27.07.2017 16:25 Uhr

Royal Flush: Thalhammers riskanter Poker

Dominik Thalhammer:
Dominik Thalhammer: "Im Nachhinein denke ich mir, dass es gut und richtig war"

Um halb zwei in der Nacht kam das österreichische Frauen-Nationalteam in das Teamcamp in Wageningen zurück. Im Gepäck befand sich durch den 3:0-Erfolg über Island der sensationelle Gruppensieg. Eine kurze Nacht später bat der ÖFB gleich wieder zur Pressekonferenz.

Danach nahm sich Teamchef Dominik Thalhammer Zeit, um gegenüber weltfussball in die Tiefe zu gehen.

Herr Thalhammer, es ist ein österreichisches Problem, nicht nur im Sport, dass man sich schnell einmal zufrieden gibt. Wie schafft es ihr Team, dass es hungrig bleibt?
Man kann nicht verlangen, dass man am Platz steht und mental stabil bleibt. Da stecken jahrelange Prozesse dahinter. Es ist schön, dass langfristige Arbeit Früchte tragen kann. Das Entscheidende ist, dass man dranbleibt. Man braucht Leute, die das mittragen wollen und dem nicht im Weg stehen. Da hatte ich Glück, dass die Persönlichkeiten in der Mannschaft so ausgeprägt sind. Wir haben uns 2012/2013 von der einen oder anderen Spielerin getrennt, die diesen Weg nicht mitgehen wollte. Die aktuelle Mannschaft will den Weg gehen.

Inwiefern haben sich im Laufe des Turniers ihre Ansprachen geändert? Mit sieben Punkten und dem Gruppensieg kann man ja nicht immer ans Außenseiterdasein appellieren. Hat sich das jetzt verändert?
Eigentlich nicht. Wir schauen immer noch auf die Leistung. Es ärgert mich immer so, wenn man nur auf Ergebnisse schaut und oberflächlich ist. Intern haben wir Partien, die wir verloren haben, positiv beurteilt. Ich weiß, außerhalb argumentiert man oft so, dass wenn man Spiele gewinnt, ist alles gut. Wenn man Spiele verliert, ist alles schlecht. Diese Sichtweise haben wir total auf die Seite gedrängt und beseitigt. Wir haben nur auf die Leistung geschaut.

Ergebnisse können aber doch auch beflügeln. Beispielsweise der Sieg im letzten Vorbereitungsspiel gegen Dänemark. Hat der nicht eine richtige Euphoriewelle losgetreten?
Ja, im Nachhinein war das unglaublich wichtig. Ich weiß nicht, ob wir so stabil gewesen wären, wenn wir dieses Spiel verloren hätten. Ob wir dann gegen die Schweiz so aufgetreten wären...Das ist natürlich alles sehr hypothetisch. Es war sehr viel Risiko dabei, dass wir im Frühjahr noch so viel verändert haben. Das hätte auch total nach hinten losgehen können. Vor zwei oder drei Jahren wäre das noch undenkbar gewesen, dass man beispielsweise gegen England etwas probiert. Damals wäre man hingefahren und hätte geschaut, dass man kein Debakel bekommt. Diese Denkweise ist mittlerweile eine ganz andere. Wir sind hingefahren hin und haben gegen den Fünften der Weltrangliste etwas Neues ausprobiert. Es hat in diesem Spiel nicht alles geklappt. Auch gegen Holland hat vieles nicht geklappt. Das war ein hohes Risiko. Im Nachhinein denke ich mir, dass es gut und richtig war. Gestern konnten wir dann vier oder fünf Mal das System ändern. Das ist natürlich auch für den Gegner nicht leicht.

Gibt es eine Sache, die sie von der mentalen Seite her, von ihrem Team überrascht hat?
(Überlegt lange) Also ich hätte nicht gedacht, dass sie es so in diesem Ausmaß hinbekommen. Ich hatte immer vollstes Vertrauen. Aber dass sie es derartig hinbekommen, dass wir so am Platz stehen, ist schon genial.

Das Analyseteam muss jetzt sicher Überstunden einlegen...
Ja, sie sitzen schon drüben und holen die Daten zusammen. Heute vorm Training haben wir den Spielerinnen die besten Szenen gezeigt. Untermalt mit ihrer eigenen Musik. Einfach, um ihnen dieses positive, tolle Gefühl noch einmal zu vermitteln. Morgen sehen wir uns an, was zu verbessern gewesen wäre, was wir optimieren könnten und übermorgen widmen wir uns dann richtig dem Viertelfinalgegner.

Danke für das Gespräch

Mehr dazu:
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Johannes Sturm, weltfussball.at aus Wageningen

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