02.07.2018 13:04 Uhr

Kein Plan B: DFB setzt alles auf die "Löw-Karte"

Alle Augen auf Joachim Löw
Alle Augen auf Joachim Löw

Der DFB setzt alles auf die Karte Joachim Löw. Während die Öffentlichkeit mögliche Nachfolger diskutiert, hat der Verband keine echte Alternative.

Lothar Matthäus? Als in der Diskussion um einen möglichen Nachfolger für Bundestrainer Joachim Löw der Name des deutschen Rekordnationalspielers fällt, geht ein Raunen durchs Doppelpass-Publikum bei "Sport1". Einige Zuschauer lachen sogar. Dabei müsste Matthäus ein natürlicher Kandidat sein.

Müsste - denn tatsächlich gibt es keine echten Kandidaten. Zum einen, weil sie wie Matthäus aus verschiedenen Gründen nicht infrage kommen. Zum anderen, weil der Deutsche Fußball-Bund alles auf die Karte Löw setzt. Reinhard Grindel und seine Präsidiumskollegen warten in der Frankfurter Zentrale sehnsüchtig auf das "Ja" aus Löws Rückzugsort Freiburg. Einen Plan B? Gibt es nicht.

Der Ball liegt bei Löw

Nur eine knappe Stunde dauerte am Freitag die Telefonkonferenz des Präsidiums, immerhin ein 18-köpfiges Gremium mit meinungsfreudigen Vertretern wie BVB-Präsident Reinhard Rauball oder DFL-Chef Christian Seifert. "Es herrschte schnell Einigkeit", sagte einer, der dabei war, "ganz ohne Aufregung." Löw sei der Richtige für den Neuaufbau, hieß es eilig - fertig. Seitdem liegt der Ball bei Löw (58), der aus DFB-Sicht besser heute als morgen entscheiden soll.

Wie passt das zu Grindels Aussage, jetzt sei eine "schonungslose Analyse" gefragt, das historische Vorrunden-Aus bei der WM müsse "Konsequenzen" haben? Wer analysiert da? Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff - das Duo, das die Hauptverantwortung für die Katastrophe von Kasan trägt. Bierhoff gehört dem Präsidium an, er war am Freitag dabei, als die Löw-Frage (nicht) diskutiert wurde. An ihm wäre es, einen möglichen Nachfolger zu suchen. Der DFB hat sich Löw und Bierhoff ausgeliefert.

Löws Tendenz geht dahin, weiterzumachen. Nach zwölf Jahren mit WM-Triumph und Confed-Cup-Sieg will er nicht als Verlierer gehen. "So nicht, das kann es nicht gewesen sein", laute sein Motto, zitiert der kicker aus Löws Umfeld. Das hieße: Löw selbst müsste die "tiefgehenden Maßnahmen und klaren Veränderungen" durchsetzen, die er nach der Rückkehr aus Russland angekündigt hatte.

Dieses Mal kein "Weiter so!"

Schon nach dem Halbfinal-Aus bei der EM 2016 hatten Löw und Bierhoff eine grundlegende Aufarbeitung angekündigt. Die überraschende Erkenntnis: Alle Parameter offenbarten, dass Deutschland das beste Team des Turniers gewesen sei, das Aus mithin unerklärlich. Die Folge: Ein "Weiter so!", das ins WM-Desaster führte.

Auch diesmal gäbe es genügend Anhaltspunkte, das Fiasko schönzufärben. Die deutsche Elf gab in Russland 72 Torschüsse ab - Rekord in der Vorrunde. Sie hatte 72 Prozent Ballbesitz und eine Passquote von 88,5 Prozent - beide Werte sind besser als beim Titelgewinn 2014. Und sie spielte sogar mehr Pässe in den gegnerischen Strafraum als alle anderen Mannschaften.

Doch die Daten zeigen auch, wo die größten Probleme liegen: Im Abschluss und im Umschaltspiel. Nur zwei Tore - kein Team traf weniger oft, nicht einmal Neuling Panama. Kein WM-Teilnehmer hatte eine schwächere Chancenverwertung. Und: Pro Begegnung wurden durchschnittlich 51 Deutsche überspielt - nur Tunesien (53) ließ sich schlimmer übertölpeln.

Löw müsste all diese Mängel beheben - und dazu eine neue Mannschaft formen. Außerdem harrt die Erdogan-Affäre ihrer Aufarbeitung. Mit Beginn der neuen Länderspiel-Saison am 6. September in München gegen Frankreich (Nations League) stünde er sofort unter massivem Ergebnisdruck - viel mehr als ein möglicher Nachfolger.

Trotzdem steht die Fußball-Republik nahezu geschlossen an Löws Seite. "Ich bin pro Jogi Löw", sagte der neue Bayern-Coach Niko Kovac am Montag: "Ich bin überzeugt, dass er der Richtige ist, um das wieder aufzubauen."

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