30.01.2018 10:00 Uhr

Scherb: "Auswahltrainer fühlt sich gut an"

Martin Scherb hat es vom Amateur-Spieler zum ÖFB-Auswahltrainer geschafft. Derzeit ist sein Auto sein Büro. Es gilt eine U15-Auswahl für das Trainingslager auf Zypern und eine U19-Auswahl für das Trainingslager in Spanien (beides im Februar) zusammen zu stellen und die U19 zur EM in Finnland zu führen.

Auf dem Weg von Herzogenburg nach Salzburg zu Red Bull hat Scherb am frühen Montagmorgen Zeit gefunden, einen Torausschuss von der St. Pöltner NV Arena entfernt, im Cafe Punschkrapferl, über seine drei ÖFB-Jobs zu plaudern.

Weltfussball: Sie haben ihre ersten Wochen beim ÖFB hinter sich. Wie haben sie sich eingelebt?

Scherb: Ganz gut! Ein Vorteil war, dass ich die handelnden Personen zum Großteil gekannt habe. Im Wesentlichen habe ich drei Aufgabengebiete: Die U15 - wo wir eineinhalb Jahre Zeit haben bis zur ersten Quali, einer U17-Quali. Die U19 - da haben wir im März die Eliterunde der EM-Quali. Die dritte Aufgabe sind die LAZ – da arbeiten Hermann Stadler (Region West, Anm.) und ich mit den Sportdirektoren der Landesverbände gemeinsam daran, alles zu evaluieren und zu hinterfragen, um in Absprache den einen oder anderen neuen Reiz zu setzen, um noch besser zu werden.

Die meisten ÖFB-Teamchefs waren Profi-Fußballer und Teamspieler. Sie haben es vom Amateurspieler zum Auswahl-Trainer gebracht. Sind sie stolz darauf?

Stolz ist das falsche Wort. Es freut mich aber, dass ich einige Ziele in meiner Trainerkarriere erreicht habe, an die ich nicht zu denken gewagt habe, als ich vor 20 Jahren als Spielertrainer beim SC St. Pölten in der 2. Klasse begonnen habe. Neben der handwerklichen Ausbildung ist für mich der ständige Austausch unter den Trainern das Wichtigste, vor allem zwischen den Generationen.

Sie hospitieren oft. Gibt’s ein Vorbild?

Mitnehmen kann man immer etwas. Vorbild habe ich keines. Rafael Benítez hat einmal den treffenden Satz gesagt "Das Wichtigste im Trainerjob ist immer neugierig zu bleiben und neuen Dingen gegenüber aufgeschlossen zu sein." Ich schaue mir viel an. Jeder ist anders, hat seine eigene Art. Abschauen ist gut, imitieren nicht. Das Wichtigste ist, authentisch zu bleiben.

Sie haben eine Zeit lang auf Facebook über ihre Trainertätigkeit berichtet, damit aber aufgehört. Warum?

Wenn man so etwas macht, soll man es gescheit machen. Das geht sich derzeit zeitlich einfach nicht aus.

Jahrelang sind sie ständig am Trainingsplatz gestanden. Jetzt ist mehr oder weniger ihr Auto ihr Büro. Welcher Job ist spannender?

Schwer zu sagen. Sportdirektor hätte mich auch interessiert. Auswahltrainer ist so ein Mittelding, viel organisieren, viel strategisch planen, aber du stehst auch am Platz. Das ist eine ganz gute Sache für mich, es fühlt sich gut an.

Bei der U19 ist das Ziel klar, oder?

Wir haben mit Dänemark aus Topf 1, Türkei und Bosnien eine ausgeglichene Gruppe ohne Topfavoriten - wir hätten ja auch Deutschland oder Frankreich bekommen können. Nur der Sieger darf zur EM. Also wollen wir die Gruppe gewinnen.

Wie erfolgt die Selektion bei der neuen U15?

Es gab grundsätzlich eine Selektion Ost und West mit je 30 Spielern auf Grund der Sichtungen der ÖFB-Trainer und der Empfehlungen der Akademien. Es gibt kaum einen guten Spieler, der nicht irgendwo gesehen worden ist. Aus diesen beiden bildet sich der erste Stamm. Hier bin ich natürlich ständig in Kontakt mit den jeweiligen Trainern über die Entwicklung der Spieler.

Spieler, die mit 15 Jahren noch in keiner Akademie sind, haben heutzutage kaum noch Chancen, irgendwann in ein ÖFB-Nationalteam zu kommen. Oder?

Wenn jemand so gut ist, wird sich der eine oder andere Verein früher oder später bei ihm melden. Es wird immer Ausnahmen geben, die mit 16 Jahren schon irgendwo in einer Kampfmannschaft gespielt haben und mit 18 bei einem großen Klub landen. Thorsten Röcher wollte die Akademie St. Pölten in meiner Zeit dort vom SV Gloggnitz holen. Er wollte aber nicht kommen und wurde Jahre später vom SV Mattersburg eigentlich für die zweite Mannschaft geholt und spielt nun sogar für Sturm. Mit Herzogenburg haben wir in der 1. NÖ Landesliga gegen Wiener Neustadt gespielt, wo ein 15-Jähriger namens Christian Fuchs herausgestochen ist. Christoph Monschein war auch in keiner Akademie, aber zumindest in einer Landesauswahl und hat es über Ebreichsdorf geschafft. Auf irgendeinem Zettel landen solche Leute immer irgendwann.

Sie sind 48 und betreuen 19- bzw. 15-Jährige. Ist die Kommunikation auch eine Herausforderung? Gibt’s Whats-App-Gruppen?

Natürlich gibt’s Whats-App-Gruppen! Die hat es auch schon beim SKN St. Pölten und in Altach gegeben. Ich habe zwei Töchter, die 18 und 15 Jahre alt sind, und kenne diese Altersgruppen. Außerdem war ich Spezialtrainer in der Akademie St. Pölten und habe die U14 und U15 Landesauswahlen gehabt. In der U15 werde ich jetzt einmal eine Bestandsaufnahme machen, viele Vier-Augen-Gespräche führen. Was sind die persönlichen Ziele? Ist der Spieler schon reifer, oder noch kindlich, was beides voll normal ist. Als Teamchef möchte ich eine gewisse Vertrauensbasis aufbauen. Aufdrängen werde ich mich nicht, aber wenn jemand Hilfe braucht, bin ich natürlich da.

Tun sie sich als ehemaliger Bundesliga-Trainer leichter, einen U19-Spieler von einem Profiklub los zu bekommen?

(Lacht). Nein. Überreden lasst sich keiner. Es gilt immer zu schauen, was das Beste für die Spieler ist. Die Trainer wissen auch, wir haben eine Eliterunde und unser Trainingslager ist sehr wichtig für die Vorbereitung. Bei Liefering ist es schwierig, da die ja auch noch Youth League spielen. Andere wiederum sind beim Bundesheer. Wenn du einen persönlichen Bezug zu den Trainerkollegen hast, wird die Kommunikation etwas einfacher, aber überreden gibt’s da nicht.

Für die Herausforderungen beim ÖFB haben sie ja sogar ihren Traumjob Sportjournalist aufgegeben!

(grinst) Stimmt. Als Kind wollen die meisten Polizist, Lokführer oder Fußballprofi werden. Ich habe einmal Sportjournalist aufgeschrieben. Meine Jobs bei der "Sportzeitung" und bei "Sky" haben mir unheimlich getaugt, einmal die andere Seite gezeigt und auch weitergeholfen. Für die nächsten paar Jahre habe ich aber vor beim ÖFB zu bleiben, weil hier sehr interessante und spannende Aufgaben anstehen.

Mehr dazu:
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Das Interview führte Thomas Schöpf

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