10.01.2018 12:52 Uhr

Der Held, der zum Landesverräter wurde

Legendärer WM-Torschütze: Jürgen Sparwasser
Legendärer WM-Torschütze: Jürgen Sparwasser

Jürgen Sparwasser erzielte bei der WM 1974 gegen die Bundesrepublik das wichtigste Tor der DDR-Fußballgeschichte. 14 Jahre später flüchtete der Stürmer in den Westen, weil er sich vom SED-Regime nicht mehr instrumentalisieren lassen wollte.

Am 10. Januar 1988 hatte Jürgen Sparwasser genug von seinem Status als Propaganda-Objekt. Seit seinem Treffer zum sensationellen 1:0-Erfolg der DDR über den großen Favoriten aus dem Westen bei der Weltmeisterschaft 1974 hatte die DDR-Führung Sparwasser zum Nationalhelden auserkoren - als lebender Beweis für die Überlegenheit des Sozialismus.

Nach seiner aktiven Laufbahn sollte der ehemalige Top-Stürmer zum Vorzeigetrainer seines alten Klubs 1. FC Magdeburg aufgebaut werden – so wollten es zumindest die SED-Funktionäre.

"Dreimal", so erzählte Sparwasser Jahre später in einem Zeitungsinterview, "hatte ich Nein gesagt, nachdem mich der zweithöchste SED-Funktionär von Magdeburg als Cheftrainer für den Klub haben wollte. Danach war klar, dass ich in der DDR nicht mehr die berufliche Perspektive haben werde, die ich mir ausgemalt hatte." 

Eigentlich wollte der gebürtige Halberstädter an der pädagogischen Hochschule promovieren. So viel Widerspenstigkeit ließen die Machthaber aber nicht durchgehen und verwehrten ihrem Nationalhelden die universitäre Karriere.

Familiäre Wiedervereinigung in Frankfurt

Im Januar 1988 zog Sparwasser einen Schlussstrich und nutzte ein Prominententurnier in Saarbrücken, an dem er mit der Altherrenmannschaft des 1. FC Magdeburg teilnahm, um sich in den Westen abzusetzen.

Von einem gemeinsamen Stadtbummel kehrte Sparwasser nicht mehr in das Hotel zurück. Die Republikflucht war perfekt geplant, denn seine Frau Christa befand sich zur gleichen Zeit auf Verwandtenbesuch in Lüneburg. "Der Erich Mielke (Chef der Staatssicherheit, Anm. d. Red.) hat damals gepennt", witzelt der Republikflüchtling später angesichts der ansonsten so restriktiven Besuchserlaubnisse für den Westen. In Frankfurt am Main traf sich das Ehepaar am Bahnhof wieder und begann in der Bankenmetropole ein neues Leben.

Vom Co-Trainer zum Ausbilder

Als Co-Trainer kam der ehemalige DDR-Star für zwei Jahre bei Eintracht Frankfurt unter. Eine große Trainerkarriere blieb Sparwasser im Westen allerdings verwehrt. Die 17-monatige Amtszeit beim damaligen Zweitligisten Darmstadt 98 war seine einzige Station als Cheftrainer im Profi-Fußball. Heute ist Sparwasser als Ausbilder im Nachwuchsfußball tätig. Bereut hat er die Flucht in den Westen nie.

Während das einstige Ost-Idol versuchte, im Westen Fuß zu fassen, tilgte das Regime jenseits der Mauer dessen Vita aus den Annalen der DDR-Nationalmannschaft. Nichts sollte mehr an den Landesverräter erinnern – ein aussichtsloses Unterfangen. Denn bis heute hat sich kaum ein Tor so ins kollektive Gedächtnis in Ost wie West eingetragen wie das des damals 26-Jährigen im Hamburger Volksparkstadion gegen Beckenbauer & Co..

Ralf Amshove

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