29.03.2018 15:21 Uhr

Letsch: "Haben in kurzer Zeit etwas bewegt"

Thomas Letsch stand weltfussball im Interview Rede und Antwort
Thomas Letsch stand weltfussball im Interview Rede und Antwort

Austria-Wien-Trainer Thomas Letsch im Interview über Entwicklungsarbeit trotz vertraglichen Ablaufdatums, Raphael Holzhauser, an dem man "nicht alles festmachen" soll und die Wichtigkeit, "als Trainer penetrant" zu sein.

Nach zwei klaren Siegen gegen die mit Abstand schwächsten Teams, die die Bundesliga heuer zu bieten hat und einem 0:5-Debakel beim nationalen Branchenprimus Red Bull Salzburg stellt sich die Frage, wo für Austria Wien die Reise nach dem Trainerwechsel hingeht.

Im weltfussball-Interview versucht Viola-Coach Thomas Letsch, darauf eine Antwort zu finden. Außerdem beschreibt der 49-Jährige die Trainingswochen während der Länderspielpause, nennt das Ziel für das letzte Meisterschaftsviertel und erklärt, wie er mit perspektivischer Herangehensweise auch kurzfristig erfolgreich sein will.

weltfussball: Herr Letsch, seit genau einem Monat sind Sie bei der Austria im Amt und hatten nun durch die Länderspielpause Zeit, intensiv mit der Mannschaft zu arbeiten. Worauf lag in diesen zwei Wochen das Hauptaugenmerk im Training?

Thomas Letsch: In der ersten Woche ging es schon auch darum, zu regenerieren - auf physischer und auch psychischer Ebene. Gerade wenn man neu zu einer Mannschaft kommt, muss man als Trainer aufpassen, dass man die Spieler nicht überfordert. In der zweiten Woche lag der Schwerpunkt auf dem Spiel gegen den Ball. Zunächst ging es um eher grundlegende Dinge und ab Donnerstag legten wir den Fokus auf unser Offensivspiel und die Vorbereitung auf die Partie gegen Altach.

In welcher Verfassung fanden Sie die Mannschaft nach Ihrer Übernahme vor?

Die Mannschaft war von Anfang an offen, lernwillig und hat die Dinge angenommen. Die Ergebnisse hatten einfach nicht gepasst und wenn das passiert, strotzt die Mannschaft nicht gerade vor Selbstvertrauen. Deshalb was es wichtig, dass wir die ersten beiden Spiele gewannen, um ihr wieder das Gefühl des Siegens zu geben.

Dann kam das 0:5 in Salzburg.

Wir wollten auch dort gewinnen und obwohl die Niederlage in der Höhe verdient war, war es trotzdem ein Spiel, das wir nicht verlieren hätten müssen. Das hört sich widersprüchlich an, aber ich habe gleich nach Abpfiff gesagt, dass das ein komisches Spiel war. Wir bekamen ein unnötiges Gegentor in der ersten Hälfte und nach dem 2:0 sind wir auseinandergefallen. Was dann geschah, war nicht gut und das darf uns auch nicht mehr passieren.

Wie schwierig war es, die Mannschaft danach wieder aufzurichten?

Das Spiel war relativ schnell abgehakt, da musste ich niemanden aufbauen. Salzburg war an diesem Tag unterm Strich deutlich besser und steht derzeit einfach über allen anderen in der Liga. Für uns war es wichtig, jetzt diese zwei Wochen zu nutzen und an die nächsten Aufgaben zu denken. Salzburg haben wir zum Saisonende wieder und dann wollen wir zeigen, dass wir uns in der Zwischenzeit einige Dinge erarbeitet haben. Aber erst stehen andere, wichtige Spiele an.

Zwei ungefährdete Siege gegen die abgeschlagenen Nachzügler und ein 0:5 in Salzburg. Welche Rückschlüsse lassen ihre ersten drei Partien als Austria-Coach zu?

Eine Mannschaft, die jetzt nicht unbedingt vor Selbstvertrauen strotzt, muss auch solche Spiele erst einmal gewinnen. Klar kann man im Nachhinein sagen, das gegen den WAC und St. Pölten waren Pflichtsiege, aber jeder wusste, dass wir in diesen Spielen eigentlich nur etwas zu verlieren hatten. So gesehen, ist das schon eine Leistung, die man nicht schlechter reden muss, als sie ist. Und Salzburg ist nicht der Maßstab. Im letzten Saisonviertel haben wir jeden Gegner noch einmal vor der Brust und wir wollen in der Tabelle dieses vierten Quartals so weit oben wie möglich stehen.


Thomas Letsch gibt Raphael Holzhauser und Co. die Richtung vor

Florian Klein hat weltfussball gegenüber im Gespräch zuletzt bestätigt, dass Sie für eine völlig andere Fußballphilosophie stehen als Ihr Vorgänger Thorsten Fink. Wie war diese Umstellung für die Mannschaft und wie schnell haben die Spieler verinnerlicht, was Sie auf dem Platz verlangen?

Das Ziel war, dass man schon im ersten Spiel ein paar Dinge sieht und das ist uns, denke ich, gelungen. Es geht im Prinzip immer um Kleinigkeiten. Ich wollte, dass wir mutig und vertikal nach vorne spielen und weniger das Spiel in die Breite suchen. Auch mit dem Risiko, Bälle einmal zu verlieren, was nicht schlimm ist. Das haben sie relativ schnell und gut umgesetzt. Weiters wollte ich eine hohe Intensität im Spiel nach vorne, mit Läufen in die Tiefe, auch das hat ganz gut geklappt. So gesehen, haben wir den ersten Schritt geschafft.

Wie sehen die nächsten Schritte aus?

Jetzt geht es darum, nie nachzulassen. Da ist es unser Job als Trainer, penetrant zu sein, immer wieder das Gleiche einzufordern und als nächsten Schritt dafür zu sorgen, dass sich das alles weiterentwickelt. Ich glaube schon, dass wir in kurzer Zeit etwas bewegt haben. Aber ich übernehme auch Dinge, die bisher schon gut geklappt haben, wie etwa Elemente des Positionsspiels. Ich bin nicht so vermessen, zu sagen, nur das, was ich mache, ist richtig. Man muss für die jeweilige Mannschaft die richtige Mischung finden.

Wie lange wird es dauern, bis man eine Austria in 100-prozentigem Letsch-Stil sieht?

Das ist schwer zu sagen, aber 100 Prozent wird es nie geben. Bis wir über ein ganzes Spiel bei 90 Prozent sind, wird es dauern. Aber es geht auch gar nicht darum, dass die Mannschaft den Thomas-Letsch-Stil spielt, sondern darum, dass wir uns an den Plan, den wir uns für das jeweilige Spiel zurechtlegen, halten. Dass wir die Grundprinzipien umsetzen und dass wir vor allem erfolgreich sind. Am Ende geht es um Ergebnisse, da kann es auch einmal Spielsituationen geben, in denen man vom Plan abweicht.

Raphael Holzhauser ist auch in Ihrem System ein Schlüsselspieler, allerdings in einer offensiveren Rolle. Wie geht es ihm auf seiner adaptierten Position?

Das müssten Sie ihn fragen (lacht). Raphael Holzhauser ist ein Spieler, der bei der Austria und in ganz Österreich extrem präsent ist. Aber man darf nicht immer alles an ihm festmachen. Die Rolle, die er jetzt hat, ist ja keine komplett andere, als er bisher innehatte. Er spielt ja jetzt nicht im Tor oder Mittelstürmer. Ich möchte ihn lediglich etwas weiter vorne sehen, weil ich nicht will, dass er sich hinten die Bälle holt und die Spieleröffnung macht. Ansonsten ist es wichtig, Raphael so einzusetzen, dass er seine Stärken einbringen kann, um für die Mannschaft wertvoll zu sein. Aber das gilt sowieso für jeden.

Franz Wohlfahrt hat nach dem Salzburg-Spiel wiederholt die Einstellung mancher Spieler kritisiert. Ist das förderlich und haben auch Sie den Eindruck, dass bei dem einen oder anderen die professionelle Herangehensweise zu wünschen übrig lässt?

Es ist das gute Recht des Sportdirektors, auf Dinge hinzuweisen, die ihm auffallen. Ich halte es auch für wichtig, dass ein Sportdirektor seine Meinung klar kundtut. Wenn er das so sieht, muss er das auch äußern.

Jin-Hyun Lee, Ibrahim Alhassan und Ruan wurden als hierzulande völlig Unbekannte aus dem Ausland geliehen und sind im Kader nur Mitläufer. Ist dieses Trio tatsächlich besser als Akademiespieler, die auf den jeweiligen Positionen nachrücken könnten?

Das Ziel muss es sein, einen Kader zusammenzustellen, der möglichst gut auf jeder Position doppelt besetzt ist. Wenn das auch mit jungen Österreichern oder Spielern aus der eigenen Akademie gelingt, dann ist das perfekt. Für mich muss ein Spieler aus dem Ausland die Qualität der Mannschaft deutlich anheben. Alles andere müssen wir in Österreich finden.

Auch Ihr Vertrag läuft, Stand heute, im Sommer aus. Spätestens ab Frühling arbeitet man als Trainer auch an der Entwicklung für die nächste Saison. Ist es nicht belastend, wenn das Damoklesschwert eines Ablaufdatums über einem hängt und so der Reiz dieser Planungsarbeit potentiell wegfällt?

Dieser Reiz fällt überhaupt nicht weg, weil ich – unabhängig vom Vertrag – nicht anders arbeite. Ich entwickle eine Mannschaft und mache mir Gedanken, wie diese in der nächsten Saison aussehen könnte. Wohl wissend, dass mein aktueller Vertrag endet, aber es ist Teil meines Jobs, perspektivisch zu denken.

Sie haben vorhin erwähnt, dass am Ende die Resultate zählen. In der aktuellen Situation der Austria umso mehr, da das Ziel - die Qualifikation für die Europa League – in weiter Ferne liegt. Ist es so überhaupt möglich, Entwicklungsarbeit zu leisten?

Das eine schließt das andere ja nicht aus. Es geht nicht darum, dass ich eine gewisse Art des Fußballs nur um des Stils willen spielen lassen möchte, sondern ich habe die Überzeugung, dass diese Art, Fußball zu spielen, erfolgreich ist. Dass im Moment noch nicht alles klappt, ist klar. Aber ich bin davon überzeugt, dass das der erfolgreiche Weg ist.

Der Rückstand auf den Europacupplatz beträgt im Idealfall neun, falls der Cupsieger nicht aus den Top vier der Liga kommt, zehn Punkte. Wie schätzen Sie die Chancen ein, das noch aufholen zu können?

Jeder, der die Tabelle sieht und rechnen kann, weiß, dass es extrem schwierig ist, aber so lange die Möglichkeit besteht, wäre es fatal, wenn wir nicht daran glauben würden. Ich bin überzeugt, dass es möglich ist. Wir haben Einfluss auf neun Spiele, diese müssen wir versuchen, zu gewinnen.

Letzten Sommer übernahmen Sie das Traineramt bei Erzgebirge Aue in der 2. deutschen Bundesliga, mussten aber bereits nach drei Spielen wieder gehen. Warum sollte es für Sie dort nicht klappen?

Wenn ein neuer Trainer kommt, hat dieser seine eigenen Ideen und möchte Dinge verändern. Dazu ist es wichtig, dass die anderen dafür offen sind. Hier bei der Austria sind sowohl die Verantwortlichen als auch die Spieler offen, neue Wege mitzugehen. Das ist eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich sein zu können.

Sieben Spieltage vor Schluss liegt Aue mit 33 Punkten auf dem Relegationsplatz. Das hätten Sie sich wohl auch zugetraut.

Ich war davon überzeugt, dass man in Aue mittelfristig etwas Gutes aufbauen kann. Dass es in dieser Saison mit dem Klassenerhalt auch eng werden könnte, war klar. Die 2. deutsche Bundesliga ist sehr ausgeglichen. Natürlich war es nicht mein Ziel, nach Aue zu gehen und mein Kapitel dort nach so kurzer Zeit wieder beenden müssen. Aber das ist Vergangenheit, deshalb mache ich mir auch keine Gedanken, ob sie mit mir besser oder schlechter dastehen würden. Das ist müßig. Jetzt bin ich bei der Austria, die Klubfarben sind gleich und die Aufgabe ist noch spannender.

Ebenfalls in der Vergangenheit liegt Ihr Engagement bei Red Bull, wo Marco Rose letzten Sommer dem scheidenden Óscar García als Salzburg-Trainer nachfolgte. Denken Sie, dass Sie den Job bekommen hätten, hätte Rose mit der U19 nicht die europäische Youth League gewonnen?

Auch das ist Vergangenheit und es lohnt sich nicht, darüber nachzudenken.

David Mayr

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