07.08.2017 09:00 Uhr

Provokation als neues Derby-Stilmittel

Bitte könnten sie liebenswürdiger Weise den Eckball schießen?
Bitte könnten sie liebenswürdiger Weise den Eckball schießen?

Das 2:2-Remis zwischen Rapid und Austria brachte am Sonntag jede Menge Gesprächsstoff. Im Mittelpunkt waren Provokationen, Schiedsrichter-Pannen und ein verschenkter Sieg der Hausherren. Im Finish lagen die Nerven sogar blank. Ein ausverkauftes Haus mit 26.000 Zuschauern in Wien-Hütteldorf erlebte am Ende aber unter dem Strich ein Wiener Derby der sportlich besseren Sorte.

Ein Doppelpack von Louis Schaub in der 39. und 55. Minute ließ den SK Rapid bereits vom ersten Triumph gegen den Stadtrivalen in der neuen Heimstätte träumen. Doch Treffer von Dominik Prokop (73.) und Raphael Holzhauser (85./Elfmeter) sorgten noch für den ersten Bundesliga-Punktgewinn der Austria in der Saison 2017/18.

In Hütteldorf spielt heut Rapid

Die 322. Auflage des Duells der beiden historisch erfolgreichsten Mannschaften des Landes zeigte einmal mehr, wie sehr der österreichische Fußball ein starkes rot-weiß-rotes "old firm" braucht. Ein Blick auf die restlichen Zuschauerzahlen der Liga reicht: 5.271 bei LASK - SKN St. Pölten, nur noch 5.032 bei Retorten-Serienmeister RB Salzburg - Admira Wacker, 3.030 bei Wolfsberger AC - SCR Altach und 3.900 bei SV Mattersburg - Sturm Graz.

Rapid hatte schon vergangene Saison mehr als doppelt so viele Fans wie die Nummer zwei der Zuschauer-Tabelle, aktuell sind es gar fast dreimal so viele. Man wagt es sich gar nicht auszudenken, dieser Verein würde endlich wieder einen Titel holen. Die Massen laufen den Grün-Weißen ohnehin schon jetzt die Türen ein. Nicht einmal eine Katastrophensaison und ein Abstiegskampf können etwas an der Begeisterung für den "Number 1 ticket seller" schlechthin ändern.
>> Die Zuschauer-Bilanz der österreichischen Bundesliga

Wer Wind sät, wird Sturm ernten

Die Austria? Schaffte es zum dritten Mal in Serie nicht einmal im Derby den Auswärts-Fansektor voll zu bekommen. Violett am Rande der Wahrnehmungsgrenze. Dafür hat man dort mit Raphael Holzhauser wieder jemand gefunden, der drauf und dran ist in Hütteldorf zum neuen "Publikumsliebling" aufzusteigen. Der solariumgebräunte Niederösterreicher hat alle Anlagen in die großen Fußstapfen eines Andi Ogris oder Joey Didulcia zu treten. Er gibt sich die größte Mühe.

Besonders beeindruckend macht das provokante Verhalten des Austria-Spielmachers wenn man bedenkt, dass er über den ATSV Teesdorf einst zum SK Rapid gekommen war. Seine starken Auftritte im Nachwuchs der Hütteldorfer ermöglichten ihm erst seine spätere Karriere in der deutschen Bundesliga. Erinnerung und Dankbarkeit dürften in der Welt des Raphael Holzhauser nicht sehr ausgeprägt vorhanden sein.

Alexander Harkam: Der schwächste Mann auf dem Platz

Sein nur mit Gelb geahndetes Foul direkt vor dem "Block West" war eine der ersten gravierenden Fehlentscheidungen vom schwächsten Mann auf dem Platz: Schiedsrichter Alexander Harkam. Dieser hatte einen desaströsen Tag und zeigte nie, dass er für ein aufgeheiztes Wiener Derby der passende "Unparteiische" sein kann. Eine Fehlbesetzung.

Es passte wie die Faust auf's Auge, dass er kurz vor der Pause ein klares Strafraum-Foul des bereits mit Gelb verwarnten Petar Filipović an Joelinton nicht ahndete. Statt Gelb-Rot und Elfmeter einfach weiterspielen. Mehr daneben kann man in einer Aktion nicht liegen.

"Der Strafstoß für Rapid wäre die klügere Entscheidung gewesen, ich habe aber das Vergehen nicht als solches wahrgenommen", gestand der Steirer nach der Partie. Ehrlich. Bringt Rapid aber nichts mehr.

Rapid hat keine Kraft für "Vollstoff"

Die gute Nachricht für die Fans des SK Rapid: Die Grün-Weißen spielen endlich wieder ansatzweise so Fußball, wie es die Anhängerschaft sehen will. "Immer vorwärts Rapid Wien", lautet ja auch die strikte Aufforderung von den Tribünen. Unter Goran Djuricin erinnert man sich an die Traditionen. "1. Wiener Arbeiter Fußballklub": Aggressiv, leidenschaftlich, hart in den Zweikämpfen, offensiv, nie zurückziehen.

Die schlechte Nachricht für die Fans des SK Rapid: Es reicht noch lange nicht für 90 Minuten. Der Spielstil mit Forechecking (dies wurde schon in den 70er-Jahren von Mannschaften des legendären Erfolgstrainers Ernst Happel gespielt und nicht erst seit den neudeutschen selbsternannten "Pressing"-Meistern) kostet so viel Kraft, dass nach 70 Minuten kein Tropfen Benzin oder Diesel mehr im Tank ist. Drittes Ligaspiel. Dritte 2:0-Führung. Zum dritten Mal eingebrochen. Kein Zufall.

"Wir arbeiten daran, dass wir Kraft für 'Vollstoff' über 90 Minuten haben", gestand "Gogo" Djuricin in den vergangenen Wochen. Vielleicht sollte er aber auch einmal seine Wechsel-Taktik hinterfragen. Ein erfahrener Chefcoach hätte gemerkt, dass seine Mannschaft am Ende der Kräfte ist. Der Oberhaus-Neuling hingegen reagierte erst nach 71 Minuten, am Ende verzichtete er sogar auf einen dritten Wechsel.

Wer bei der Qualität spart, wie Rapid beim Betreuerstab (der Wunsch nach einem zusätzlichen Co-Trainer wurde nicht erfüllt) oder bei der Suche nach einem neuen Stürmer, der wird eben dafür bestraft.

Die Austria freut sich über ihren ersten Punkt

Die gute Nachricht für die Fans der Austria ("Welche?", fragten am Sonntag nicht nur böse Zungen in Wien-Hütteldorf): Man hat den ersten Punkt. Der deshalb euphorisierte Trainer Thorsten Fink sprach deshalb auf der Pressekonferenz sogar von "Matchwinner" Dominik Prokop. Der gute Mann aus dem nördlichen Nachbarland hatte offensichtlich zunächst verdrängt, dass die Partie 2:2 ausgegangen ist.

Die schlechte Nachricht für die Fans der Austria: Fast niemand interessiert es. 

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Christian Tragschitz

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