08.09.2018 07:45 Uhr

Thomas Tuchel bei PSG: Ein Hauch von echter Liebe

Thomas Tuchel kommt bei den PSG-Stars um Neymar bislang bestens an
Thomas Tuchel kommt bei den PSG-Stars um Neymar bislang bestens an

Vor rund zwei Monaten übernahm Thomas Tuchel als erster Deutscher das Traineramt beim Starensemble von Paris Saint-Germain. Die Zeit nutzte der ehemalige Coach von Borussia Dortmund bestens, um in der Ligue 1 gehörig Eindruck zu schinden.

Selbst Torwart-Ikone und PSG-Neuzugang Gianluigi Buffon brauchte nicht lange, um die Vorzüge seines neuen Cheftrainers zu erkennen.

 "Der Trainer ist jemand, der eine unglaubliche Energie und unglaublichen Enthusiasmus vermittelt", sagte der Weltmeister von 2006 über Tuchel, der es als Spieler selbst nie über die Zweitklassigkeit hinaus geschafft hatte.

Ein Hauch von echter Liebe liegt in der Luft, die der als schwierig geltende Fußballlehrer in seinen letzten Monaten beim BVB trotz des Pokalsieges 2017 nicht mehr spürte.

Seine präzisen Vorgaben vor allem im taktischen und spielerischen Bereich, seine klaren Anforderungen hinsichtlich Fitness und Disziplin und sein guter Umgang mit Weltklasse-Spielern wie Neymar oder Kylian Mbappé kommen bestens an beim französischen Branchenprimus.

Gerade im Fall des brasilianischen Superstars Neymar beweist Tuchel derzeit ebenso seine taktische Raffinesse wie auch sein gutes Handling mit fußballerischen Freigeistern.

Nachdem Neymar zum Saisonstart aushilfsweise als Mittelstürmer für den noch verletzten Edinson Cavani ranmusste, hat Tuchel zuletzt eigens ein komplett neues Spielsystem bei den Parisern eingeführt, um die Qualitäten des teuersten Fußballers aller Zeiten noch besser zur Geltung zu bringen.

Thomas Tuchel, coachend auf einer Kühlbox
Thomas Tuchel, coachend auf einer Kühlbox

Neymar als Schlüsselspieler im neuen 3-5-2-System

Aus dem klassischen 4-3-3-System, welches PSG in den Jahren zuvor unter Laurent Blanc und Unai Emery praktizierte, bastelte Tuchel ein hochmodernes 3-5-2-Gerüst.

Für Neymar ist dabei die Rolle des klassischen Spielgestalters vorgesehen. Eine Art Zehner-Position, die es jahrelang beim französischen Meister gar nicht gegeben hatte. 

"Er ist einer der außergewöhnlichsten Spieler. Er ist ein Künstler. Und Künstler sind besonders. Es ist total klar, dass Neymar mein Schlüsselspieler ist", hatte Tuchel schon vor dem Saisonstart über den 26-Jährigen gesagt.

Als neuer Konstante im zentralen offensiven Mittelfeld war Neymar bei den letzten Liga-Spielen gegen Angers (3:1) und Nîmes (4:2) direkt Dreh- und Angelpunkt im Pariser Spiel, verzeichnete deutlich mehr Ballaktionen als zuvor und glänzte auch als Torschütze. 

Einem Bericht der Zeitung "Le Parisien" zufolge soll Neymar überhaupt nur deswegen in der französischen Hauptstadt geblieben sein, weil ihn Tuchel von seinen taktischen Reformplänen unterrichtete. Bis dahin galt ein Abgang des 222-Millionen-Mannes in Richtung Real Madrid als wahrscheinlich.

Di María unter Tuchel bei PSG gesetzt

Hinter dem Giganten-Trio der Pariser um Neymar, Mbappé und Cavani dreht derzeit Ángel Di María auf. Jüngst sorgte der Argentinier gar mit einer direkt verwandelten Ecke für Aufsehen.

Auch zum Leidwesen von Julian Draxler ist Di María, in den letzten Jahren eines der Sorgenkinder bei PSG, bei Tuchel im linken Mittelfeld gesetzt.

Schon in seinen Jahren beim BVB wusste der 45-Jährige, wie er eigenwillige Stars anzufassen hatte. Ousmane Dembélé avancierte unter Tuchel zum begehrtesten Flügelstürmer Europas. Auch Pierre-Emerick Aubameyang funktionierte sportlich trotz mehrerer Eskapaden außerhalb des Platzes hervorragend. 

In Tuchels erster Saison in Dortmund entwickelte sich der zuvor als Sensibelchen abgestempelte Henrikh Mkhitaryan zu einem der besten Spieler der Bundesliga.

Tuchel setzt bei PSG auf Spieler aus der Bundesliga

Der große Einfluss des deutschen Taktikfuchses bei den Parisern wird auch beim Blick auf die Personalplanung deutlich.

Mit Thilo Kehrer vom FC Schalke 04 und Juan Bernat vom FC Bayern München verpflichtete Tuchel zwei Bundesliga-Spieler für die Defensive. Auch Bernats ehemalige Teamkollegen Jérôme Boateng und Renato Sanches hätte der frühere Mainzer dem Vernehmen nach gerne an die Seine gelotst.

Diese Transfers scheiterten im August allerdings ebenso wie die Verpflichtungen von Tuchels Wunschspielern N'Golo Kanté (FC Chelsea) und Alex Sandro (Juventus Turin). 

Dass Tuchel diese Wünsche nicht erfüllt wurden, könnte dem ohnehin umstrittenen Sportdirektor Antero Henrique jetzt um die Ohren fliegen.

Thomas Tuchel (r.) hat einen guten Zugang zu den PSG-Stars
Thomas Tuchel (r.) hat einen guten Zugang zu den PSG-Stars

Nach übereinstimmenden Medienberichten soll der Portugiese bei Klub-Boss Nasser Al-Khelaifi in Ungnade gefallen sein und könnte spätestens nach dieser Saison abgesetzt werden.

Tuchel selbst scheute nach Ende der Transferphase nicht vor direkter Kritik in Richtung Henrique zurück. "Ich habe mehrfach betont, dass wir mit Thiago Motta einen Sechser mit großer Qualität und starker Persönlichkeit verloren haben. [...] Jetzt ist Transferschluss und die Situation ist unverändert", wird der Coach im "kicker" zitiert.

Hier sieht Tuchel bei PSG noch Bedarf

So sieht Tuchel in seinem Kader durchaus noch Verbesserungspotenzial. Vor der Dreierkette um Kapitän Thiago Silva stehen dem Perfektionisten momentan nur Adrien Rabiot und Marquinhos als Sechser zur Verfügung.

Beide sind keine Ideallösungen auf dieser Position für Tuchel, da ihnen Defizite in der Spieleröffnung nachgesagt werden. Marquinhos als gelernter Innenverteidiger ist zudem eine Reihe weiter hinten ohnehin stärker einzuschätzen.

Zwar verzeichnete PSG unter Tuchels Regie mit fünf Siegen in fünf Pflichtspielen und dem Titel im französischen Supercup bislang eine optimale Saisonausbeute. Die große Feuertaufe für den deutschen Coach folgt aber erst noch: das Champions-League-Auftaktspiel am 18. September bei Jürgen Klopps FC Liverpool. 

Mats-Yannick Roth

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