05.01.2018 12:00 Uhr

"Mache mir große Sorgen um den SKN"

Der letzte große Anpacker beim SKN: Christoph Brunnauer
Der letzte große Anpacker beim SKN: Christoph Brunnauer

Christoph Brunnauer hat als Nachwuchs-Chef und Sportdirektor den SKN St. Pölten mit Langzeitcoach Martin Scherb auf professionelle Schienen gestellt und von einem Außenseiter in der Regionalliga Ost zu einem Top-Klub in der Ersten Liga geformt. Vor drei Jahren bekam der St. Pöltner den Laufpass. 

2017 ereilte Frenkie Schinkels dasselbe Schicksal. Trainer Jochen Fallmann warf das Handtuch, weil er mit Sportdirektor Markus Schupp nicht konnte und mit Kassier Christian Walter ging auch das letzte Gründungsmitglied mit der Feststellung: "Zuviele Köche verderben hier den Brei." 

Im Interview mit weltfussball.at wird offensichtlich, wie nahe Brunnauer die Talfahrt "seines" Klubs geht, für den er sich über ein Jahrzehnt zerrissen hat und nun nur mehr als privater Fan auf der VIP-Tribüne anzutreffen ist. Brunnauer kennt auch ein Führungsduo, das eine Idealbesetzung wäre, und rät dem SKN, sich lieber an der Admira zu orientieren (und an Ried), als diese zu belächeln.
 
Weltfussball: 2017 war ein Seuchenjahr für den St. Pöltner Fußball. Traditionsklub Sturm 19 ist tot. Die letzten VSE- und FCN-Utensilien wurden vom Voith-Platz auf die Mülldeponie gekarrt und die wenigen St. Pöltner in Führungspositionen beim SKN auch mehr oder weniger entsorgt, oder gingen sogar freiwillig.
 
Brunnauer (springt sofort an): Dafür haben wir jetzt eine Kooperation mit einem portugiesischen Abstiegskandidaten. Da frage ich mich schon, ob das nicht ein Ablenkungsmanöver ist vor den wirklichen Problemen des Vereins! Welche Kooperation in den letzen 20 Jahren hat in Österreich irgendwem was gebracht? Sogar die Wiener Großvereine haben diese Partnerschaften aufgegeben. Es ist zwar eine tolle Geschichte für Horst Zangl (Internationalisierungsbeauftragter des SKN, Anm.), aber was soll im Endeffekt da raus kommen? Was bitte bringen zwei 18-jährige Portugiesen dem SKN? Ein Führungsspieler wäre gefragt. Wo ist beim SKN ein Segovia? Wo ist ein Fallmann, oder Nentwich? Wo ist von mir aus ein Dober? Der SKN muss jetzt ehestmöglich die Akademie übernehmen und das LAZ einbinden, um nicht in naher Zukunft mit 180 Stundenkilometer gegen die Wand zu rasen.
 
An dieser Stelle würden die Klubverantwortlichen auf das Mini-Budget verweisen.
 
Wenn ich das schon höre! Dieses 'Wir sind das Armenhaus'-Märchen! Es gibt nur vier bis fünf Mannschaften in Österreich, die mehr zur Verfügung haben. Der SKN hat ein Budget von rund 7 Millionen Euro, leistet sich bislang keine Akademie und kann zu einem äußerst moderaten Preis das Stadion nützen. Sie schimpfen und lachen beim SKN immer über die Admira. Aber genau die sollten sie sich als Vorbild nehmen. Die ist uns zehn Jahre voraus, mindestens! Der SKN hat für seine in der Champions League spielenden Frauen noch immer keine fixe Heimstätte und lässt die Juniors in Ober-Grafendorf spielen, ist quasi Hauptsponsor des FC Ober-Grafendorf.
 
Kam der Bundesliga-Aufstieg zu schnell?
 
Ja. Sicher um mindestens ein Jahr zu früh. Dennoch muss irgendwann einmal klar werden, für was der SKN eigentlich steht? Die Fans resignieren ja auch schon. Das St. Pöltner Publikum ist sicher nicht das einfachste, aber sobald ein paar Dinge funktionieren, springt der Funke über und sie werden euphorisch. Mittlerweile sind alle nur mehr mitleidig. Ich möchte jetzt kein Besserwisser sein, aber ich mache mir seit einiger Zeit große Sorgen um den SKN. Wie sind die Visionen und welche Strukturen sind zu erkennnen, für was steht der SKN überhaupt?
>> Fallmann: "Der St. Pöltner ist ein nörglerischer Typ"
 
Was muss sich konkret ändern?
 
Ich muss zumindest eine klare Linie haben. Derzeit spielen zahlreiche Legionäre aus verschiedensten Ländern für den SKN, oder schauen von der Tribüne aus zu. Um die muss ich mich kümmern. Da brauchst du mehrere Dolmetscher und Leute, die ihnen bei organisatorischen Dingen helfen. Die gibt’s hier aber nicht. Und - was nicht nur ich so mitbekomme - gibt es eine starke Grüppchenbildung. Das ist angesichts der Nachlässigkeiten einfach nur logisch. Wie kann ich nur einen Stürmer aus Nordkorea verpflichten und den dann irgendwo rumhängen lassen? Wir haben uns damals auf die Spanier konzentriert und die haben sich sofort integriert. Segovia hat nach drei Monaten nur mehr Deutsch geredet. Jano ist nach einem 'Crash-Kurs' richtig aufgetaut. Sicherlich hatten wir auch Fehleinkäufe. Aber einen Kader mit sechs Mittelstürmern für eine Position hatten wir nie.
 
Hatte Markus Schupp einfach nur zu wenig Zeit?
 
Das war ein Kardinalfehler, Schinkels im Mai rauszuwerfen. Schupp musste sofort neue Spieler bringen und war noch völlig fremd im Verein. Angeblich ist er es auch nach wie vor. David Atanga und Philipp Malicsek können jetzt sicher helfen, sind aber auch wieder nur bis Sommer da.
 
Dafür "dürfen" einige Spieler den Verein im Jänner verlassen.
 
Das schau’ ich mir an, wer diese Spieler jetzt nimmt. Noch dazu haben die plötzlich alle Drei-Jahres-Verträge bekommen. Die wird sich niemand leisten wollen. Ausgerechnet den Thomas Vollnhofer wollen sie los werden. Der wohnt drei Minuten vom Stadion weg, kommt dir noch jahrelang zu jedem Training rüber und ist mehr als nur ein Ersatz für Christoph Riegler. Solche Leute gehören in den Verein integriert und nicht verjagt!
 
Angeblich hat es Präsident Gottfried Tröstl im Dezember fast erwischt?
 
Diese Gerüchte gingen um, kann ich aber nicht kommentieren. Für mich wäre Thomas Nentwich der ideale starke Mann beim SKN. Er kennt sich als ehemaliger Spieler und Trainer bestens im St. Pöltner Umfeld aus und hat als langjähriger Chef einer Gärtnerei auch betriebswirtschaftliches Know-How. Toni Pfeffer ist ohnehin ganz nah beim Verein und gut vernetzt. Er sollte ihn dabei unterstützen und auch selbst Verantwortung übernehmen!
>> SKN-Urgestein Nentwich glaubt an Trendwende


 
Angesichts des drohenden Abstiegs, wird sich aber kaum wer um den Job reißen?
 
Klar. Aber schauen wir doch nach Ried. Die haben nach dem Abstieg wieder ihre Lehren gezogen und sind am besten Weg zum Wiederaufstieg. Würde mich nicht überraschen, wenn die nächstes Jahr in der Bundesliga richtig gut aufgestellt sind und stärker retour kommen!
 
Die verstehen es vor allem, junge Spieler einzubauen.
 
Da wären wir wieder bei der Akademie. Mich hätten sie damals schon fast abgeschossen, als sie erfahren haben, dass Florian Grillitsch von der Akademie direkt zu Werder Bremen wechselt. Natürlich habe ich mich auch um ihn bemüht, als er noch in der St. Pöltner Akademie gespielt hat. Da war ich ungefähr der Zwölfte in der Warteschlange, in der auch Red Bull gestanden ist und keine Chance gehabt hat. So einen Spieler zu holen, davon ist der SKN ungefähr so weit entfernt, wie wir zwei, die wir hier sitzen, vom Mond.

Mehr dazu:
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>> "Fallmann hat wie Scherb das Trainergen"

Das Interview führte Thomas Schöpf

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