09.08.2017 15:55 Uhr

Vom Nirgendwo in die Premier League

Ob die Seagulls am Ende doch wieder allen anderen am Schädel sch***?
Ob die Seagulls am Ende doch wieder allen anderen am Schädel sch***?

Nicht Meister Chelsea und auch nicht FA-Cup-Sieger Arsenal haben das Samstag-Abendspiel der Premier League ausgefasst. Brighton & Hove Albion darf am ersten Spieltag daheim zur "Prime Time" ran. Das hat triftige Gründe.

Erdrückende Schulden. Heimatlos. An der Kippe zur Conference League. Die Wiederauferstehung von Brighton & Hove Albion ist märchenhaft. Samstag schreiben die Seagulls (Seemöwen) mit ÖFB-Legionär Markus Suttner das nächste Kapitel: Die Rückkehr in die Premier League nach 34 Jahren Absenz. Zum Auftakt kommt Manchester City (ab 18:30 Uhr im weltfussball-Liveticker) in den mit 30.750 Zuschauern längst ausverkauften schmucken Fußballtempel Amex Stadium. Selbst die Parkplätze sind schon vergeben.

Vor fast genau 20 Jahren stand der 1901 gegründete Klub vor dem Aus. Klubchef Bill Archer und Geschäftsführer David Bellotti verkauften zur Schuldentilgung das Stadion "Goldstone Ground" und scherten sich einen Dreck um eine neue Heimstätte.

2.174 Mal flogen die Seagulls von 1902 bis 1997 im Goldstone ein und wurden von Generationen von Fans mitten in Brighton bejubelt. Sportlich gelang ihnen 1996/1997 trotz widrigster Umstände eine Punktlandung vor dem Abgrund. Mit einem 1:1-Unentschieden im letzten Spiel bei Hereford United krallten sich die teilweise (noch) nicht bezahlten Spieler gerade noch in der Third Division fest. Ansonsten wären sie in den Amateur-Bereich der Conference abgestürzt und alles wäre vorbei gewesen.

Archer (ein Geschäftsmann) und Bellotti (ein Politiker) kassierten hingegen fest ab. Mittlerweile steht am Goldstone Ground ein Einkaufszentrum. Die Seagulls wurden obdachlos.

Ihre "Heimspiele" mussten sie bis 1999 im knapp 100km entfernten Gillingham im "Priestfield Stadium" austragen. "Das fühlte sich in etwa so an, als würden wir zu Saisonvorbereitungsspielen nach Norwegen reisen", blickt der spätere (Mit-)Retter der Seagulls und lebenslange Anhänger Dick Knight in einer Doku des "Guardian" zurück. Ein anderer Fan formuliert es brachial: "Vom schönen Park wurden wir in eine Toilette umquartiert." Danach wurde in Brighton das Withdean Stadium, eine Leichtathletik-Bruchbude, adapiert. Ein Fußball-Stadion mit Laufbahn also, ein absolutes "No Go" in England.

Blank ziehen und Blumen für den Premier

Es sollte 14 Jahre dauern bis die Seagulls etwas außerhalb von Brighton wieder eine richtige Heimstätte bekamen - das "Falmer Stadium" (alias "Amex Stadium" - die Namensrechte liegen bei American Express). Bis dahin war es eine Odysee mit unzähligen Fan- und Klub-Initiativen um lokale und internationale Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik aus den Sesseln zu bringen bzw. Geld zu sammeln.

Unter anderem gab's einen Weihnachtskalender zu erwerben, in dem die Spieler blank zogen, oder einem Cover-Song "We want Falmer" zu erstehen, der sogar Platz 17 der UK-Charts erreichte. Einmal schickten alle 92 Profi-Klubs Premierminister Gordon Brown Blumenbouquets am Valentinstag, mit Grußkärtchen auf der sie die Dringlichkeit eines Stadions für die Seagulls untermauerten.

"Das wichtigste aber war, dass wir Fans alle zusammen gehalten und an einem Strang gezogen haben", weiß Knight, der den Klub schließlich an der Spitze eines mehrmals die Woche tagenden "Boards" übernahm und die Geschicke bis 2009 führte. Sein Nachfolger Tony Bloom regelte mit rund 100 Millionen Euro an Einlagen die Stadion-Finanzierungsfrage und hält nun beim Klub 75 Prozent Anteile. Poker-Fans ist "The Lizard" (in seinen Adern soll Alligatoren-Blut fließen) sicher ein Begriff. Er saß schon am "Final-Table" der "World Series" und kassierte bislang fast vier Mio. Dollar an Preisgeldern.

Suttner scharrt in den Startlöchern

Rechtzeitig zur Stadioneröffnung stiegen die Seagulls 2010/2011 als Meister der League One (vor durchschnittlich 7.352 Zuschauern) in die zweitklassige Championship auf. Letzten Sommer schafften sie (vor durchschnittlich 27.996 Besuchern) im "The Falmer" als Vizemeister hinter Newcastle United den Direktaufstieg in die Premier League.

Als Kapitän in der vermeintlich besten Liga der Welt anführen wird sie der 36-jährige spanische Abwehrchef Bruno, der seit 2012 beim Verein ist. Suttner ist mit 4,5 Millionen Euro Ablöse der viertteuerste Transfer in der 116-jährigen Klubgeschichte. Er möchte ebenfalls ein Führungsspieler werden. In ihren Saison-Vorschauen sehen fast alle englischen Medien Brighton & Hove Albion auf dem letzten Platz. Aber vielleicht sch*** Sutti und Co. ihnen ja allen wieder am Schädel.

Schwanzverlängerung 

Die Bauarbeiter vom "The Falmer" hatten übrigens ähnliches im Sinn. Sie bekamen die Anweisung am oberen Hauptrang die blauen und weißen Sitze so zu platzieren, dass eine riesige Möwe zu erkennen ist. Wahrscheinlich aufgrund eines Überhangs an weißen Sitzen verrichtete die Möwe nach Vollendung des Kunstwerks gerade ihr Geschäft. Die Vereinsführung ließ die vier weißen "Kot-Sesseln" aber wieder ersetzen und die Möwe bekam dann einen längeren Vogelschwanz.

Mehr dazu:
>> Brighton nach 34 Jahren wieder erstklassig
>> Spielplan Premier League

Thomas Schöpf  

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