20.09.2018 12:31 Uhr

Joachim Löws London-Trip: Nachsitzen am Hyde Park

Bundestrainer Joachim Löw besucht einen Trainerkongress der FIFA
Bundestrainer Joachim Löw besucht einen Trainerkongress der FIFA

14 Grad, leichter Wind, Regen. London erwartet seine Besucher am Sonntag mit typisch britischem Schmuddelwetter. Doch das ist nicht der Grund, warum Joachim Löw am Samstagabend nach dem Bundesliga-Spiel zwischen Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach mit überschaubarer Vorfreude zu seinem England-Trip aufbrechen dürfte.

Beim dortigen Trainerkongress der FIFA, den der Bundestrainer mit DFB-Direktor Oliver Bierhoff besucht, dreht sich alles um die jüngste WM. Für Löw bedeutet das: Im noblen Grosvenor House am Hyde Park werden vor rund 200 Kollegen aus aller Welt noch einmal die Gründe für das historische WM-Desaster der deutschen Nationalmannschaft durchgekaut. Löw muss sich fühlen wie ein Schüler nach einer verpatzten Prüfung beim Nachsitzen - vor versammelter Klasse.

Wie Hohn muss es für ihn klingen, wenn Carlo Alberto Parreira einen "äußerst wertvollen Dialog" verspricht, "von dem alle Beteiligten profitieren werden". Der Brasilianer, als Coach der Selecao 1994 Weltmeister, saß bei der WM in Russland der "Technical Study Group" der FIFA vor, die das Turnier analysierte. Seine Erkenntnis: "So etwas wie schöneren oder hässlicheren Fußball gibt es nicht."

Mit anderen Worten: Der (oft defensive) Zweck heiligt die Mittel. "In Russland war zu beobachten, dass der Ballbesitz nicht mehr das Maß aller Dinge ist", sagt Parreira: "Stattdessen konzentrierten sich die Teams vor allem darauf, auf engem Raum zu kombinieren, stets kompakt zu stehen und möglichst rasch in die gegnerische Hälfte vorzustoßen. Zudem legten sie noch mehr Wert auf mannschaftliche Geschlossenheit, der sich auch die Stars unterordneten."

"Wir stehen unter Beobachtung"

Das klingt wie eine Analyse des deutschen Scheiterns - für Löw aber ist es nichts Neues. Er hat das historische Vorrunden-Aus längst bis ins Detail analysiert. Am liebsten, das wurde beim Neustart gegen Frankreich (0:0) und Peru (2:1) deutlich, will er die dunkelsten Tage seiner Laufbahn jetzt endlich vergessen. Doch am Sonntag muss er auch noch zusehen, wie der Kongress am Vorabend der Weltfußballer-Gala seinem Thronerben Didier Deschamps huldigt.

In der Vergangenheit hat Löw solche Termine gerne mal geschwänzt. So fehlte er nach dem Halbfinal-Aus bei der EM 2016 beim folgenden UEFA-Kongress ebenso wie am 1. August bei der internationalen Trainer-Tagung mit über 1000 Teilnehmern in Dresden. "Wo ist das Äquivalent im Verband, das sagt: Jogi, geh da hin?", schimpfte der frühere DFB-Sportdirektor Matthias Sammer damals.

Priorität hat für Löw der Oktober. Wenn dann in den Niederlanden und Frankreich die "wichtigen, schwierigen Auswärtsspiele" (DFB-Präsident Reinhard Grindel) in der Nations League anstehen, muss sich seine Auswahl weiter steigern. "Die Mannschaft weiß, dass es weitere gute Leistungen braucht, weil wir unter Beobachtung stehen", sagt er. Und zwar nicht in London, sondern in Amsterdam und Paris.

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