen keine einzige Sekunde. So beraubt man sich auch einer neu gewonnenen Stärke. In Dublin ist Arnautović, der bei den Zuschauern längst Alaba als Publikumsliebling abgelöst hat, durch seine Sperre ohenhin kein Thema.

Ob es Teamchef Koller gelingt Alaba zu einer erneuten Rolle fernab der von ihm im Team geliebten Zentrums-Position zu überreden? Wenn sich Österreich in Irland der Waffen des Bayern-Stars an der linken Flanke beraubt, wo er weit mehr Platz hat und seine Schnelligkeit besser einsetzen kann, dann platzen die letzten WM-Hoffnungen.

Markus Suttner offenbarte gegen Finnland bereits kurz nach Beginn bei einer zögerlichen Aktion an der eigenen Outlinie, wie wenig er für eine heiße Schnittpartie im vollen Aviva Stadium geeignet ist. Bei Kevin Wimmer weiß es nach einigen gescheiterten Versuchen als linker Außenverteidiger inzwischen auch der ÖFB-Coach.

Finnischer Coach vergleicht Arnautović mit Ronaldo und Messi

Aber Österreich wird in Dublin auch eine schlagkräftige Offensive brauchen. Der seit geraumer Zeit beste Mann dafür steht jedoch nicht zur Verfügung: Marko Arnautović.

Ein nicht zu ersetzender Ausfall, wie sogar der finnische Teamchef Markku Kanerva auf weltfussball-Nachfrage bestätigte: "Arnautović war in den letzten Spielen herausragend und hat dies auch nach seiner Einwechslung bewiesen. Er macht den Unterschied aus. Sein Ausfall ist so, wie wenn bei Real Ronaldo oder bei Barcelona Messi fehlen würde. Österreich wird einen anderen Spielstil wählen müssen, um das zu kompensieren."

Sein eigener Trainer lobte den Supertechniker von Stoke City ähnlich überschwänglich: "Es gibt nur einen Arnautović in Österreich. Wir wissen nicht erst seit heute, dass er mit seiner Power und seinem Spielwitz schwer zu ersetzen ist. Aber ich möchte daran erinnern, dass wir in der EM-Qualifikation gegen Russland auch in beiden Spielen auf David Alaba verzichten mussten und jeweils gewonnen haben."

Es war das Schlusswort des Marcel Koller bei der Pressekonferenz. Optimismus verbreiten, ein schönes Ende finden: Verbal gelungen. Nur nicht dort, wo es darauf ankommt. Auf dem Spielfeld. Mit Taten.

Am 11. Juni ab 18:00 Uhr in Dublin gegen Irland helfen keine zuversichtlichen Worte. Es braucht ein Nationalteam in Bestform und mit der stärksten Formation. Daran gilt es ab sofort zu arbeiten. Es wartet jede Menge Arbeit.

Mehr dazu:
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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Innsbruck

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