09.10.2017 22:40 Uhr

Adieu im Armenhaus Europas

Die letzten Notizen im Block von ÖFB-Teamchef Marcel Koller
Die letzten Notizen im Block von ÖFB-Teamchef Marcel Koller

Die Ära von Marcel Koller als ÖFB-Teamchef ist zu Ende. Im "Armenhaus Europas" verabschiedete er sich am Montagabend mit einem 1:0-Auswärtssieg zum Abschluss der WM-Qualifikation gegen die Republik Moldau. Ein Goldtor von Louis Schaub sicherte die drei Punkte im letzten Bewerbsspiel unter dem 56-Jährigen Schweizer.

Chișinău, Stadionul Zimbru, Oktober. Es gibt glorreichere Destination um nach sechs Jahren im Amt bei einer bereits bedeutungslosen Partie Adieu zu sagen. Hans Krankl wäre wohl wie einst als Rapid-Trainer mit einem T-Shirt der Toten Hosen und dem Aufdruck "Bis zum bitteren Ende" aufgetreten. Marcel Koller wählte eine warme Trainingsjacke des ÖFB-Aufrüsters. In weiser Voraussicht. Es ist kalt geworden im Herbst 2017 rund um das österreichische Nationalteam.

Auch das Abschiedskomitee seiner Wegbegleiter hatte sich nicht sehr zahlreich für die Reise in die ehemalige Sowjet-Republik erwärmen können. Im Gegenteil, die Liste der Abwesenden war lang: Robert Almer, Sebastian Prödl, Zlatko Junuzović, Alessandro Schöpf, David Alaba, Martin Harnik, Marcel Sabitzer, Martin Hinteregger, Aleksandar Dragović, Stefan Ilsanker. Namen für eine äußerst prominente ÖFB-Aufstellung bei einem Team der Fehlenden.

Österreich, adé - Rückkehr in die Schweiz

Heuer ging erstmals seit zehn Jahren die Zahl der Schweizer zurück, die in Österreich Ferien machten. Urlaub waren die Wien-Aufenthalte von Marcel Koller nie. Sondern harte Arbeit. Belohnt mit der imposanten EM-Qualifikation. Abgehoben auf Wolke sieben. Aufgestiegen in den Fußball-Himmel. Aufgefahren in luftige Höhen der FIFA-Weltrangliste.

Abgestürzt bei der Europameisterschaft in Frankreich. Zurückgeholt in die Realität mit den Positions-Diskussionen seines Starspielers. Unsanfte Bruchlandung mit der völlig verpatzten WM-Qualifikation. Die nach Chișinău mitgereisten Fans des österreichischen Nationalteams ließen dennoch mehrmals jene Sprechchöre vernehmen, die in der Hochphase der rot-weiß-roten Auswahl zum fixen Bestandteil geworden waren. "Marcel Koller", hallte es von den Stehplätzen im Unterrang hinter dem Tor.

Auf der VIP-Tribüne nervte hingegen ein extrem mitteilungsbedürftiger "Experte" die restlichen Anwesenden. Seine Kommentare waren ebenso entbehrlich wie jene vieler Präsidenten der Landesverbände in jüngster Vergangenheit.  

Marcel Koller stand in seiner Coaching-Zone auf der Gegenseite. Damit blieben ihm diese verbalen Schwachsinnigkeiten erspart. "Es waren sechs wunderbare Jahre", hatte der Teamchef gegenüber weltfussball seine Tätigkeit als Chefcoach des ÖFB-Team zusammengefasst. "Ich denke wir haben etwas sehr Gutes erreicht und zuletzt auch viele neue Spieler dazugeholt. Es war eine wunderschöne Zeit und ich werde sie bis zum Ende genießen."

Kein Büro für zwei Teamchefs

Am Dienstag geht es in der Früh zurück nach Wien. Es wird wohl seine letzte ÖFB-Dienstreise sein. Beim Länderspiel im November gegen Uruguay soll dann schon sein Nachfolger auf der Betreuerbank sitzen. Jener Trainer, welchen der neue Sportdirektor Peter Schöttel suchen muss. 

Dabei endet der Vertrag von Marcel Koller erst mit Ende Dezember 2017. Der Schweizer wurde bisher noch nicht über die weitere Vorgangsweise des Verbandes informiert. Obwohl natürlich auch er gerne Klarheit hätte. "Es wäre normal, wenn man darüber spricht. Es werden ja wohl kaum zwei Teamchefs im selben Büro sitzen", meinte der ÖFB-Langzeitcoach.

Von der Verbandsspitze gab es indes gegenüber weltfussball Andeutungen, dass eine baldige Freistellung des Schweizers die Platz-"Problematik" in den ÖFB-Räumlichkeiten in Ernst Happel-Stadion lösen könnte. Alles Gute für die Zukunft Marcel Koller!     

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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Chișinău

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